BLOG vom: 25.06.2009
Rosenkohl: Britischer Kapitän verbot das „Teufelsgemüse“
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim
Wyane Keble, Kapitän des Kriegsschiffs HMS Bulwark, hat ein ungewöhnliches Wort für den Rosenkohl geschaffen. Er bezeichnete das Gemüse, wie www.welt.de am 19.06.2009 berichtete, als „Teufelsgemüse“ und hat dieses von seinem Schiff verbannt. Dann behauptete er noch, der „brussels sprout“ sei das einzige Gemüse, das er nicht möge und wirklich hasse. Vielleicht hat er dabei an Brüssel gedacht, das bei den EU-kritischen Briten nicht eben beliebt ist. Aber da ist der Kapitän auf dem Holzweg oder auf dem falschen Dampfer.
Die Kulturform des Rosenkohls entstand zwar in Belgien und wird bei uns auch „Brüsseler Kohl“, in Frankreich „Chou de Bruxelles“, in Spanien „Col de Bruselas“, in Italien „Càvolo di Brussele“ bezeichnet, kommt aber heute nicht unbedingt aus Brüssel oder Belgien, sondern meistens aus anderen EU-Mitgliedsstaaten.
Vielleicht wusste der Kapitän nicht, dass das verschmähte Gemüse sehr gesund ist, wie wir später sehen werden. Es ist in der Tat kein „Teufelsgemüse“. Da wurde wohl der Kapitän vom „Teufel geritten“. Die Redensart „wenn einem der Teufel reitet“, bedeutet ja, dass man zu allem fähig ist (nicht nur, um Verbote zu erlassen).
Vielleicht kann man mit Sauerkraut und Rosenkohl nicht die Kinder, sondern alle Briten erschrecken. Früher war ja der Spinat bei uns das unbeliebteste Gemüse. Alle Kinder der Nachkriegszeit mussten diesen futtern, bis der Spinat uns aus den Ohren oder sonst wo herausquoll. Aber aus den Kindern wurden Erwachsene und oft auch Liebhaber des Spinats.
Sauerkraut galt als giftig
Blicken wir zurück in die Vergangenheit. Da entrüsteten sich viele Engländer, weil der Arzt und Naturheilkundige John Pringle Mitte des 18. Jahrhunderts vorschlug, man solle doch auf Entdeckungsreisen mit dem Schiff Sauerkraut mitnehmen. Viele medizinische Autoritäten der damaligen Zeit waren der Meinung, Sauerkraut sei schwer verdaulich, verursache Blähungen, enthalte Fäulnisstoffe und sei sogar giftig. Die englischen Seelords waren jedoch, wegen der jährlichen hohen Verluste durch Skorbut (Mangel an Vitamin C), dennoch einverstanden, das unbeliebte Sauerkraut mitzunehmen. Später ersetzte die englische Marine das Kraut durch Zitronen bzw. Zitronensaft aus den Kolonien (daher der Spitzname „Limey“).
In Deutschland rief der Streit der englischen Mediziner nur ein mitleidiges Lächeln hervor. Hier wurde das Sauerkraut schon Jahrhunderte lang verzehrt, und keiner kam auf die Idee, das Kraut zu verteufeln. Das Sauerkraut wurde regelrecht zu einem deutschen Nationalgericht. Die Deutschen wurden besonders während des Zweiten Weltkriegs in England als „Krauts“ bezeichnet.
Zurück zu unserer Geschichte. Der erwähnte Kapitän, der Rosenkohl nicht mag, hat entweder Erinnerungen an die Verdauungsgase, die nach dem Genuss von Kohl in manchen Därmen entfliehen, oder hat den Geruch von gekochtem Kohl in schlechter Erinnerung. Das wissen wir ja, wenn Kohl gekocht wird, hat er nicht den besten Geruch. Ich kann mich noch an Kohlgerichte meiner Eltern und Schwiegereltern erinnern. Damals wurde der Kohl manchmal so lange gekocht, bis die Gerüche durch das ganze Haus und sogar bis auf der angrenzenden Strasse auszumachen waren. Der Gestank war zwar fürchterlich, aber der Kohl schmeckte uns trotzdem.
In England ist sicherlich der Kohl durch Kochen malträtiert worden. Dann wird er wohl lauwarm mit Pfefferminzsosse serviert. Da überkommt einem das kalte Grausen bezüglich dieser Kombination.
Lobenswert ist ja, wenn sich ein Kapitän Gedanken über die Gesundheit seiner Untergebenen macht. Wie er kundgab, ist er immer für gesundes Essen zu haben, und er muss dafür sorgen, dass alle fit und gesund bleiben. „Wir pflegen einen gesunden Lebenswandel, mässigen uns beim Alkohol und achten darauf, kein Übergewicht anzusetzen“, so Keble.
Alle Achtung! Man kann es kaum glauben, dass hier nicht nur Rosenkohl, sondern auch Fast-Food verboten ist. Die Marines sollen ja fit und im Notfall kampfbereit sein und jeden Gegner besiegen können. Dafür braucht man keinen Rosenkohl, der Blähungen verursacht.
Nichts mehr zu nagen
Ganz amüsant fand ich die Kommentare von Lesern, die am 19.06.2009 eingingen. So schrieb S. Silb: „Wenn ein englischer Kapitän auch noch den Rosenkohl auf seinem Schiff verbietet, dann haben die ja überhaupt nichts Vernünftiges mehr zu nagen.“
„Soo" schrieb, der Kapitän leide offensichtlich an Skorbut im fortgeschrittenen Stadium.
Bürger erwähnte, er liebe Rosenkohl und bemerkte „was kann das Gemüse dafür, wenn offensichtlich viele einfach unfähig sind, ihn richtig zuzubereiten“. Dann betonte er noch, die Junk-Food-Esser sollten weniger von dieser Kost zuführen, dann würden sich die Geschmacksknospen wieder erholen.
Ein anderer Kommentarschreiber, ein Liebhaber des Rosenkohls, meinte, er sei nach dem Lesen des Artikels nicht normal. Als er jedoch die positiven Leserzuschriften las, hielt er Folgendes fest: „Mein Gott – bin ich froh, normal zu sein.“
Richtig zubereiten
Rosi gab in einem Kommentar das richtige Zubereiten bekannt. Rosenkohl sollte man nicht kochen, denn sonst stinkt er und schmeckt nicht gut. Sie bereitet den Rosenkohl in Öl (Erdnuss- oder Rapsöl) auf kleiner Flamme zu.
Zubereitung: Man putzt den Kohl, schneidet ihn in Viertel, brät diese in Erdnussöl leicht an. Man fügt Karotten (Rüebli) und etwas später Lauch hinzu und erhitzt vorsichtig, wobei der Bräter zugedeckt sein muss. Zum Schluss gibt man noch einige halbe Walnüsse (Baumnüsse) und einen guten Schuss Sojasosse dazu. Das Ganze wird mit Butter-Curry-Reis serviert. „So schmeckt Rosenkohl“, behauptet die Köchin.
Hinweis: Rosenkohl entfaltet erst nach dem 1. Frost sein volles Aroma. Auch die Verdaulichkeit verbessert sich, weil das Zellgewebe gelockert wird.
Wird der Kapitän seine Meinung ändern?
Um den Rosenkohl dem englischen Kapitän schmackhaft zu machen, werde ich jetzt einmal darstellen, wie gesund der Rosenkohl ist. Hier die Vorzüge von Rosenkohl auf einen Blick:
Der Rosenkohl gehört zu den Vitamin-C-reichsten Gemüsearten. In 100 g Rosenkohl befinden sich 115 mg Vitamin C, das ist doppelt so viel wie in derselben Menge Orangen oder Zitronen. Aber Achtung! Bei der Zubereitung sind Vitamin-C-Verluste üblich. So lagen die Verluste bei wasserarmem Garen bei 14 %, bei konventionellem Kochen bei 22 % und beim Druckgaren knapp unter 27 %.
Beachtlich ist auch der Gehalt an Kalium (410 mg/100 g). Weitere interessante Inhaltsstoffe sind Vitamin E, Ballaststoffe, organische Säuren, Mineralstoffe. Der Rosenkohl hält unter allen Kohlsorten nicht nur beim Eiweissgehalt die Spitze, sondern auch bei den Ballaststoffen. Die Marines würden dann nicht mehr unter der lästigen Verstopfung leiden.
Für Gichtgebeutelte interessant ist die Tatsache, dass der Rosenkohl nur wenig Purine enthält, nämlich nur 15 mg je 100 g (Vergleich: Hülsenfrüchte bis 120 mg Purine/100 g, Spargel: 30 mg/100 g).
Wer Rosenkohl oder andere Kohlarten isst, der bekommt wahrscheinlich weniger Wucherungen im Dickdarm (Polypen). Eine krebsfeindliche Wirkung wird den Indol-Glucosinolaten zugeschrieben. Diese Stoffe steigern die Produktion von bestimmten körpereigenen Enzymen, die krebsauslösende Stoffe entgiften und ausscheiden.
Die in Kohlarten vorkommenden Indole haben auch eine antioxidative Wirkung. Antioxidantien sind Stoffe, die uns vor sauerstoffreichen Verbindungen (Oxidantien) und „freien Radikalen“ schützen. Freie Radikale sind aggressive Sauerstoffverbindungen, die laufend im Stoffwechsel und durch äussere Einflüsse (Ozon, UV-Strahlung, Stickoxide, Zigarettenrauch) entstehen. Sie zerstören u. a. die Zellmembran. Freie Radikale stehen im Verdacht, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, an Krebserkrankungen, Augenschäden (grauer Star, Makula-Degeneration) und beim Alterungsprozess eine Rolle zu spielen.
Habe ich den Kapitän überzeugt? Er wird wohl weiter sein Gesicht verziehen, wenn er das Wort Rosenkohl hört. Aber seine Marines würden ihn vielleicht mit Genuss verspeisen (nicht den Kapitän, sondern den Rosenkohl).
Vielleicht irre ich mich, und auch der Kapitän wird noch zu einem Liebhaber des Rosenkohls.
Literatur
Heinz Scholz: „Rosenkohl – ein gesundes Wintergemüse“, „Natürlich“, 1996-12.
Carine Buhmann: „Rosenkohl – ein ideales Wintergemüse“, Rezepte in „Natürlich“, 1996-12.
Esther Krummenacher: „Rosenkohl: Lockere Gebilde bei Überdüngung“, Anbauvorschriften in „Natürlich“, 1996-12.
Internet
www.welt.de (Essen auf See: Kapitän verbietet „Teufelsgemüse“ Rosenkohl)
Hinweise auf Blogs mit Rosenkohl-Erwähnungen
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