Textatelier
BLOG vom: 01.08.2009

Wandern im Schwarzwald (IV): Wasserpieper und Gewölle

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Beim Aufbruch zum 6. Wandertag lag die Temperatur bei 9 °C. Es wehte ein kräftiger Wind, dunkle Wolken zogen über den Himmel, aber bald lugten wärmende Sonnenstrahlen aus dem aufgelockerten Wolkenmeer hervor. An diesem Tag war eine Wanderung von Herrenschwand über das Tiergrüble (1064 m ü. M.) zum Zweistädteblick (910 m ü. M.) geplant.
 
Das Wetter besserte sich zusehends. Am Zweistädteblick hatten wir nicht nur einen schönen Blick auf die Städte Schönau und Todtnau, sondern auch auf die Schwarzwaldberge, Todtnauberg, Holz ins Haus und Aitern. Majestätisch grüsste der Belchen mit seiner markanten runden Kuppe zu uns herüber.
 
Die vorne offene kleine heimelige Hütte bietet für 5 bis 6 Personen Platz. Sie wurde 1986 von Schülern der Buchenbrandschule Schönau erstellt. Holz für den in der Nähe der Hütte befindlichen Grillplatz befand sich nicht vor, sondern in der Hütte.
 
Nach einer ausgiebigen Rast verliessen wir den Zweistädteblick und wanderten über angenehme Panoramawege oberhalb von Tunau wieder nach Herrenschwand zurück.
 
Auf zur Krunkelbachhütte
Am 7. Tag fuhren wir mit dem Auto über Todtmoos nach Bernau-Dorf und von dort auf den Parkplatz in der Nähe der Krunkelbachhütte (www.krunkelbach.de). Diese ist berühmt wegen der Wetterstation von Jörg Kachelmann. Am 11.07.2002 war er persönlich bei der Einweihungsfeier seiner 417.Wetterstation anwesend. Die Station liefert laufend Temperatur, Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Sonnenscheindauer und Niederschlagsmenge. Die Messdaten und Wetterprognosen können auf den Internetseiten von Mediomedia eingesehen werden. Ab und zu werden die Daten bei den Wetternachrichten der ARD eingeblendet.
 
Die Hütte liegt auf 1294 m ü. M. Sie wird von der Familie Jünger geführt. Vor der Tour las ich in einer Touristenzeitung, dass es auf der Hütte Hausbrot, Eintöpfe, Kuchen und einen Heidelbeerwein gibt. „Den Heidelbeerwein müssen Sie probieren, der hat es in sich“, war der Rat eines Nachbarn in unserem Domizil in Herrenschwand. Ich freute mich schon auf diese Leckereien nach der Wanderung. Geplant war eine Schlusseinkehr in der Krunkelbachhütte, aber es sollte ganz anders kommen. Darüber später mehr.
 
Schönstes Hochtal im Schwarzwald
Man kann ins Schwärmen kommen: Wir fuhren auf unserem Weg zur Krunkelbachhütte durch das „Bernauer Hochtal“, das in meinen Augen das schönste des Schwarzwalds ist. Es ist am Fusse des Herzogenhorns (1415 m ü. M.) gelegen. Es wird auch als „Hans-Thoma-Tal“ bezeichnet, zu Ehren des grossen deutschen Malers, der 1839 in Bernau geboren wurde. Über sein Heimatdorf sagte er einmal diese Worte: „Da vergesse ich alle Sorgen und der Friede der Natur umschliesst meine Seele.“
 
Das kann ich nur bestätigen. Wenn ich in dieses Hochtal komme, denke ich immer wieder, hier möchte ich Urlaub machen und wandern (Infos unter: www.bernau-schwarzwald.de).
 
In Bernau-Innerlehen befindet sich das Hans-Thoma-Museum und im Ortsteil Oberlehen im Resenhof (1789) das Bauern- und Holzschneflermuseum.
 
Wasserpieper, Wächtenkessel und ein Gewölle
Aber an diesem Tag hatten wir keine Augen für diese Sehenswürdigkeiten, da wir ja eine Wanderung rund um das Herzogenhorn planten. Vom Parkplatz der Krunkelbachhütte (1240 m ü. M.) bewältigten wir einen 2-km-Anstieg zur Glockenführe, dann ging es weiter über das Bundes-Hochleistungszentrum (1335 m ü. M.) zur Grafenmatte (1400 m ü. M.).
 
Auf dem Weg zur Glockenführe sahen wir interessante Infotafeln. Wir kamen an einer Hochlagenquellmulde vorbei. Hier findet man eine interessante Flachmoorpflanzengesellschaft aus Rasenbinse, Sonnentau, Fettkraut, Sumpfherzblatt, Sumpfblutauge, Eissegge und das breitblättrige Knabenkraut. Wir sahen natürlich nicht alle Pflanzen, da wir den schmalen Weg nicht verlassen durften.
 
Unser Weg führte uns durch den grossen „Wächtenkessel“. Von einem solchen habe ich noch nie gehört. Es ist ein Nordosthang des Herzogenhorns, an dem an überhängenden Schneewächten Lawinen abgehen. Auf den Lawinenbahnen und Zwischenrippen wachsen Fichten, Schluchtweiden, Vogel- und Mehlbeeren.
 
Eine Tafel informierte über die Hochgrasflora mit Weidenröschen, Arnika, Goldrute, Fingerhut und Türkenbund. An diesem steilen NO-Hang kommt als seltene Vogelart noch der Wasserpieper vor. Er ist ein kleiner Sperlingsvogel.
 
Auf dem weiteren Weg entdeckte Ewald ein Gewölle, das von einer Eule stammte, wie der naturkundige Finder feststellte, da sich darin Knochen befanden. Unter einem Gewölle versteht man die unverdaulichen Nahrungsreste, die einige Stunden vom Vogel nach der Nahrungsaufnahme ausgewürgt werden. Das Gewölle der Eule enthält Haare, Federn, Knochen und Teile des Insektenpanzers aus Chitin. Gewölle von Greifvögeln weisen keine Knochen auf.
 
Nach der Hochgrasflora kam die Hochstaudenflora mit Hainkreuzkraut, Eisenhut, Waldstorchschnabel, Sumpfpippan, Alpenfrauenfarn, Bergfarn, Weissblühender Hahnenfuss und Mehlbeersträucher.
 
Wir wanderten nach der Grafenmatte zum Liftverbund Feldberg. Hier schlägt das Herz des Skifahrers höher, denn es gibt dort etliche Skigebiete und Lifte (Silberwiesenlift, Rothauslift, Hebelwiesenlift) und Sesselbahnen (Sesselbahn Weltcup).
 
Von dort aus ging es bald darauf steil bergab in Richtung Schlegelbachhütte (1256 m ü. M.). Auf dem Weg dorthin sahen wir schöne Exemplare von Dost und Alpen-Milchlattich. Die Pflanze ist übrigens bei Bergbauern sehr beliebt, da sie angeblich die Milchleistung der Kühe steigert. Kein Wunder, dass zahlreiche Volksnamen existieren, wie Milchkraut, Milchdistel, Schmettenwurz (Schmetten = Rahm), Chalberchernechrut. Auch in einigen Teilen der Westschweiz wird die Pflanze gesammelt und zur Fütterung verwendet. Die Lappen haben eine ganz andere Verwendung gefunden: Sie essen die bitter schmeckenden Stängel in Rentiermilch gekocht als Gemüse.
 
Abenteuerlicher Felsenweg
Nach einer Rast an der Schlegelbachhütte (1256 m ü. M.) – sie wurde 1891 vom Ski Club Todtnau errichtet (es war der 1. Ski-Club Deutschlands) – ging es frohen Mutes zum Felsenpfad. Schon am Anfang des Wegs stand ein Warnschild „Pfad nur für trittsichere Wanderer!“ Nun, wir waren an diesem Tag trittsicher und nicht alkoholumnebelt. Am Anfang und auch am Ende des Felsenpfades wanderten wir auf einem schmalen Weg, der von meterhohen Pflanzen beiderseits umwachsen war. Der Weg wurde bald darauf schmaler und felsiger. Ab und zu entdeckte man Spuren von abgebrochenen Steinen. An einigen Stellen waren die flachen und feuchten Steine ziemlich schlüpfrig. Man musste sich genau auf den Weg konzentrieren, um nicht über Wurzeln und Steine zu stolpern und den Abhang hinunter zu sausen. Aber es ging bis auf einen kleinen Ausrutscher eines Teilnehmers ganz gut. Nach der Durchquerung machten wir eine kurze Rast auf einer Bank, die dem Förster Ernst Eckert (1895 bis 1960) gewidmet war. Das Ernst-Eckert-Bänkle wurde 2001 aufgestellt. Hier hatten wir einen schönen Blick auf den Belchen und auf Todtnau.
 
Von da ging es um den Silberberg herum zum Bernauer Kreuz. Kurz danach verspürte Egon Beschwerden im rechten Fuss. Toni meinte, ich solle doch mit Egon zum Berggasthaus Präger Böden wandern und dort auf die anderen Teilnehmer warten. Die drei wanderten, wie vorgesehen, zum Parkplatz der Krunkelbachhütte. Von dort wollten sie mit dem Auto zum Berggasthof fahren, um eine gemeinsame Vesper einzunehmen. Damit fiel die Vesper in der Krunkelbachhütte ins Wasser.
 
Gast konnte nicht bezahlen
Wir wanderten über den Prägbach innerhalb von 20 Minuten zum Berggasthof Präger Böden (www.praegerboeden.de). Dort tranken wir genüsslich ein Bier. Nach gut einer Stunde tauchten die übrigen Teilnehmer unserer Gesellschaft auf, und so konnten wir ein vorzügliches Vesper bestellen. Das Gasthaus, das von Axel Böhm betrieben wird, bietet eine gute Hausmannskost an. Ich bestellte Leberknödelsuppe für 4,50 Euro, 2 Kameraden erwärmten sich für Pfifferlinge mit Knödel (10,50) und weitere 2 von unserer Gruppe verzehrten je ein Holzfällersteak (um 9 Euro). Wie uns der Wirt erzählte, sammelt er immer die Pfifferlinge selbst. Auf der Speisekarte stand etwas Bemerkenswertes, das zur Nachahmung für Wirte empfohlen werden sollte: „Wir verwenden keine Fertigsuppen und keine Geschmacksverstärker!“ Die Produkte stammen aus der Region. Das ist lobenswert.
 
Eine kleine Episode möchte ich noch erwähnen: Am Nebentisch verzehrte ein älterer Mann genüsslich ein Holzfällersteak. Nachdem er die Mahlzeit eingenommen hatte, kam ein Anruf. Die Kellnerin brachte dem Mann ein mobiles Telefon und sagte: „Ihre Frau möchte Sie sprechen.“ Der Mann war zunächst ganz verdattert, dann sprach er kurz mit ihr, kramte in den Taschen herum und zog eine Geldbörse heraus. Wie ich von der Kellnerin erfuhr, hatte der Mann die falsche Börse ohne Geld dabei. Mit der Bemerkung, er werde die Rechnung am nächsten Tag begleichen, ging er von dannen. Er war wohl ein Tourist, der zu Fuss unterwegs war und wieder in Richtung seines Feriendomizils zustrebte. Die Bedienung liess ihn gehen, obwohl sie den Gast nicht kannte. Seine Frau hat den vergesslichen Burschen am Telefon genau beschrieben, so dass die Kellnerin ihn sofort erkannt hat. Wir dachten, der werde wohl nicht wiederkommen. Vielleicht ruft seine Frau immer in den Wirtschaften an, um durch diesen Trick dem Ehemann eine warme Mahlzeit zukommen zu lassen. Aber vielleicht dachten wir falsch. Schliesslich gibt es auch ehrliche, aber vergessliche Menschen.
 
Ich bin überzeugt, in anderen Gaststätten hätte er eine Uhr als Pfand zurücklassen müssen.
 
Ein kleines Fazit
Toni, der immer sehr begeisterungsfähig ist, meinte, wir sollten doch wieder einmal nach Herrenschwand kommen, um hier zu wandern. Es gibt ja hier unzählige Wanderwege, die von uns noch nicht erkundet wurden. Erfreulich war auch, dass die 5 Männer gut miteinander auskamen und sich freiwillig für Arbeiten im Haushalt zur Verfügung stellten.
 
Ein besonderes Dankeschön geht an unseren Wanderführer Toni, der die schönsten Touren mit Akribie ausgesucht hatte.
 
Es war eine erlebnisreiche und schöne Wanderwoche in einer abgeschiedenen, friedlichen und abwechslungsreichen Landschaft. Unvergessen waren für mich die schönen Ausblicke, die Pflanzengesellschaften, die Arnikawiesen und die friedlich grasenden Kühe, Schafe und Ziegen.
 
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