Textatelier
BLOG vom: 30.04.2009

Diesseits und jenseits der Liebe im Frühlingsregen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Der Frühlingsregen netzt und erweckt Liebesgefühle. So ist es recht und soll es sein. Viel erwartet von der Liebe, wer jung ist. Glücklich auch, wer alt ist und sie erlebt hat und in ihrer Erinnerung schwelgt. Aber daneben gibt es die traurigen Fälle jener, die den Wert der Liebe nicht erfasst haben oder falsch verstehen. Ich habe hier einige bescheidene Verse gezimmert, um gewisse Kontraste aufzuzeigen. 
So einfach geht es nicht
Prüfe dich! Alles war so einfach geschehen.
Sie kannten einander erst seit zwei Stunden
Und standen entkleidet vor dem Hotelbett.
Erst jetzt fragte er sie nach ihrem Namen.
Frühmorgens schaute er auf die Uhr
Und wünschte, er wäre allein erwacht. 
Die eingeschlafene Liebe
Die Liebe hatte die Vorhänge gezogen.
Die Nachtischlampen sind ausgeknipst.
Sie küssten sich nicht mehr „gute Nacht“.
Und kehrten einander den Rücken zu.
Der Strassenverkehr hatte sich gelegt.
So lag das Paar und schlief alsbald. 
Die Sprache der Liebe versagt
Sein Herzenswunsch nach ihrer Gunst
Leuchtete zwar aus seinen Augen,
Doch fehlte ihm die Sprache der Liebe. 
Modellwechsel
Wäre er ein Maler geworden,
Wechselte er sein Modell täglich. 
An meine Gauklerin
Ich erblickte sie im Rahmen:
War sie ein Gemälde?
Schaute sie in den Spiegel?
Stand sie vor dem Fenster?
Sie war jedesmal eine andere,
austauschbar in der Phantasie:
Bald wohlgeformt wie ein Cello,
bald gertenschlank und engelhaft,
bald ein liebestolles Weib.
Wer immer du bist, verlasse
den Rahmen, lasse dich kosen,
lächle mir durch den Spiegel zu,
wende dich vom Fenster ab,
damit wir die Nacht teilen:
Du Gauklerin meiner Phantasie
Das Statussymbol
Sie diente ihm als Statussymbol
Und trug ein tiefes Dekolleté
Sie sass der Welt zur Schau
Er neben ihr mit Besitzerstolz.
Ei! wie er sich ärgerte,
wenn man sie nicht beachtete. 
Mutterliebe
Nichts übertrifft die Mutterliebe:
Sie verzeiht und tröstet,
Sie opfert nicht, sie schenkt
Fraglos und erwartet keinen Dank. 
Die Liebespoesie
Wäre es besser um die Liebe bestellt,
gäbe es keine Liebespoesie?
Wer sie in Verse giesst,
hat Tränen vergossen.
Wer ihre Verse liest,
träumt vom Liebesglück.
Wem Liebe wiederfährt,
pflückt für sie eine Rose.
 
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