Textatelier
BLOG vom: 13.10.2009

Englands angeschlagener Ruf, FT und Schweiz-Image

Autor:Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Als Vorreiter dieses Blogs verdanke ich die heutige E-Mail von Rolf P. Hess mit einem beigeschlossenen Artikel vom 11. Oktober 2009, veröffentlicht von der Financial Times unter dem Titel „Five ways to repair Switzerland’s Reputation (5 Wege um den Ruf der Schweiz zu reparieren)“, gefolgt von der Replik des Tages-Anzeigers.
 
Die Financial Times verweist im belehrenden Ton auf die schwerwiegenden Verluste der Schweizer Banken, die auf die Investoren abgewälzt wurden. Das Schweizer Bankgeheimnis wird angeprangert, und dem Land wird vorgeworfen, dass es sich ungenügend „modernisiert“ habe unter Missachtung der global geltenden finanziellen Ethik …“ Die Steueroase Schweiz wird angeprangert, nicht nur von der Financial Times, sondern – wen wundert es? – von der Los Angeles Times und dem Wall Street Journal. Die verschmutzten und blutigen Hände der USA und England hingegen bleiben unerwähnt.
 
Beginnen wir mit dem blutigen Hemd:
 
Gedenkfeier für die gefallenen und verletzten Soldaten im Irak
Am 9. September 2009 fand diese Gedenkfeier statt. Dieser von den USA, im Verbund mit Grossbritannien, ausgelöste Krieg forderte 179 Engländer-Soldatenleben. Abertausende von Zivilisten verloren ihr Leben. Letztere blieben von der Gedenkfeier ausgeschlossen.
 
Und wer von der Prominenz, inbegriffen die Königin, nahm an dieser Gedenkfeier teil? Ja, der Kriegsanstachler Tony Blair, kürzlich vom unfehlbaren Papst mit Pomp in die katholische Kirche aufgenommen. Als Kriegsverbrecher sollte er angeklagt werden! Vom Leid abgesehen, verschlingen diese Kriege im Irak und in Afghanistan Milliarden, dem Volk abgestohlen. Das Volk hat diese Kriege nicht gutgeheissen. Folglich hat die englische Regierung die Demokratie über Bord geworfen.
 
Zum Thema der finanziellen Ethik auf der Regierungsebene sei Folgendes festgehalten:
 
Der Spesenskandal hält an
Die Parlamentarier und die „Lords“ haben umsonst gehofft, dass sich inzwischen dieser Skandal im Sand verlaufen habe. Dem ist nicht so. Jetzt muss selbst Gorden Brown seine für Gartenarbeiten von der Staatskasse abgeklaute Summe von £ 12 412 rückerstatten. Sein Freund und Wohltäter der Labour-Partei , Lord Paul, hat in der Grössenordnung von £ 38 000 geschummelt. Nur wenige Mitglieder des Parlaments, mitsamt den Lords im Unterhaus, haben keinen Dreck am Stecken. Dieser Missbrauch hat sich über 5 Jahre kumuliert. Die Richtlinien für legitime Spesenabrechnung sind aus dem Klartext leicht ersichtlich. Gerichtsfälle stehen an, um die Betrüger zu fassen. Reicht blosse Rückerstattung der gewissenslos aufgeblähten Spesen aus? Es scheint, dass Bussen für absichtlich begangenen Betrug – vorderhand – kein Thema sind. Die Demokratie in England ist tatsächlich reparaturbedürftig.
 
Die Boni-Kultur
Genau jene Grossbanken, die Schuld an der Wirtschaftskrise tragen, versuchen mit allen Ränken, die überrissenen Boni für ihre Bonzen zu sichern. Für sie gibt es keine Krise.
 
Im schroffen Gegensatz dazu:
 
Die Arbeitslosigkeit erhöht sich drastisch
Läden serbeln dahin und werden geschlossen, desgleichen machen viele Kleinfirmen Pleite. Grossunternehmen entlassen Angestellte scharenweise. Junge Leute finden keine Stellen; ältere dürfen ein zusätzliches Jahr arbeiten, ehe sie pensionsreif sind. Schlimmer noch: Viele Pensionskassen sind ausgeplündert. Das ist alles statistisch belegt und untermauert und ist symptomatisch mit der britischen Lotterwirtschaft.
 
Etwas später als in meinem Blog vom 01.03.2009 angekündigt (siehe Hinweis unten), breitet sich viel Unruhe unter den von der Wirtschaftskrise besonders heimgesuchten Engländer aus. Sie haben diese Krise nicht ausgelöst, aber werden von ihr am stärksten betroffen.
 
Streik der Postangestellten
Die Pöstler haben den Streik um die Weihnachtszeit gutgeheissen, nach einer Serie von lokalen Streiks, die bereits im Sommer begonnen hat. Die einst vorbildliche „Royal Mail“ ist im Chaos: Postämter werden geschlossen, Pöstler entlassen. Die Gehälter werden eingefroren.
 
Streikabsichten der British Airways (BA)
Boden- und Flugpersonal werden von der defizitären BA entlassen, Löhne gekürzt. Neu eingestelltes Personal wird mit einem Hungerlohn von £ 12 000 pro Jahr abgespiesen (statt £ 20 000). Hinzu kommt Kurzarbeitszeit. Die Angestellten sind zu Recht empört, und die „Unite“-Gewerkschaft droht mit Streik. Sie haben es erraten: genau über die Weihnachtszeit.
*
Ich persönlich kann nur zutiefst bedauern, was aus meinem einst gepriesenen England geworden ist: die Verrohung der Sitten, die Binge-Sauferei, die Messerstechereien unter Jugendlichen … Ich meine, England sollte zuerst seinen eigenen Taubenschlag ausmisten, ehe das Land die Schweiz zum Prügelknaben macht. David Cameron hat Grossbritannien treffend als „broken society“ bezeichnet.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog zum Thema „Zustände in England“
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