Textatelier
BLOG vom: 25.07.2009

Schmackhafte, würzige Rucola: „Ich esse doch kein Gras!“

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Als wir am 19.07.2009 im Restaurant „Alte Laube“ in Lörrach-Brombach D zu Mittag speisten, gab es einen vorzüglichen gemischten Salat mit Rucola. Am Nebentisch sassen 2 betagte Ehepaare, die den Rucola nicht verzehrten. Eine von den Vieren war eine resolute Dame. Sie sagte zum Chef, als er die nicht ganz geleerten Salatteller zurücknahm: „Ich mag keinen Rucola. Ich esse doch kein Gras.“
 
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung sprachen die Frauen hauptsächlich vom Essen und darüber, wie sie das eine oder andere klassische Gericht zubereiten. Dabei sagte ein Ehemann: „Und wir Männer müssen alles essen!“ Die Männer machten einen zufriedenen Eindruck. Wahrscheinlich waren sie mit den Kochkünsten ihrer Frauen zufrieden. Da fiel mir eine Bemerkung von Dr. August Oetker ein: „Frauen, welche schlecht kochen und welche kein gemütliches Heim zu schaffen vermögen, treiben ihren Mann aus dem Haus und dem Schnapsteufel in die Arme.“
 
Oft ist es so, dass viele Ältere für neuartige Gerichte nicht zu haben sind. Hier bewahrheitet sich der Spruch: „Was der Bauer nicht kennt, das isst (frisst) er nicht.“ Auch bei meinen Eltern und in meiner eigenen Verwandtschaft wurden früher wenige Gerichte rauf und runter gekocht. Immer dasselbe. So gab es diverse Braten, Schnitzel, Rindsrouladen, Hähnchengerichte, Pfannkuchen, Knödel mit Pilzsosse und Schupfnudeln mit Speck und Sauerkraut. Abwechselnd kamen noch diverse Eintöpfe auf den Tisch. Die Speisen waren nicht die schlechtesten, zumal es reichlich Gemüse und Obst aus eigenem Anbau gab. Auch die bäuerliche Kost war früher oft spartanisch, aber gesund. Man könnte den oben erwähnten Spruch noch so erweitern: „Würde der Städter kennen, was er isst (frisst), er würde umgehend Bauer werden.“
 
Heute ist das anders: Nach Einführung der internationalen und mediterranen Küche wird wieder abwechslungsreicher gekocht. Das finde ich gut so. Auch kam so wieder die alte Kulturpflanze Rucola mit mediterranem Flair zu Ehren.
 
Die „Alte Laube“, die ich von diversen Vespern nach Wanderungen gut kenne, hat an einer Wand in der Nähe des Eingangs eine Besonderheit zu bieten: Hier verewigte sich am 12.01.1992 Ivan Rebroff (1931 bis 2008), der deutsche Sänger mit einem Stimmenumfang von mehr als 4 Oktaven, mit einer Zeichnung, Widmung und einem Autogramm. Damals speiste der Sänger nach einem Auftritt in der Brombacher Kirche in dieser Wirtschaft.
 
Die „Alte Laube“ ist ein Fachwerkhaus, das um 1570 erbaut und 1984 renoviert wurde. Die Gaststätte befindet sich an der Ecke Römer-/Bündtenstrasse in Brombach.
 
Nicht nur ein Potenzmittel
Der Rucola (auch Ruccola, Rukola) wurde früher im deutschprachigen Raum als Rauke bezeichnet. Sie geriet jedoch in Vergessenheit, bis die Pflanze unter dem italienischen Namen wieder bei uns populär wurde.
 
Man unterscheidet 2 bis 3 Arten, nämlich die Garten-Senfrauke (Eruca sativa), der Schmalblättrige Doppelsame (Diplotaxis tenuifolia) und der Mauer-Doppelsame (Diplotaxis muralis). Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (lwg) führt nur 2 Sorten, die Salatrauke (Eruca sativa) und die Wilde Rauke (Diplotaxis tenuifolia) auf. Die erstgenannte Art ist die klassische Rucola. Diese ist schon seit dem Altertum bekannt. Die Germanen waren ganz versessen auf die Senfrauke, denn sie galt als Potenzmittel. Durch die Römer gelangte die Rauke in den Mittelmeerraum.
 
Rucola zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Senfölen (Glucosinolate) aus. Diese sind am aromatischen, scharfen Geschmack, der Kresse nicht unähnlich, massgeblich beteiligt.
 
Die Senföle, die auch in Senf, Meerrettich, Kohl vorkommen, weisen eine bakterientötende, krebshemmende und eine abwehrstärkende Wirkung auf.
 
Rucola hat noch mehr zu bieten, nämlich Vitamin C, Folsäure, Kalzium (160 mg/100 g), Kalium (370 mg/100 g) Eisen (1,5 mg/100 g) und organische Säuren.
 
Rückstände und Nitrat in Rucola
Das Lebensmittelinstitut Oldenburg (www.niedersachsen.de) überprüfte im Jahr 2008 17 Rucolaproben aus konventionellem und aus ökologischem Anbau auf Pflanzenschutzmittel-Rückstände (Pflanzenschutzmittel ist die offizielle Bezeichnung, man könnte aber auch von Pestiziden oder Schädlingsbekämpfungsmitteln sprechen). 6 Proben stammten aus Deutschland (darunter die biologisch erzeugte), 10 aus Italien und eine aus Griechenland.
 
Das Ergebnis war teilweise unerfreulich: In 3 italienischen Proben wurden Rückstände festgestellt, die oberhalb der gesetzlichen Höchstmengen lagen. In einer deutschen Probe wurde sogar ein nicht zugelassener Stoff entdeckt. In einer deutschen und einer italienischen Probe wurden 4 verschiedene Wirkstoffe aufgefunden. Bei der Untersuchung wurden nur solche Proben berücksichtigt, die über 0,01 mg/kg der Mittel aufwiesen (Grafiken sind im Internet unter der oben genannten Adresse einsehbar).
 
Erfreulich: In 4 deutschen Proben, darunter auch Bio-Rucola, und in 2 Proben aus Italien wurden keine Rückstände nachgewiesen.
 
Es wurde bei dieser Untersuchung auch der Nitratgehalt ermittelt. Rucola und auch andere Salatsorten speichern Überschüsse aus der Stickstoffdüngung unverändert in der Pflanze (das Nitrat bzw. der Stickstoff wird zum Chlorophyll- und Eiweissaufbau benötigt). Je intensiver ein Feld gedüngt wird, umso mehr Nitrat findet man in den darauf wachsenden Pflanzen.
 
Der Nitratgehalt ist vom Anbaustandort, von der Düngung, Dauer der Sonneneinstrahlung abhängig.
 
Geringe Lichtintensität fördert die Nitratspeicherung, starke Lichteinwirkung baut Nitrat ab. Treibhaussalate enthalten mehr Nitrat als Freilandsalate. Den geringsten Nitratgehalt besitzen Salate aus biologischem Anbau. Das war auch bei den Rucola-Proben der Fall. In Bio-Rucola fand man nur 26 mg/kg, während in 17 Proben aus konventionellem Anbau hohe Werte aufgefunden wurden (höchster Wert: 6523 mg/kg).
 
Nitrate sind relativ harmlos. Die durchschnittliche tägliche Nitrataufnahme beträgt in Deutschland 75 mg pro Person. Bei vegetarischer Ernährung kann der Wert auf 200 mg ansteigen. Auch unser Körper produziert Nitrat und zwar täglich 50 mg.
 
Das meiste Nitrat wird durch den Organismus über die Nieren ausgeschieden. Ein Teil wird durch eine Bakterienschar schon in der Mundschleimhaut zu Nitrit umgewandelt. Wenn ein Magen zu wenig Salzsäure produziert oder eine Magenschleimhautentzündung vorliegt, siedeln sich gerne Bakterien, die diese Nitrat-Nitrit-Umsetzung bewerkstelligen, an. Nitrite bilden sich übrigens auch bei zu langer und unsachgemässer Lagerung von Salat und Gemüse und wenn gekochte Speisen, wie beispielsweise Spinat, zu lange herumstehen und wieder aufgewärmt werden.
 
Nitrit kann mit Eiweissbausteinen (Aminen) zu den krebserregenden Nitrosaminen reagieren. Nitrosamine bilden sich übrigens auch in der Pfanne, wenn nitrithaltiger Schinken mit dem eiweisshaltigen Käse erhitzt wird.
 
Weitere Tipps sind in meinem Buch Richtig gut einkaufen aufgeführt.
 
Ein kleines Fazit
Rucola ist also mehr als Gras. Er gibt nicht nur den Salaten eine Würze, sondern auch Nudelgerichten, Risotto, Suppen, Ragouts und Pestos. Er macht aber auch bestimmte Pizzen schmackhafter.
 
Das Lebensmittelinstitut Oldenburg betonte, dass „ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher bei einmaligem oder gelegentlichem Verzehr unwahrscheinlich ist.“ Trotzdem empfehle ich die Verwendung von Rucola aus ökologischem Anbau. Da ist man sicher, dass keine Giftstoffe drin sind.
 
Interessant ist, was die lwg zum Pflanzenschutz äusserte: „Bei trockener Witterung können Erdflöhe auftreten. Wichtig ist es dann, den Boden zu lockern und feucht zu halten. Weitere Pflanzenschutzmassnahmen sind in der Regel nicht erforderlich.“ Hoffentlich wird dies auch in der konventionellen Landwirtschaft beherzigt.
 
Literatur
Heinz Scholz: „Richtig gut einkaufen“ (Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag), Verlag Textatelier.com, Biberstein 2005 (vergriffen).
Der kleine Souci, Fachmann, Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004.
 
Hinweis: Im Handel gibt es auch einige Kochbücher über Rucola. Aber auch das Internet präsentiert viele Rezepte (s. unten).
 
Internet
www.lwg.bayern.de/gartenakademie/ (Infos und Anbaubedingungen)
 
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