Textatelier
BLOG vom: 26.09.2009

Die Obstfülle und der Handel machen die Landschaft ärmer

Autor: Heiner Keller, Ökologe, Oberzeihen AG (ANL AG, Aarau)
 
Die letzten Hochstammbäume im Fricktal hängen voll mit farbigen Früchten. Noch voller präsentieren sich die Plantagen und die Kühllager der Tafelobstproduzenten und der Händler. Produziert und an die Konsumentenfront gebracht werden Riesenzwetschgen, normierte, beliebig lange lager- und transportierbare Früchte einiger weniger Sorten. Sie sind das Ergebnis von Technik, Chemie, Züchtung, Marketing, innovativen Menschen und globalem Handel. Die Werbung in eigener Sache geht soweit, dass die zu schmalen Lebhägen geschnittenen, genetisch normierten Sortenträger als „Bäume“ bezeichnet werden. Das Blühen unter Hagelnetzen wird zunehmend als einmaliges Landschaftserlebnis angepriesen.
 
Eine Kuh macht Muh, (zu) viele Kühe machen Mühe. Weil die Milchbauern zu viel produzieren, rufen sie nach staatlicher Regulierung der Menge. Was macht der Obstverband? „Die Kernobsternte fällt in Anlagen und im Feldobstbau gut bis sehr gut aus. Die Produktzentren Tafelkernobst und Mostobst haben tragfähige Lösungen für die ganze Ernte beschlossen.“ Der Verband hat „sortenbezogene Ziellagermengen“ und Rückbehalte beim Mostobst festgelegt. Was heisst das? Alle Früchte mit Abweichungen von der Norm sind der „technischen Verarbeitung“ zuzuführen. Zusätzlich sind von den besten Tafelfrüchten ohne Mängel 20 bis 50 Prozent der Sorten Idared, Jonagold, Boskoop, Maigold, Conférence und Gute Luise zu „eliminieren“, weil der Handel sie nicht aufnehmen kann. Für Mostobst werden bei Kilopreisen von 18 bis 28 Rappen pro Kilo 4,5 Rappen nicht ausbezahlt. Mit ihnen und den 13,5 Millionen Franken, die der Bund zahlt, wird Saftkonzentrat so verbilligt, damit es auf dem Weltmarkt verramscht werden kann.
 
Der Konsument ist genauso hilflos wie der Landschaftsfreund. Der erste muss sich mit Werbung, Sorten und Grössen abspeisen lassen. Landschaftsschützer geben sich, der Not gehorchend, mit dem zufrieden, was noch ist. In guten Jahren belasten Hochstammbäume den ruinösen Markt zusätzlich mit praktisch wertlosem Obst. Nächstes Jahr 2010 finanziert der Bund die Überschussexporte nicht mehr. Die Grossverteiler nehmen nur noch Früchte von Produzenten, die die umfangreichen Auflagen von SwissGap (www.swissgap.ch) erfüllen. Kleine Produzenten werden zu Hobby-Bauern. Die Obstproduzenten brauchen die Landschaft und die Hochstammbäume nicht mehr. Hochstammbäume mit Früchten haben künftig nur noch jene, die es sich leisten können und wollen. Obstbäume ohne Pflege und Nutzung gehen innert Jahrzehnten zu Grunde.
 
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