Textatelier
BLOG vom: 30.07.2009

Wandern im Schwarzwald (III): Lampenschweine und Moore

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 4. Tag unserer Wanderwoche schlenderten wir von Herrenschwand über den Waldparkplatz Waldmatt (beim Kreuz) in Richtung Ehrsberg (Gemeinde Häg-Ehrsberg). Dort speisten wir in der schon erwähnten „Tanne“. Es gab als Vorspeise eine Nudelsuppe; dann folgte ein Schmorbraten mit Spätzle und Salat für 9 Euro. An diesem Tag herrschte trübes Wetter vor. Es war meist bewölkt, nur ab und zu lugte die Sonne hervor. Nach dem opulenten Mittagsmahl regnete es beim Abmarsch, aber nur für 10 Minuten. Nach dem erfrischenden Guss kamen wir ohne einen weiteren Regenschauer nach 1 Stunde 20 Minuten in Herrenschwand an.
 
Der 5. Tag war sehr erlebnisreich. Die Temperatur bei der Abfahrt betrug 10 °C. Aber wir erwärmten das Gehirn durch angestrengtes Nachdenken, zogen Pullover und Regenjacken an und warteten auf besseres Wetter. An diesem Tag fuhren wir über Todtmoos in Richtung St. Blasien zum Kohlhüttenplatz (1046 m ü. M.). Von hier aus wanderten wir durch die Ibacher Moore (auch Moose genannt) nach Unteribach, dann zur Engländer-Hütte und von dort zum Aussichtspunkt Lampenschweine. Danach ging es wieder zum Kohlhüttenplatz zurück. Die gesamte Wanderung dauerte 3 Stunden 45 Minuten.
 
Die Moore bildeten sich in verlandeten glazialen Schmelzwasserbecken. Dr. Erwin Litzelmann zählte auf dem Hotzenwald 22 solcher Moore. Alle diese Moore liegen in einer Höhenlage von 900 bis 1050 m und werden als Hochmoore bezeichnet.
 
Tastsächlich besserte sich das Wetter zunehmend. Auf einigen Passagen der Wanderung kamen wir sogar gehörig ins Schwitzen, als die Sonnenstrahlen uns gehörig einheizten. Aber an anderen Stellen ging ein herrlich kühler Wind, der unsere Schweissperlen wieder trocknete.
 
Bevor wir am Parkplatz loswanderten, studierte ich die dort aufgestellte Tafel. Der Kohlhüttenplatz wurde von der Gemeinde Ibach eingerichtet und dient nun als Grill- und Picknickplatz. Hier befand sich früher eine Köhlerei. Die Infos auf der Tafel, die von Margarete und Paul Mark verfasst wurde: „Abseits vom Dorf verbrachten die Köhler Tage und Nächte in der Nähe ihrer Kohlenmeiler, bis alles Holz verkohlt war, etwa 16 bis 18 Tage. Ein Schwarzwälder Meiler mass 7 bis 8 m im Durchmesser und war 3 m hoch. Noch heute sind an Stellen, wo Wege den Waldboden anschneiden, Kohlenreste zu finden.“ Laut dem Text war noch ein Kohlenmeiler, die überall im Schwarzwald in Betrieb waren, auf der Tafel abgebildet.
 
Refugium Oberer Hotzenwald
Ibach liegt in einem Hochtal des Hotzenwalds und ist mit seinen 400 Einwohnern die kleinste selbstständige Gemeinde im Kreis Waldshut. Das Tal wurde von einem Feldberggletscher in der Eiszeit geschaffen. Ibach wird auch als kleine Perle im Hotzenwald bezeichnet. Die Gemeinde und auch die Umgebung kannte ich von diversen Wanderungen, aber auch von Exkursionen mit der Kräuterfrau Magdalena Müller.
 
Im Namen Ibach stecken die Begriffe „Eibe“ und „Ach“. Der Nadelbaum wird im Dialekt „Ibe“ genannt. „Ach“ bedeutet Bach (vom Keltischen „aha“). Aus Iben-Ach wurde Ibach.
 
Ibach und Dachsberg gehören zum Refugium Oberer Hotzenwald. Es ist ein Gebiet für seltene und gefährdete Pflanzen und Tiere. In diesem Bereich wachsen 144 Pflanzenarten der „Roten Liste“, und hier sind 14 Brutvogelarten der Europäischen Vogelschutzrichtlinie sowie weitere gefährdete Wirbeltier- und Insektenarten zu Hause. Das 3000 Hektar umfassende Gebiet mit 7 Naturschutzgebieten erhielt wegen seines ungewöhnlichen Reichtums an Lebensräumen und Arten die Auszeichnung der EU „Natura 2000“. Es gibt heute 19 zertifizierte „Naturführer Oberer Hotzenwald“, die im Rahmen des Life-Projektes der EU ausgebildet wurden und u. a. auch Führungen durchführen.
 
Die EU-Kommission hat das 1,7 Millionen Euro umfassende Projekt genehmigt und übernimmt 50 % der Kosten für die 150 Einzelmassnahmen, wie die Vergrösserung der Flügelginsterweiden, die Renaturierung von Mooren und die Waldpflege. So wurden beispielsweise Wälder vom Unterholz befreit, um Lebensraum für Licht liebende Tiere zu schaffen. Die 6-jährige Projektlaufzeit endet 2011.
 
Pilzesuchen im Moor?
Vom Kohlhüttenplatz führte uns der gut ausgeschilderte Weg über den Althüttenweg, Winkelbachweg zum Forsthaus, von dort über den Dukatenweg (im Dukatenwald) ins Moorgebiet bei Ibach. Wie mir der ehemalige Lehrer Paul Mark sagte, ist die Bezeichnung Dukatenwald so entstanden: Ursprünglich gehörte das Gebiet zum Kloster St. Blasien. Es gab aber auch einige Landwirte, die Felder und Wälder besassen. Das Kloster St. Blasien hatte jedoch Rechte auf diese Gebiete. Ein solches Gebiet wurde einst für einen Dukaten verkauft. Dann war die Schuld beglichen.
 
Im Moor gab es einige Stege über nasse Zonen und Brücken über schmale Bäche, die rostbraunes Wasser mit sich führten. Hier hätte man sicherlich ein schönes Moorbad nehmen können. Auf dem Weg sah Wanderfreund Toni immer wieder Pfifferlinge (Eierschwämme), die aber noch sehr klein waren. Kurz darauf kam uns eine Frau mit einem Korb entgegen. Sie suchte verzweifelt nach Pfifferlingen. Als Toni sie auf die von ihm entdeckten Pilze am Wegesrand aufmerksam machte, rief sie ihren Mann, der wohl in einem Wäldchen nicht von uns sichtbar herumkrauchte, zu: „Komm Herbert, dort gibt es Pfifferlinge.“
 
Vielleicht hatte die Frau Angst und rief einen nicht vorhandenen  Mann an, um Bösewichter zu vertreiben. Aber wir waren wohl die friedlichsten Wanderer, die man sich vorstellen kann. Auch dachte ich mir im Stillen, die Frau könnte bei der Sichtung der mickrigen Pilze am Wegesrand enttäuscht gewesen sein. Denn so kleine Pilze ergeben ja keine richtige Mahlzeit. Sie hätte lieber noch 1 oder 2 Wochen warten sollen, bis die Pilze zu einer stattlichen Höhe herangewachsen gewesen wären. Oder sie hätte einen anderen Standort wählen müssen.
 
Später sahen wir auf der anderen Talseite auf den sonnigen Hängen auf dem Weg von Unteribach zur Engländer Hütte einen Mann, der zwischen Heidelbeersträuchern grosse Pfifferlinge abschnitt. An dieser geschützten Stelle, die sich hinter einem elektrischen Weidezaun befand, hätte wohl nie ein Fremder gesucht. Aber der Einheimische, er gab sich als solcher zu erkennen, wusste, wo er die schönsten Exemplare finden würde.
 
Dazu passt die folgende Meldung: laut „Badischer Zeitung“ vom 21.07.2009 fand der Zeller Manfred Kanele ein Riesenexemplar eines Pfifferlings. Der Pilz hatte ein Gewicht von 190 g. In seiner 55-jährigen Karriere als Pilzsammler habe er noch nie einen so grossen Pfifferling entdeckt, sagte er.
 
Schönstes Bushäusle weit und breit
Nachdem wir das Ibacher Moorgebiet durchschritten hatten, kamen wir nach Unteribach. Und dort erlebten wir eine Überraschung. Wir erblickten das wohl schönste Bushäusle weit und breit. Das Häusle wurde vor 12 Jahren auf einem Privatgrundstück erbaut und in Eigeninitiative der Anwohner eingerichtet. Betreut wird das ganze Jahr über das Häusle von Karin Fischer.
 
Im offenen Häusle sind unwahrscheinlich viele Utensilien vorhanden. Es ist so liebevoll eingerichtet, dass nicht nur die wartenden Kinder ihre Freude haben. Die Bänke sind mit Kissen und im Winter mit Schaffellen ausgelegt. An den Wänden hängen Bilder, und in einer Ecke sitzen auf einem Regal niedliche Stofftiere. Während des Advents dürfen die Bushäuslekinder einen Kalender nach Plan öffnen. Auf einem Tischchen sah ich sogar eine Schale mit Gummibärchen und eine Trinkflasche mit Becher. Tritt man in den Raum und spricht beispielsweise irgendeinen Satz (ob unanständig oder anständig), dann wird dieser von einem künstlichen Papagei exakt wiederholt. Auf einem Schild stand dies: „Ich bin Kasimir und kann sprechen genau wie Du!“ Das war für uns verblüffend, aber auch lustig.
 
An einer Wand entdeckte ich den bemerkenswerten Spruch „Traumwelt“, der von Lucille Crètu, Klasse 4 a, von der Lindenbergschule in Munzingen verfasst wurde: 
„Mein Traum wäre eine friedliche Welt.
Eine Welt, in der alle, alle
nett zueinander sind.
Überall wachsen grüne Bäume und Büsche.
Es gäb’ alles umsonst
und viele grosse Spielplätze.
Alle spielen draussen
und niemand bleibt drinnen.
Das wäre eine schöne Welt.“ 
Glückliche Kühe und säugende Kälbchen
Unweit des Pilzsammlers, der grosse Exemplare Pfifferlinge sammelte, befand sich eine Weide, auf der sich Kühe mit ihren Kälbchen tummelten. Die Kälbchen säugten an den Eutern ihrer Mütter. Ein schönes Bild. Ich sah überall Kühe mit Hörnern. Das sieht man leider nicht mehr überall, auch auf den Hochweiden. In der Nähe des Kohlhüttenplatzes sah ich wieder Kühe mit ihren säugenden Kälbchen. Wer das nicht glaubt: Ich habe alles mit meiner Digitalkamera per Foto und Videoclips festgehalten.
 
Bei unserer Wanderung wurden wir auf Infotafeln über das Weidemanagement und die Weidetechnik aufgeklärt. So gibt es hier Wiesen (Matten), die einmal im Jahr gemäht werden. Es wird eine ökologisch vertretbare Menge Düngung (Mist, Gülle, Kalk) ausgebracht.
 
Dann gibt es Weiden und Wacholderweiden. Diese „extensiven“ Flächen (Hangneigung, Steine, Felsen etc.) lassen keine Mahd zu. Hier weiden Rinder, Schafe und Ziegen. Auf diesen Flächen sieht man Weidbuchen und Wacholderbüsche.
 
Auf unserer Wanderung sahen wir immer wieder Flügelginsterweiden, Arnikapflanzen, Weidenröschen, aber auch Heidelbeer- und Erdbeersträucher. Es blieb nicht aus, dass der eine oder andere die köstlich schmeckenden Beeren vertilgte.
 
An der Engländerhütte machten wir die Mittagsrast. Die Hütte ist in einem desolaten Zustand. Schuld sind Spechte, die besonders die Seitenbalken auf Suche nach Fressbarem regelrecht zerhackt hatten. Bei meinem letzten Besuch vor einigen Jahren war die Hütte noch intakt gewesen.
 
Die Engländerhütte wurde übrigens in den 1970er-Jahren von englischen Pionieren, die in Ibach in einem Sommercamp mit ihren Familien ihren Urlaub verbrachten, erbaut. Sie fertigten auch einige Brücken und Stege im Moorgebiet an. Eine schöne und sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
 
Was sind Lampenschweine?
Wir kamen auch in das Gebiet der Lampenschweine. Ob hier früher, so dachten wir, die Schweine auf den Weiden mit Lampen ausgestattet wurden? So konnte man sie bei Nacht wieder finden. Weit gefehlt: Die Bezeichnung hat nichts mit Schweinen zu tun. Es ist eine Rodungsart. Und „Lamp“ bedeutet Lamm. Auf dem Allmendweideland (168 Hektar), auf denen alle Bauern ihre Schafe, Schweine, Ziegen und Rinder treiben konnten, sorgte das liebe Vieh für eine saubere Abweidung.
 
Auf der Anhöhe Lampenschweine befinden sich ein Gipfelkreuz, eine Sitzgruppe und eine Bronzepanoramatafel. Von hier aus konnten wir die in der Ferne im Dunst auftauchenden Berge des Schweizer Juras und die Schweizer Alpen sehen. Aus einem Waldgebiet lugte der 30 m hohe Gugelturm bei Herrischried hervor.
 
Von diesem schönen Aussichtspunkt wanderten wir nach einer Rast über gute Wege zurück zum Kohlhüttenparkplatz.
 
Fortsetzung (letzter Teil) folgt
 
Literatur
Leopold Döbele: „Der Hotzenwald“, Verlag Rombach, Freiburg 1968.
Helmut Eck: „Schwarzwald“ (Walter-Reiseführer), Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau, 1991.
Christiane Sahli: „Schönstes Bushäusle weit und breit“, „Badische Zeitung“, 01.05.2007.
 
Internet
www.blasierland.de (Infos über Naturführer Oberer Hotzenwald, Wanderungen mit Naturführerin Irmtraud Zehetner).
www.frsw.de/hotzenwald1.htm (aktuelle Infos über den Hotzenwald).
www.ibach-schwarzwald.de/wDeutsch/gemeinde/index.php (Schrift „Der Wald von Ibach“, kann als pdf-Datei eingesehen werden).
Heinz Scholz (Blog vom 25.06.2006): „Wenn die Espe zittert und die Ameisen Blattläuse melken“ (Heilpflanzenführung mit Magdalena Müller).
 
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