Textatelier
BLOG vom: 07.12.2008

Besuch in Basel: „Figuretti“ entdeckt und Engel mitgebracht

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Wir schlenderten herum. Wir waren nach Basel gekommen, um die Ausstellung von Primos Bildern und Objekten zum Thema „Fundsache Engel“ zu eröffnen. Alle Vorbereitungen waren gemacht. Es blieb uns noch etwas Zeit, das Quartier Gundeldingen zu entdecken.
 
An der Laufenstrasse 90 zog mich ein hell erleuchteter Raum in einer Reihenhaussiedlung magisch an. Im Schaufenster links grüsste ein feingliedriger Stern, eingerahmt von einem türkisfarbenen Theatervorhang. Wir standen vor dem Figurentheater „Figuretti“. Ich ging die Steintreppe hoch. Durch die Glastüre schaute ich auf Kaspers Bühne. Sie war erleuchtet, aber unbelebt. 25 Stühle, alles Individualisten mit verschiedenfarbig bezogenen Sitzkissen, standen für einen Auftritt bereit. Doch nichts regte sich. Das Dutzend Figuren schaute noch aus einem Fenster und machte auf sich aufmerksam.
 
Mit mir hatte es funktioniert. Diese intime Theaterwelt elektrisierte mich, machte mich neugierig. Ich dachte an unsere Enkelkinder in Paris, zog den Fotoapparat aus der Tasche und blitzte in den Raum. Ich wollte ihnen Bilder schicken und erzählen, ich wisse jetzt, wo der Kasper wohne. Vielleicht könnten wir ihn im nächsten Jahr einmal besuchen.
 
Sofort erschienen 2 Personen aus einem Nebenraum und öffneten die Tür. Sie wollten wissen, warum es hier geblitzt habe. Sie schienen sich an meiner Begeisterung zu freuen. Ich bekam die „Figuretti“-Zeitung“ und den Prospekt „Über uns“. Die Foto zeigt die beiden Personen, mit denen ich gesprochen hatte: Claudia Stoob und Werner Jufer. Die Theaterdirektion also. (Mehr über sie und ihr Theater bei www.figuretti.ch).
 
Ich versicherte, wieder zu kommen und einer Aufführung beizuwohnen. Vor lauter Freude vergass ich, dass ich auf dem obersten Treppenabsatz stand. Als ich zu Primo auf die Strasse zurückkehren wollte, ging ich wie ein Luftibus ebenaus und wäre beinahe abgestürzt. Ich konnte mich am Geländer auffangen. Primos Gesichtsausdruck werde ich nicht so schnell vergessen. Eine Mischung aus Schrecken und vorwurfsvoller Strenge. Ich hatte grosses Glück. Hat mich vielleicht ein Engel vor einem katastrophalen Sturz bewahrt?
 
Mittlerweile war die Sonne untergegangen und allerlei Weihnachtsbeleuchtungen spendeten festliches Licht. In solchen Momenten werden  alle Schichten von erlebten Weihnachtsgeschichten wieder wach. Besonders einfache, eher spröde Dekorationen ergreifen mich dann. Sie erinnern an die Kindheit.
 
Letztes Jahr um diese Zeit waren wir auch nach Basel gekommen, um einem Stadtrundgang zu folgen. Eine Kunsthistorikerin führte uns zu Engeln in der Kunst und Architektur und zeigte auf, wie diese geflügelten Wesen von den Menschen durch viele Jahrhunderte hindurch als Beschützer wahrgenommen und sichtbar gemacht wurden.
 
Damals durften wir auch das Rathaus betreten und im Turmzimmer, ganz oben, wurde ein Apéritif serviert. Meine Familie kam, in der Gruppe gehend, unvorbereitet in den Hof dieses prächtigen Gebäudes. Da stand eine mächtige Tanne, festlich geschmückt, und vor ihr wurde Drehorgelmusik gespielt. „Oh, wie schön!" entfuhr es mir. Die Klänge, der Baum, der Lichterglanz, das unbekannte Umfeld, sie gaben den Blick für Weihnachten frei. Wie ein Blick ins Paradies kam mir das vor. Ein Ereignis von wenigen Sekunden.
 
Wir mussten zügig weitergehen. Es vollzog sich alles husch-husch, wie wenn ein Engel gesichtet worden wäre, der sich aber nicht weiter bestaunen liess. Und als wir später zurückkamen, waren die Drehorgeln verschwunden und mit ihnen die grosse Ausstrahlung von vorher.
 
Jetzt, an diesem Dezembertag 2008, konnten wir bekannten und auch unbekannten Menschen aus Basel etwas Vergleichbares zurückgeben. Nichts Herkömmliches und darum überraschend. Ein neuer Blick auf das Wesen des Engels, den Primo als reine Energie versteht. Für ihn sind Engel keine Sache, auch keine menschlichen Figuren. Um aber ein Objekt herzustellen, das diese Energie andeutet, braucht auch er eine Sache: Materialien, die ihm aus seinem Berufsalltag zufallen, Farben, auch Fundgegenstände, die er als Velofahrer auf dem Weg zur Arbeit und auf der Strasse oder beim Spaziergang im Wald oder Feldern entlang, zufällig findet.
 
Die Ausstellung ist gut aufgenommen worden.
 
Hinweis auf die Ausstellung mit Werken von Primo Lorenzetti
Sie ist bis Ende Januar 2009 im Restaurant L'esprit zu sehen. Informationen zum Ort, einer Lesung über Engel und ein Engelmahl finden sich bei www.lesprit.ch.
 
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