Textatelier
BLOG vom: 14.10.2009

50-Jahre-Klassentreff II: Der Spickzettel unter der Sitzfläche

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Wir kamen nicht als Heilige und wir gingen auch nicht als Heilige. Manche Lehrer hatten mit uns ihr Kreuz, aber wir auch mit ihnen.“
(Mitgeteilt von unserem Klassensprecher Adalbert Wagner, genannt „Bert“)
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„Der echte Schüler lernt aus dem Bekannten das Unbekannte entwickeln und nähert sich dem Meister.“
(Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen 6)
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Im 2. Teil meines Berichts über unser Klassentreffen werde ich über Schulstreiche und bemerkenswerte Begebenheiten in der Knabenmittelschule Heilig Kreuz in Donauwörth D berichten. Wir genossen dort eine exzellente Ausbildung in der Zeit von 1952 bis 1959 (Klasse 6 a). Das oft strenge Schulleben lockerten wir immer wieder durch Streiche auf. Die Lehrer waren natürlich nicht erfreut, zumal die Wenigsten Humor hatten. Die Folgen waren für uns nicht immer angenehm: Es hagelte Ohrfeigen, Strafarbeiten und es wurden Schulausflüge abgekürzt.
 
Flughafenbesuch gestrichen
Unsere Abschlussfahrt führte uns nach Würzburg, Bonn, Köln und Rüdesheim. In Rüdesheim besuchten wir die berühmte Drosselgasse. Es ist die wohl fröhlichste Gasse der Welt mit internationalem Flair. Sehr gut fand ich schon damals die ausgelassene Fröhlichkeit der Menschen, überall erklang Stimmungsmusik. Einige Schüler besorgten sich etliche Flaschen Wein, tranken diese auf nüchternen Magen. Zum „Appell“ in der Jugendherberge fehlten dann einige Schüler. Die Fehlenden und Berauschten wurden dann von Kameraden aufgegriffen und ins Quartier gebracht.
 
Da wir unter der strengen Führung unseres Klassenlehrers Josef Walter König standen, mussten wir schon sehr früh die Betten aufsuchen. Wie unser Klassensprecher betonte, verlief von da ab die Abschlussfahrt etwas distanziert zum Klassenlehrer. Seine mitgereiste Frau versuchte die Wogen zu glätten. Aber das nützte wenig, denn er hatte für uns alle eine „Strafe“ parat. Er strich den Frankfurter Flughafenbesuch. Das fand ich nicht gerade toll, zumal ich mich auf den Besuch des Towers und andere interessante Einrichtungen freute.
 
Danach fuhren wir mit dem Bus Richtung Heidelberg und von dort nach einer kurzen Besichtigung sofort nach Hause. Wir kamen wegen des Vorfalls gehörig ins Schwitzen, da wir die rechtzeitige Aushändigung unseres Abschlusszeugnisses in Zweifel zogen. Heute könnte man über solche „Streiche“ nur schmunzeln.
 
Spickzettel unterm Sitz
Als wir einmal im Fach Deutsch eine Nacherzählung vom Werk eines Dichters schreiben sollten, sorgte ich vor. In einer Buchhandlung besorgte ich mir ein Werk, das sämtliche Kurzbeschreibungen der Erzählungen von Klassikern enthielt. Ich machte mir einige Notizen und legte diese vor der schriftlichen Prüfung mit anderen Schulbüchern unter die Schulbank. Das Buch mit den Kurzbeschreibungen legte ich geöffnet auf den Stuhl und sass mich drauf. Als das Schreiben begann, machte ich meine Beine breit, um den Text lesen zu können. Das Herumrutschen bemerkte unser Klassenlehrer Josef Walter König. Er ging zu mir und untersuchte die Bücher in meiner Schulbank. Da fand er den Zettel mit den kurzen Notizen. Und schon war für mich die Arbeit gelaufen. Er nahm mir den Arbeitszettel weg, und ich wurde mit der Note 6 bestraft. Das Buch, auf dem ich sass, bemerkte er nicht.
 
Herrn König war Germanist durch und durch und bestach durch seine kristallklare Aussprache. Wir hatten ihn bereits in der 3. Klasse in Naturkunde. In der 5. und 6. Klasse war er unser Klassenleiter und unterrichtete in den Fächern Deutsch und Erdkunde.
 
König verehrte besonders Johann Wolfgang von Goethe. Er versuchte, uns zu überzeugen, dass Goethe nur durch seine Liebschaften so viele Gedichte schreiben konnte. Diese These stand im krassen Widerspruch zur Aussage unseres Religionslehrers Pater Martin Sterr. Dieser zählte nicht zu den Goetheverehrern, wohl wegen der Frauengeschichten des Dichterfürsten.
 
Nebentätigkeiten während des Religionsunterrichts
Während des Religionsunterrichtes von Pater Martin Sterr, den wir auch „Pluto“ nannten, verbrachten wir die Zeit mit Nebentätigkeiten aller Art. Das war besonders leicht, wenn wir der Reihe nach aus dem Katechismus vorlesen sollten. So las ich beispielsweise – ich sass damals in der letzten Reihe – irgendein Buch von Karl May. Ich war der Meinung, ich werde ja noch lange nicht drankommen, da könnte ich das eine oder andere Kapitel lesen. Aber der gewiefte Pater beobachtete die Knaben sehr genau, und er rief einmal: „Scholz, lese weiter!“ Ich war ganz noch in die Schilderungen von Karl May vertieft. Zum Glück hatte ich einen aufmerksamen Nachbarn, der mir die Fortsetzung des Textes aus dem Katechismus zuflüsterte. Ein anderes Mal hatte ich wohl ein Buch von Karl May vergessen, aber mein Kamerad zur Rechten las diesmal ein spannendes Werk, und ich verfolgte den Text mit Argusaugen. Als der Pater den lesenden Klassenkameraden aufrief, half ich aus.
 
Wenn der genannte Pater eine Extemporale („Ex“) schreiben liess, holte er 3 bis 4 Schüler in die 1. Reihe. Unser Klassensprecher Adalbert Wagner kam so in der 3. Klasse auf 17 Ex im Jahr. Zu seinem Geburtstag bekam der Pater von unserem Taschengeld immer eine Schachtel „Virginia“. Dann wussten wir, heute schreiben wir keine Ex.
 
Im Internat hatte Pater Sterr auch Aufsicht in den Schlafzimmern der 6. Klasse. Eines Tages kam er am Morgen während der Waschenszeit zu uns. Wasti (Sebastian Schönauer) begrüsste ihn mit einer Portion Seifenschaum, die auf seine Kutte spritzte. Bevor Sterr eine Schimpfkanonade von sich geben konnte, wischte Wasti den Schaum von seiner Kutte.
 
Papierflieger traf Lehrerin
Ab und zu wollte ich den Unterricht von unserer Lehrerin Groh, die in der 5. Klasse uns in BWL, Buchführung und kaufmännisches Rechnen unterrichtete, etwas aufmotzen. Es packte mich der Schalk. Ich faltete einen Papierflieger und liess ihn in Richtung Lehrerin, die gerade etwas an die Tafel schrieb, fliegen. Unglücklicherweise traf der Flieger den Rücken der Pädagogin. Wutentbrannt drehte sie sich um und schrie: „Wer war das?“ Keiner meldete sich. Eine Petzerei war uns fremd. Dann wurden wir zu einer Strafarbeit verdonnert.
 
Die erwähnte Lehrerin versteckte ihre ansehnlichen Brüste oft unter einem weissen, hochgeschlossenen Pullover. Sie hatte auch eine besondere Angewohnheit: Wegen ihrer Grösse stützte sie sich meistens auf der 1. Bank ab, und manchmal strich sie sich mit beiden Händen über eine Brust. Eines Tages tauchte sie unbemerkt ihre Hände in rote Kreide, die ein Schüler auf der Bank platziert hatte. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis die Vorderseite ihres Pullovers mit roten Streifen versehen war. Als sie die Verfärbung bemerkte, rannte sie mit hochrotem Kopf aus dem Klassenzimmer, um sich sauber zu machen. Da hatten wir eine Freistunde. Unser Klassensprecher glättete die Wogen, indem er sich entschuldigte und Besserung gelobte.
 
Der Lehrer Tutti-Frutti (Herr Teichmann) unterrichtete uns in der 5. und 6. Klasse in Englisch. Der unter 1,70 m grosse Pädagoge war mit der gross gewachsenen Frau Groh (1,85 m ?) verbandelt. Wenn sie am Wochenende heimfuhren, trug er immer 2 Koffer und sie 2 Mäntel – ein Bild für die Götter.
 
Lehrer Teichmann war natürlich darauf bedacht, den Grössenunterschied zwischen ihm und Frau Groh zu reduzieren. Er trug aus diesem Grunde immer Schuhe mit hohen Kreppsohlen. Adalbert Wagner dazu: „Einen Vorteil hatte es jedoch: dass er bei starker Betonung (z. B. ein lang gedehntes ,theee’) auf den Kreppsohlen mit eingeschlossener typischer Kopfneigung besser hin- und herwippen konnte.“
 
Schlitz im Kleid
Erna Kleinwächter, die wir in der 3. Klasse in Schrift hatten, wurde als Grand Dame der Schule bezeichnet. Eines Tages trat sie mit leicht geöffnetem Rock vor die Klasse. Wir Knaben lugten und lugten, um die entblössten Teile in Augenschein zu nehmen. Die aufmerksame Pädagogin bemerkte die Unruhe und erkannte daraufhin, warum die Schüler so neugierig auf einen bestimmten Körperteil schauten. Sie meinte, wir sollten uns zukünftig wie Kavaliere benehmen und sie dezent aufmerksam machen, wenn sie einen „Toilettenfehler“ habe.
 
Frau Emma Rusch haben wir unsere Schreibmaschinen- und Stenokenntnisse zu verdanken. Sie war sehr beliebt. Wir bewunderten immer ihre Ruhe und Ausgeglichenheit. Sie nahm uns so manche Hektik im 10-Minuten-Schreiben. Bei den Schreibmaschinenübungen klopfte sie in monotonem Takt mit einem Schlüssel auf einen Deckel einer Schreibmaschine.
 
Beim 10-Minuten-Schreiben musste man sich sehr konzentrieren. Für viele war diese Art des Schreibens unbeliebt. Auch heute noch bin ich Frau Rusch zu Dank verpflichtet, da ich heute sämtliche Schreibarbeiten mit dem 10-Finger-System bewältige. Hätten wir uns damals nicht bemüht, müssten wir mit dem 1-Finger-Suchsystem arbeiten, und das wäre sehr zeitaufwändig.
 
Doppelt bestraft
Früher wurden „böse“ Schüler von Lehrkräften mit körperlichen Züchtigungen bestraft. Auch in der Knabenmittelschule Heilig Kreuz bekam so mancher eine Kopfnuss, eine Backe umgedreht oder es wurden die Ohren lang gezogen. Auch eine Weidenrute kam zum Einsatz. Diese Rute versteckte ein Lehrer in einem Schrank. Einige Knaben schlichen sich heran und ritzten die Rute an. Beim nächsten Einsatz durch den cholerischen Lehrer brach die Rute entzwei. Da wurde er noch wütender und war ausser sich und schlug mit dem Rest auf ein Pult, dass es nur so krachte. Adalbert Wagner beschrieb den Lehrer anlässlich der 50-Jahrfeier im Café Engel nicht als cholerisch, sondern sehr diplomatisch als „nervenschwacher Mensch“.
 
Dazu eine Episode aus meiner Grundschulzeit. Die 4 Jahre verbrachte ich damals in der Volksschule in Buchdorf. Als ich mich einmal während des Unterrichts mit einem Schulfreund angeregt unterhielt, rief die als streng geltende Lehrerin: „Scholz, komm nach vorne!“ Ich musste die linke Hand ausstrecken, die Innenseite nach oben kehren und schon sauste der Rohrstock nieder. Es gab 2 Schläge (Tatzen), die sehr schmerzten. Aber ein Indianer kennt keinen Schmerz. Ich schien ungerührt. Als ich wieder zurückgehen durfte, pfiff ich lustig vor mich hin. Die Klassenkameraden grinsten wegen meiner Unverfrorenheit. Aber nicht die Lehrerin. Plötzlich hörte ich einen Schrei der Lehrerin; sie rief mich zurück und schon sauste der Rohrstock nieder, nicht einmal oder zweimal, nein fünfmal! Die Lehrerin schien alle ihre Aggressionen auf meine Handflächen loszulassen. Dabei verzerrte sie ihr Gesicht zu einer Grimasse und schrie laufend, sie werde mich schon klein kriegen. Dem Gezüchtigten verging diesmal das Lachen. Mit Tränen in den Augen ging ich auf meinen Platz zurück.
 
Andere Schüler rieben sich die Hände mit Zwiebelsaft ein, bevor sie Tatzen bekamen. Die Hände schwollen darauf schneller an, und die Lehrer bekamen es mit der Angst zu tun und hörten mit den Schlägen früher auf.
 
Ein Pater half bei Hausarbeiten.
Wenn die Internen keine Lust für Hausarbeiten hatten, riefen sie Pater Dr. Schabel (Hobby-Astronom) zu Hilfe. Sie erzählten, die Arbeiten seien zu schwer. Dann kritzelte er auf der Tafel eine Lösung, die von den Internen gerne übernommen wurden. Die Externen wollten auch davon profitieren. Was tun? Da kamen sie auf eine grandiose Idee. Sie liessen einige Bücher zu Hause und packten den Schulranzen mit Fressalien aller Art voll. Diese Nahrungsmittel wurden dann im Tausch mit den Lösungen an die Internen verteilt. Das Essen war eine wohltuende Abwechslung zur spartanischen und nicht immer gut schmeckenden Internatskost.
 
„Sie haben etwas verloren!“
Pater Buzzi, den wir wegen seines Holzfusses alle „Huck“ nannten, erzählte Peter Pompe eine Geschichte aus seiner Jugend. Diese wurde in der Zeitschrift „Echo aus Heilig Kreuz“ (1965-02) publiziert.
 
Er war damals ungefähr 16 Jahre alt. Mit noch 2 Kameraden sassen sie im Park auf einer Bank. „Auf einmal ging ein junges Fräulein an uns vorbei. Da rief ich sie an: ,Hallo, Fräulein!’ Aber sie liess sich nicht stören und ging weiter. Da rief ich sie an: ,Hallo, Fräulein. Sie haben etwas verloren!’ Diesmal hatte es genützt. Sie schaute mich an und fragte höflich nach dem etwa verlorenen Gegenstand, aber ich erwiderte: ,Ihre Schönheit haben Sie verloren, Fräulein!’ Wutentbrannt ging die junge Dame weiter.“
 
Die Burschen machten sich auf den Heimweg. Der freche Knabe erlebte jedoch zu Hause eine faustdicke Überraschung. Das im Park angesprochene Fräulein unterhielt sich gerade mit dem Vater. Dann gab es eine Tracht Prügel. Wie sich herausstellte, war die Gescholtene die Tochter von Bekannten seiner Eltern. Unser Buzzi hatte die junge Frau nicht mehr erkannt.
 
Die Schüler erzählten zu Hause immer von einem Lehrer „Huck“. Als eines Tages eine Mutter mit dem Direktor sich unterhielt, lobte sie den Pater „Huck“ in den höchsten Tönen. Sie wusste nicht, dass er eigentlich Buzzi hiess.
 
Die folgenden 2 Episoden teilte mir Adalbert Wagner mit.
 
Klavierspieler bekam Ohrfeigen
„Alois Gah war unser Klavierspieler, der ohne Noten alle Schlager unserer Zeit spielen konnte – also nach Gehör. Für unseren Musiklehrer Veh war dies unvorstellbar, zumal er nur kirchliche Musik und Klassik akzeptierte. So spielte Alois bei geöffnetem Fenster neben modernen Schlagern auch Rock 'n Roll, und wir sangen mit. Veh hörte das vom Pfortenhof aus und stürmte zu uns 2 Stockwerke empor. Der Alois bezog sofort kräftige Watschen, dass der Klavierhocker, auf dem er sass, nur so rotierte.“
 
Gesang zum Hochamt
„Wenn in der Kirche Heilig Kreuz der Stammorganist (Herr Hartmann mit seiner unverkennbaren Blechdeckelstimme) und auch Dr. Schabel bei einem levitierten Hochamt Altardienst hatten, musste unser Alois einspringen. Der Einzug mit gut 20 Ministranten und bei vollem Orgelregister war äusserst feierlich. Wir hatten mehr Messbesucher als die Stadtpfarrkirche. Alois zog an der Orgel alle Register. Er spielte besonders gern ,Die Himmel rühmen die Ehre Gottes’. Im Zwischenspiel ergänzte Alois die himmlische Melodie mit dem Jazz-Titel ,In the Mood’ (wurde durch Glenn Miller bekannt). Wir Ministranten merkten dies und wechselten gleich den ,feierlichen Einzugsschritt’. Der betenden Kulisse fiel das gar nicht so auf.“
 
Ich kann mich noch gut an unsere Sangeskünste auf der Orgelempore erinnern. Da mussten wir aus voller Brust im Kirchenchor singen. Wehe, wenn einer nicht mitsang oder mit dem Schlaf kämpfte. Der Organist bzw. Musiklehrer hatte gute Ohren und Augen.
 
Weitere Erinnerungen unseres Klassensprechers
Adalbert Wagner erinnerte sich noch lebhaft an einige amüsante Begebenheiten mit Lehrern und Schülern:
 
Der Schüler Aukhofer brachte ab und zu Bier aus Vaters Brauerei mit, aber auch diverse Würste. Die zum Tragen zu schwere Ware wurde dann bei der Ankunft am Donauwörther Bahnhof in ein Taxi geladen und zur Schule gefahren. Sein Mitschüler Lanz war regelmässig dabei. Die Fressalien wurden dann von den Beiden und anderen hungrigen Internatschülern verspeist.
 
Der erwähnte Lanz brachte eines Tages neue Fussballschuhe mit ins Internat. Die waren so elegant, dass sich die guten Kicker diese immer ausliehen. Der nicht so talentierte Lanz durfte als Gegenleistung ab und zu mitspielen. Lanz putzte aber regelmässig seine Schuhe, auch dann, wenn andere diese benutzt hatten.
 
Dr. O. Schwarz, den wir in der 4. Klasse in Erdkunde und Geschichte hatten, kam meist nur mit einem Notenheft und Schlüsselbund in die Schule. Er gestaltete einen höchst interessanten Unterricht. So durfte mancher begabte Schüler in die Rolle von Kaiser Nero oder König Ludwig schlüpfen. Der Lehrer hatte jedoch eine Marotte: Er begab sich nach den Schreibarbeiten mit der Kreide an einen Vorhang und machte dort seine Hände sauber.
 
Herr Munko, den wir nur kurze Zeit in den Fächern Deutsch und Turnen hatten, verkaufte während des Unterrichts geweihte Medaillen. Er liess uns Gedichte, wie z. B. „Belsazar" von Heinrich Heine, lernen. Der Anfang ist uns heute noch im Gehirn verankert. Er lautete: „Die Mitternacht zog näher schon, in stummer Ruh lag Babylon." Wir waren damals natürlich nicht so begeistert, wenn wir Gedichte lernen sollten.
 
Munko wurde von der Klasse nicht akzeptiert und trug somit zum Prädikat „Problemklasse" bei. Wir waren in der 4. Klasse zu Beginn 46 Schüler, beim Abschluss nur 39.
 
„Ihr seid Schusterflicker." Diesen Ausdruck hörten wir öfters von unserem Mathematiklehrer Pospiech in der 4. Klasse.
 
Herrn Kopriva hatten wir in der 4. und 5. Klasse in Physik. Ich kann mich noch gut an die Demonstration einer Feuerwehrspritze erinnern. Er spritze die Schüler in den vordersten Reihen mit einem freundlichen Grinsen an delikaten Stellen voll. Er beaufsichtige Schularbeiten meist stehend auf dem Pult. Er hatte immer hektographierte Arbeitsblätter dabei, die wir nur abheften brauchten. Das Mitschreiben von Notizen erübrigte sich also.
 
Herr Fendt unterrichtete uns in den kaufmännischen Fächern sehr kompetent. Er verstand es, die Materie sehr anschaulich zu vermitteln. Er fuhr damals einen roten Fendt-Kabinenroller, der sein Heiligtum war. Eines Tages packte uns der Schalk. Während einer Pause hoben wir den Kabinenroller in ein Vorgartenbeet. „Damit trafen wir nicht so seinen Geschmack", bemerkte Adalbert Wagner.
 
Herr Pohl (3. und 4. Klasse in Englisch), den wir liebevoll „Onkel Willi" nannten, öffnete eines Tages seine Tasche und was krabbelte heraus: die von Schülern dort versteckten Maikäfer. Er war schlagfertig und sagte: „… nicht mal mit Pulver und Blei könnt ihr mich erschrecken." Er war ein sehr guter Englischlehrer. Der eine oder andere Schüler nahm jedoch während des Unterrichts eine Auszeit. Lehrer Pohl hatte oft lockere Sprüche auf Lager. Er sagte immer wieder „No wie wors" und für einen, der die Vokabeln zum wiederholten Male nicht gelernt hatte, gab es das Prädikat „Lazy bone", was so viel wie „fauler Knochen" bedeutet.
 
Herrn Kress hatten wir in der 5. und 6. Klasse in Mathematik. Er spielte öfters in der Freizeit mit uns Fussball. Eines Tages ging seine Brille entzwei. Aus Rache sollten wir tags darauf eine Extemporale schreiben. Der Klassensprecher wurde in das Sekretariat geschickt, um kariertes Papier zu holen. Es war aber nur liniertes Papier vorhanden. Der Klassensprecher ging daraufhin mit keinem Papier ins Klassenzimmer zurück. Darauf folgte ein verschärftes Ausfragen, wobei der Klassensprecher im Voraus die Note 6 bekam. Die Extemporale wurde nachgeholt und Adalbert Wagner durfte die Klassenarbeiten zu seiner Frau in die Wohnung liefern.
 
Bei Kakao und Zwieback wurde der Bursche „fürstlich" abgespeist. Während des Mahls wollte die Frau wissen, wie ihr Mann so in der Schule sei. Der Schüler erzählte von den „Rachegelüsten" ihres Mannes. Die Frau hatte ihn wohl ins Gewissen geredet, denn von nun an durfte kein Schüler mehr eine Klassenarbeit zu seiner Frau bringen.
 
Pater Buzzi und Pater Zangerl (genannt auch „Spione von Landeck") waren immer im Doppelpack zu haben. So wurden von Beiden Ausflüge zu Fuss an manchen Sonntagen angesetzt. Die Internatschüler spendierten bei einer Einkehr von ihrem Taschengeld den beiden Patres Rotwein und eine Zigarre. Dann wurden sie milde gestimmt. Auch wir durften dann so manches Bier schlürfen und auch einige Zigaretten rauchen.
 
In der Morgenmesse waren Buzzi und Zangerl nicht so begehrt, weil sie immer ein schön langes Nachgebet anhängten. Dann blieb den Internen wenig Zeit, um „Brot" für das Frühstück zu organisieren. Die Erdbeermarmelade wurde beispielsweise von Tag zu Tag immer dünner. Zu Mittag gab es oft Kartoffelbrei. Die 1. Schüssel war noch mit gutem Brei gefüllt, die nächsten waren schon irgendwie „verlängert". Der Presssack, der bei uns im Badischen Schwartenmagen heisst, wurde von den Internen als „Bremsgummi" bezeichnet. Er wurde einmal in der Woche serviert. „Er landete allesamt in der Wörnitz“, so Adalbert Wagner.
 
Aber lassen wir Bert selbst berichten: „Ob Fussball oder Handball, wir wurden bei jedem Sportfest Sieger. Fussballstützen waren Wilfried Zengerle und Alois Gah als Torwart. In der Staffel (10×100 m) waren wir 1. Sieger bei den Bundesjugendspielen. Als Läufer fungierten Kratzel, Pfeffer, Scholz, Hulla, Ludl, Rapp, Schwarzensteiner, Herrmann, Schilling und Wagner.
 
In der 6. Klasse wurde in der Schulmeisterschaft Handball gespielt. Die Klasse 6 a (also wir) mit Alois als ,Schwarzer Panther' im Tor trat gegen die Klasse 6 c von Alois Fendt (dieser hatte früher selbst höherklassig Handball gespielt und war im Olympia-Aufgebot 1936 in der Disziplin Diskus) an. Bei diesem Spiel wurde ich erstmals und letztmals vom Platz gestellt. Das kam so: Der dicke Szesny hat mich im Kreis auflaufen lassen. Obwohl ich ihn warnte, machte er dies immer wieder. Dann hatte meine Geduld ein Ende. Ich warf ihm den Ball ins Gesicht, so dass er, wie vom Blitz getroffen, umfiel. Ich flog vom Platz. Wir verloren das Spiel, und ich war um eine Erfahrung reicher."
 
Schlussbetrachtung
Es war trotz aller Entbehrungen und der Strenge einiger Lehrer eine ganz erträgliche und manchmal amüsante Schulzeit. Meistens sieht alles im Nachhinein rosaroter aus als es in Wirklichkeit war. Auf jeden Fall lernten wir trotz manchen Auszeiten das Nötigste für unseren Berufsweg. In voller Zufriedenheit sagte ein Ehemaliger beim letzten Treffen: „Aus uns allen ist etwas geworden.“ Damit hat er Recht. Letztendlich zahlt sich eine exzellente Lernzeit in Schule und Lehre aus.
 
„Non scholae, sed vitae discimus. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.” Dieses Zitat sollte man jedem Schüler vor Augen führen. Es stammte von Seneca (106. Brief).
Anmerkung: Herzlichen Dank an Bert Wagner, der das Manuskript durchgesehen hat. Seine Mitarbeit erwies sich als sehr wertvoll. Dank seiner Notizen wurden uns manche Streiche wieder in Erinnerung gerufen. Tausend Dank auch an die Organisatoren des Klassentreffens.
 
Internet
www.konrad-verlag.de (Buch über das Kloster Heilig Kreuz)
www.internat-heiligkreuz.de (Infos über das Internat)
www.donauwoerth.de (sehr gute Infos über die ehemalige Reichsstadt)
www.ruedesheim.de (Infos über Rüdesheim)
 
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