BLOG vom: 17.12.2008
Inhalieren: Was unsere Lunge besonders zu schätzen weiss
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
Ob wir es einatmen oder inhalieren nennen, kommt auf ein und dasselbe heraus. Vom Inhalieren spricht man meistens dann, wenn das Einatmen zum Beispiel von aromatischen Essenzen zu Heilzwecken geschieht. Im „Roche Lexikon Medizin“ (1987) wird die Inhalation als das „Einbringen von Gasen, Dämpfen oder feinster, in Luft (bzw. Gas) zerstäubter Teilchen in die Atemwege, -organe unter Ausnutzung des natürlichen (Ein-)Atmungsvorgangs“ definiert.
Lungen-Belastungen
Fast alles, was in unserer Umgebungsluft ist, gelangt in die Lunge, falls die Partikel nicht in der Nase hängen bleiben und wir keine Schutzmaske tragen, so etwa Abgase, Staubpartikel, Pollen, Lösungsmitteldämpfe, Düfte aller Art, das in der Luft enthaltene Wasser. Deshalb kennt man auch die Inhalationsallergien und die Inhalationsnarkose z. B. mit Äther. Eine chronische Lungenentzündung (Inhalationspneumonie) entsteht nach häufigem Einatmen von schädlichen Fremdstoffen wie Phosgen, Säuredämpfen, nitrosen Gasen (Stickoxiden), Halogenverbindungen, Metallstäuben usw.
Raucher inhalieren den (sauren) Rauch einer Zigarette, was mir nie gelungen ist; sofort stellt sich ein fürchterlicher Husten ein. Deshalb rauche ich gelegentlich eine Pfeife, einen Stumpen, eine Brissago oder eine Zigarre, deren alkalischer Rauch nicht in die Lunge hinuntergezogen wird, sondern er erfüllt den Mund und Nasenbereich und die Luft in der näheren Umgebung, wobei zweifellos nicht zu verhindern ist, dass ein Teil in die Lunge gelangt und damit in den Blutkreislauf gelangt, einfach in verdünnter Form.
Den grössten Teil der Atemluft können wir nicht beeinflussen. Bestenfalls beleben wir mit ätherischen Ölen oder Essenzmischungen die Luft unserer Innenräume angenehm. Soeben habe ich einige Tropfen käuflicher Orangenessenz, durch Kaltpressung aus der Schale biologischer Früchte gewonnen, auf eine kleine Bimssteinpyramide neben dem Bildschirm gegeben und geniesse den herrlichen exotischen Duft. Vielleicht hatten die naturverbundenen Völker Recht, die wohlriechende Düfte als Bindeglied von Körper, Geist und Seele betrachteten. In Patrick Süskinds Roman „Das Parfüm“ ist die emotionale Bedeutung von Düften und Gerüchen überzeichnend und überzeugend dargestellt.
Seit Menschengedenken ist bekannt, dass Aromen bei Heilung von Krankheiten eine bedeutende Rolle spielen können. Der aus der lateinischen Sprache stammende Begriff Parfüm setzt sich aus per = durch und fumus = Rauch zusammen und weist damit auf den frühen Gebrauch wohlriechender Duftstoffe wie Weihrauch, Myrrhe usw. zu rituellen Handlungen und Heilzwecken hin. Besonders die Ägypter, Chinesen und Inder waren und sind es zum Teil noch heute: Meister in der Herstellung und Anwendung aromatischer Stoffe. Salböle aus Pflanzenextrakten, insbesondere aus Blüten, waren schon vor 5000 Jahren in Babylon verbreitet. Mit ihnen werden gelegentlich auch böse Geister vertrieben – etwa bei Hausräucherungen. Sicher entfalten die Aromen eine desinfizierende Wirkung (der Weihrauch wurde ursprünglich als Insektizid verwendet). Aber was ist, wenn böse Geister angenehme Düfte ebenfalls lieben sollten und von diesen angezogen würden …?
Aromatherapie
In der Naturheilkunde hat sich ab 1928 die Aromatherapie wieder verbreitet, die mit dem Überhandnehmen der Naturwissenschaften gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten war. Den Impuls für die duftende Renaissance gab der Chemiker René-Maurice Gattefossé aus Lyon F, der sich auch für den grossflächigen Anbau von Lavendel einsetzte. Ein weiterer markanter Impuls erhielt die Aromatherapie 1964 mit dem Erscheinen des Buchs „Aromathérapie – Traitement des maladies par les essences des plantes“ (Behandlung der Krankheiten durch Pflanzenessenzen) von Jean Valnet, einem französischen Chirurgen. Seither erschienen zahllose Nachfolgewerke wie das Werk „Die heilende Kraft der Wohlgerüche und Essenzen“ von Martin Henglein, München, 1985. Sie lehren, wie die Innenwelt harmonisiert werden kann.
Das Atmen
Aber schon das normale Atmen, das sich wegen des Selbsterhaltungstriebs meist unwillkürlich abspielt und dem gelegentlich durch ein bewusstes Tiefenatmen, das auch den Brustkorb kräftigt, etwas nachgeholfen werden sollte, ist eine Quelle des Lebens und der Gesundheit, zumal wir ständig auf Sauerstoff angewiesen sind, um unser Leben fortsetzen zu können. Wahrscheinlich atme ich selber viel zu oberflächlich, zu flach, ziehe zu wenig Luft ein (was in abgasbelasteten Städten ein Vorteil sein kann). Jedenfalls halte ich mich nicht gern in geschlossenen Räumen auf, und das Schlafen bei geschlossenen Fenstern ist für mich undenkbar, zumindest ein Gräuel. Ich bin gerade dabei, diesen Mangel des flachen Atmens zu beheben, die Atemtechnik bewusst zu verbessern – ich hatte schon immer einen langen Atem … Offenbar wird vor allem bei über 60 Jahren alten Menschen die Atmung flacher, dem im Interesse der Spannkraft entgegengewirkt werden muss.
Ein kräftiges Atmen ist indirekt eine Gymnastik fürs Herz und die Wirbelsäule – diese wird bei kräftigem Einatmen (normalerweise durch die Nase, welche die Luft vorerwärmt) gestreckt, beim Ausatmen zusammengezogen. Sogar die Verdauungsorgane und das Nervensystem werden davon angeregt. Die Nasenatmung verhindert die Reizung der Schleimhäute durch trockene oder verunreinigte Luft, stoppt Keime, beugt dem Reizhusten vor und unterzieht die Gase einer Geruchsprüfung; die Ausatmung durch den Mund kann eine Bedeutung als aushelfende bei Anstrengungen sein.
Unsere Atemluft sollte möglichst sauerstoffhaltig sein. Der Idealfall ist die frische Luft im Grünen, insbesondere in Wäldern, wo Sauerstoff als Restprodukt der oxigenen Photosynthese ständig freigesetzt wird; einen kleinen Teil davon verbrauchen die Pflanzen für die eigene Atmung (Energiegewinnung) gleich selber. Der Sauerstoff, den wir inhalieren, gelangt in die feinen Haargefässe, welche die Lungenbläschen umgeben; dort wird der Sauerstoff vom roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) gebunden. Die rund 400 Millionen Lungenbläschen haben eine Oberfläche von etwa 100 Quadratmeter, müssen den Sauerstoff aufnehmen und das Kohlendioxid und auch Körperschadstoffe abgeben. Durch ein bewusstes regelmässiges und vertieftes Atmen können solche die Verbrennungsprozesse im Körper und die Anreicherung des Bluts mit Sauerstoff intensiviert werden, wie das auch automatisch geschieht, wenn wir bei körperlichen Anstrengungen stärker atmen, ja fast „ausser Atem“ kommen.
Das Caldarium in Schinznach
Eine Atembelebung finde ich jeweils in der Schwefeltherme Bad Schinznach in der Aareniederung, rechtsufrig zwischen Wildegg und Brugg. Zuerst lasse ich das Wasser aus den Massagedüsen auf alle Körperbereiche prallen. Dann schwimme ich mit Blick zum 1824/27 entstandenen, von Klassizismus geprägten Rundbau des Zürcher Architekten Hans Konrad Stadler in der Aquarena herum, vorzugsweise gegen den Strom. In der künstlich angelegten Grotte atme ich den dort intensiveren, jaucheartigen H2S-Duft. Und dann begebe ich mich gern in den keramikgefliesten Inhalationsraum, der einer Sauna gleicht, was die hohe Lufttemperatur und aromatischen Essenzen wie Eukalyptus, Menthol, Zedern usf. angereicherte Luft anbelangt. Doch die Luft ist hier feuchter, mit Wasser beinahe gesättigt wie in einem Caldarium. Damit bezeichnet man ein Dampfbad mit einer Temperatur bis zu 45° C (in Schinznach sind es 40 °C) und einem feuchten Raumklima (96 %), das einem klassischen römischen Warm- bzw. Schwitzbad ähnlich ist. Die Wärme wird von Wänden und Bänken ausgestrahlt und ist daher mild und gut verträglich, kreislaufschonend. Bei Bronchialbeschwerden und Erkältungen oder aber zur Vorbeugung gegen solche Erkrankungen muss diese Sauna-Variante, eine Art Inhalationsbad in einem feuchten, aromatisierten Raum, eine Wohltat sein.
Das Inhalieren von Wasserdampf ist ein altbewährtes Hausmittel bei Entzündungen der oberen Luftwege und bei Nasennebenhöhlenentzündung. Im Buch „Die natürliche Heilweise“ von Dr. med. C. Sturm, das um 1900 erschienen ist, sind Dampfinhalationsapparate mit Federventil zum Preis von 2 Mark bzw. Gewichtsventil für 17 Mark erwähnt. Für den Alltagsgebrauch kann man Meerwasser-Nasensprays kaufen (Kaltanwendung).
Das Zusammenwirken von Wärme und Feuchtigkeit regt den Kreislauf an, entspannt die Muskeln und veranlasst Luftwege und Haut zu verstärkten Reinigungsanstrengungen. Mit einem Gartenschlauch kann man sich im Schinznacher Inhalatorium nach Gutdünken mit kaltem Wasser abkühlen.
Die Kombinationswirkung von Luft, Wärme, Feuchtigkeit und Düften kann jedermann selber deutlich spüren. Allein viele Duftstoffe entfalten über das limbische System und die angeschlossenen Steuerzentren (Hypothalamus/Hypophyse) so etwas wie eine hormonelle Wirkung auf das Gefühlsleben.
Duftstoffe sind eine Hilfe, wenn Sie „die Nase voll“ haben ... Und mit einer tiefgehenden Atmung kann ein Teil allfällig vorhandener Beschwerden weggeatmet werden. Und dann können Sie wieder aufatmen.
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