Textatelier
BLOG vom: 15.02.2009

Obama-Stilbruch 15: US-Blech, Pechserie, Pannen, Pleiten

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Allmählich laufe ich Gefahr, den Überblick über das entzückende Kabinett des Barack Obama, das angeblich allerallerbeste der Welt, zu verlieren. So hatte ich mir gerade den Namen Judd Gregg (61) gemerkt, der aus New Hampshire kommt, aus jenem neuenglischen Bundesstaat, den ich am besten kenne, weil wir dort Verwandte haben und ausführlich herumgereist sind. Zur Versüssung der Erinnerungen haben wir Ahornsirup aus Sugar Hill heimgebracht. Der Republikaner Gregg war sozusagen Kandidaten-Nachfolger von Bill Richardson, Gouverneur von New Mexiko. Doch wegen laufender Korruptionsermittlungen musste sich Richardson aus dem Rennen nehmen. Und jetzt hat sich auch Gregg, der als „Mann des Freihandels“ (und nicht etwa des Protektionismus’) gilt, den Zirkus verlassen.
 
Die Rotationen im Kabinett Obamas, das noch im Säuglingsalter ist, haben Stil: So erklärten der designierte Gesundheitsminister Tom Daschle und die als Sonderbeauftragte für Haushaltsdisziplin benannte Nancy Killefer wegen ihren „Problemen mit den Steuerbehörden“ ihren Verzicht. Finanzminister Timothy Geithner wurde – ebenfalls wegen Steuerproblemen – vom Senat nur knapp ins Amt gelassen.
 
Gregg hätte im Obama-Kabinett als versüssendes überparteiliches Feigenblatt, als Vorzeigerepublikaner, funktionieren sollen, als eine Brücke zu den Republikanern, die dann beim Milliardenhilfspaket aus den leeren US-Töpfen gleichwohl nur minimal spielte (im Senat stimmten nur gerade 3 Republikaner zu).
 
Zur Pannenserie gehört Obamas kopflose, ursprünglich vorgesehene „Buy-American“-Klausel, die von den Westmedien heruntergespielt wird: „Kaufe USA-Waren“, das heisst, die Verwendung von US-Produkten sollte vorgeschrieben werden. Sie wurde im Kongress etwas abgeschwächt: Alle Massnahmen müssten im Einklang mit den Verpflichtungen der USA aus internationalen Abkommen stehen (an die sich die USA noch nie gehalten haben). Eine Ausnahme sind Stahl und Eisen für Infrastrukturprojekte, die aus einheimischer Produktion kommen müssen, aus der selben Nation, aus der die Schrottpapiere kamen und die ganz und gar nicht den Amerikanern vorbehalten waren. Neue Handelskriege sind bei diesem wieder erwachenden Protektionismus programmiert. Die EU, Japan und Kanada hatten gegen diesen nationalen Egoismus, der das Wohl der durch Amerika in den Abgrund gestossenen Weltwirtschaft ignorierte, bereits protestiert. Obama sah auch hier seinen Fehler ein und behauptet seither das Gegenteil, ohne dadurch an der Sache der Bevorzugung der nationalen Wirtschaft viel zu ändern.
 
Doch war es angeblich nicht einfach diese Geschichte, die Obama eine neue Ernennungsschlappe eingetragen hat. Vielmehr hat Gregg in einer Erklärung Obamas Konjunkturprogramm und die Pläne des Präsidenten für die Volkszählungs- und Statistikbehörde (Census Bureau) als Beispiele für „unauflösliche Konflikte“ genannt: „Wir haben einen sehr unterschiedlichen Standpunkt in vielen entscheidenden Politikfeldern.“ Der Regierungssprecher Robert Gibbs unterschob dem einsichtigen Gregg einen „Sinneswandel“.
 
Solche Sinneswandel sind im US-System offensichtlich inhärent. Der Politmessias Obama, der einst den Staatshaushalt ins Lot zu bringen versprach, legte stattdessen das grösste Ausgabengesetz in der US-Geschichte vor, das noch etwas reduziert wurde. Er pumpt nun noch 798 Milliarden USD ins System, wo sie irgendwo versickern werden – ein Schuldenexzess unter dem Motto: Sind die Staatsfinanzen einmal ruiniert (und dafür hat schon George W. Bush gesorgt), subventioniert sich’s ganz ungeniert.
 
Der neue Hoffnungsträger präsentiert sich gerade als unübertreffliches Vorbild im Schuldenmachen – George W. Bush an die Wand spielend. 200 US-Ökonomen haben in der „New York Times“ ganzseitige Anzeigen gegen dieses Ansinnen geschaltet: „Wir glauben nicht, dass höhere Staatsausgaben die wirtschaftliche Entwicklung verbessern.“ Obama will sich mit übergrossen Zahlen profilieren und bleibt die Antwort schuldig, woher das Geld denn kommen soll (von künftigen Generationen oder aus dem Ausland), ein kurzfristiger populistischer Show-Rausch zelebrierend, dem ein nachhaltiger Kater folgen wird, der zum Staatsbankrott führen kann. Obama verbarrikadiert sich damit zudem seine weitere pekuniäre Handlungsfähigkeit. Die Prasserei auf Pump setzt grundfalsche Signale für ein Volk, das seit Jahrzehnten auf Kosten anderer lebt (Dollarzerfall).
 
Obama führt damit die Politik der Vorgängerregierung Bush jun. im Prinzip unbeirrt weiter, die ins Schlamassel führte, allerdings noch verstärkt, akzentuiert. Die Schuldenaufhäufung durch das protzige Volk der Amerikaner, das in Saus und Braus lebte, war es ja, das der ganzen globalisierten Wirtschaft schwersten Schaden zufügte. Und so soll es nun auf höherer Ebene im noch dramatisch ausgeweiteten Stil weitergehen. Ein Change ist nicht auszumachen. Obamas Massnahmen zeigten, schrieb die „New York Times“ in einem Anflug von Klarsicht, dass „seine hochfliegenden Forderungen nach Wandel in der Regierungspraxis bereits binnen einiger Wochen von eingefahrener Parteilichkeit zermalmt wurden“.
 
Zur Genesung verhilft auch das neue, zusätzliche „Paket“ zur Rettung der Banken nicht, das der moralisch angeschlagene Finanzminister Geithner am 10.02.2009 verkündete: Der Gesamtbetrag könnte mit den neuen Ankurbelungsmassnahmen auf die unvorstellbare Summe von 2 Billionen USD anwachsen, sagte er. Zudem sollen laut seiner Aufforderung Investoren den Banken mit Hilfe des Staats mit seinen faulen Finanzen faule Papiere von möglicherweise bis zu 1 Billion (fauler) USD abkaufen. Fragt sich nur, welcher Idiot in Zukunft solch stinkenden Plunder erwerben wird, und mögen ihn auch korrupte Agenturen mit einem vierfachen AAAA-Rating versehen. Ein zweites Mal wird der kriminelle Verkaufstrick nicht gelingen; selbst grosse Banken mit ihren Analysten- und Controllerheeren in aller Welt dürften inzwischen etwas schlauer geworden sein – jedenfalls hoffe ich das.
 
Geithners Ankündigungen waren verschwommen, und er liess eine vollends konsternierte Wallstreet zurück. Der Dow Jones sackte gleich um mehr als 4 % ab, und die weltweiten Börsen äfften auch diesen Absturz nach, wie es üblich ist. In den folgenden Tagen dümpelten die Börsen saftlos vor sich hin.
 
„Wir werden Fehler machen. Wir werden Perioden durchlaufen, in denen die Dinge schlimmer werden und Fortschritte unterbrochen werden“, kokettierte Geithner namens der Regierung, wie es sich im Rahmen der modernen Fehlerkultivierung gehört. Ich würde mir eher eine Regierung wünschen, die Fehler vermeidet und ein marodes, unhaltbares neoliberales System US-Zuschnitts ändert statt ausbaut, ja aufbläst.
 
Es gibt Dinge, die man nicht durch ein Fehlereingeständnis entschuldigen und aus der Welt schaffen kann.
 
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