Dringende Warnung an Krähen: Vergifter gehen um!
Autor: Walter Hess, Biberstein (Textatelier.com)
Die offene, ausgeräumte Landschaft bietet nur noch wenigen Tierarten Platz. Doch die Krähen fühlen sich darin wohl. Wie auf einem gedeckten Tisch werden vor ihnen Samen ausgebreitet, und wenn das Futterangebot gross ist, haben die Tiere einen guten Grund, sich zu vermehren.
Die Krähe folgt dem Maisanbau, der laufend ausgedehnt wird. Aber es ist nicht so, dass die Menschen immer mehr Mais essen; jedenfalls habe ich nichts dergleichen festgestellt. Der Mais, der zur „Vermaisung“ ganzer Landschaften geführt hat, ist Futter für Tiere, die zur Fleischproduktion dienen. Und wir haben viel zuviel Fleisch. Also braucht es noch mehr Krähen, welche die Überfülle an Fleisch etwas bremsen und hoffentlich auf ein vernünftiges Mass zurückführen.
Die Mastbauern ärgern sich über diese Folgen ihres Tuns; die Krähen haben sich in den letzten Jahren ununterbrochen vermehrt. „Unter der Krähenplage leiden auch seltene Vogelarten und die Artenvielfalt“, heisst es in einer Pressemitteilung des Amtes für Information des Kantons Bern, das Tierschutz vorschützt. Und sogar Kitt können die Bösewichte von den Fensterrahmen fressen. Deshalb können Wildhüter im Kanton Bern in den Monaten Januar und Februar 2005 zusammen mit Chloralhydrat gekochte Maiskörner auf Felder legen, die frisch mit Jauche besprüht wurden. Krähen, die darauf hereingefallen sind, werden allmählich betäubt und sterben innert weniger Minuten; die gezielte Tötung von etwa 6000 Vögeln ist im Kanton Bern das Ziel. Die Vergiftungstrophäen werden angeblich eingesammelt – und was geschieht mit den nicht verzehrten Körnern?
Die Methode sei nur bei Schnee und Frost erfolgreich und müsse deshalb über mehrere Winter angewendet werden. Die Vergiftungsaktion wird durch das Berner Jagdinspektorat unter der Leitung von Jagdinspektor Peter Juesy koordiniert. Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern hat diesen Vogelmord formell bewilligt. Im Auftrag der Bauern hatten die SVP-Grossräte Paul Messerli (Kirchdorf) und André Lecomte (Diesse) Druck gemacht.
Die Berner Bauernorganisation Lobag begrüsse den Entscheid, schrieb der Landwirtschaftliche Informationsdienst LID. Selbstverständlich. Sie habe auf Druck vieler Mitglieder verschiedene Eingaben bei der Volkswirtschaftsdirektion gemacht und Massnahmen gegen die Rabenkrähenplage gefordert. „Nun endlich folgen Taten“, frohlockte die Lobag. Demgegenüber bekunden die Pro Natura und die Vogelwarte Sempach laut der Nachrichtenagentur SDA „Mühe mit der Massnahme“. Das ist beschönigend gesagt. „Wir haben uns stark gegen diese Massnahme gewehrt“, sagte der Sempacher Biologe Matthias Kestenholz, doch könne er den Kantonen keine Vorschriften machen. Bedroht sei speziell die Turmdohle, die in den gleichen Gebieten lebe wie die Rabenkrähe. Kestenholz wundert sich auch, dass der Kanton Bern die Tötung von Tausenden Krähen zulasse, „ohne dabei den von den Rabenkrähen angerichteten Schaden in Zahlen zu beziffern“. Doch man hat im Übrigen wirklich an alles gedacht. Der Jagdinspektor sinngemäss: Sollte versehentlich ein Turmfalke ein behandeltes Maiskorn erwischen, werde das Tier sofort an einen warmen Ort gebracht. „Werden Turmfalken an die Wärme gebracht, erbrechen sie sich“, so Juesy. Damit werde verhindert, dass der Falke stirbt. So kennt die Tierliebe fürwahr keine Grenzen.
Andere Vögel und Tiere können von der Vergiftungsaktion zweifellos in Mitleidenschaft gezogen werden. Oder will man neben den giftigen Maiskörnern eine Tafel aufstellen: „Nur für Krähen“? Es gebe viele andere Möglichkeiten, um die Aussaaten zu schützen, sagte ein Vogelwarte-Sprecher am Fernsehen, wie wehende Bänder, Vogelscheuchen, Knallapparate, Bewachungen usf.
Und die noch viel bessere Methode wäre meines Erachtens, die Landschaftswüsten ökologisch wieder aufzuwerten, vielfältiger zu gestalten; dann halten sich die Arten in Schach, eine masslose Vermehrung ist dann unmöglich.
Bis es so weit ist, begrüsse ich es, dass es Tiere gibt, welche der Landschaftsvermaisung entgegentreten. Man müsste die Saatkrähe unter Schutz stellen. Ich erkläre sie deshalb hiermit zum „Vogel des Jahres 2005“. Es gibt schliesslich genügend andere Vögel, die ähnliche Auszeichnungen erhalten, ohne sie zu verdienen.
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