Textatelier
BLOG vom: 02.02.2005

Fabelhafte Londoner Stadtfüchse als Nachbarn

Autor: Emil Baschnonga

Die Fuchsjagd ist in England kürzlich verboten worden. Grob geschätzt, sind zwischen 5000 und 10 000 Füchse vom Land nach London gezogen. Sie haben auch in anderen Städten Unterkunft gefunden – sogar in Zürich. Rund 500 von ihnen leben heute ganz feudal in Wimbledon. Das bezeugen die zerrissenen Kehrichtsäcke.

Selbst in der Downing Street, Hausnummer 10 − Sitz von Tony Blair − wurde der Fuchs gesichtet. Er wusste wohl, dass es dort viel Abfall gibt …

Meister Reineke hat auch meinen Garten zu seinem Jagdrevier erkoren. Im verwilderten Garten nebenan hat er sich mit seiner Familie häuslich eingerichtet. Dort tollt sich der Nachwuchs − die drolligen Welpen − selbst am helllichten Tag herum.

Ein stattliches männliches Tier nimmt mich nicht mehr ernst. Er hält inne und beschaut mich hochnäsig mit schräg gestelltem Kopf am helllichten Morgen. Dann dreht er mir den Rücken und zeigt mir seine Lunte. Gemessen entfernt er sich Richtung Schuppen. Einmal aber wollte ich ihm den Meister zeigen. Ich jagte ihm bis zur Backsteinmauer nach. Ich war überrascht, wie behende er an dieser hochkletterte. Dort oben stand er − und ich unten. Es sah so aus, als ob er mich auslache.

Heute stellte ich dem Fuchs auf ganz andere Weise nach. In den Fabeln von Jean de La Fontaine, in einem im Jahre 1793 gedruckten Exemplar, habe ich ihn mehrmals erlegt: „Les deux Rats, le Renard et l’Oeuf; Le Fermier, le Chien et le Renard; Le Loup et le Renard ...". Stellen Sie sich vor, ich habe sogar „Le Renard anglais“ aufgestöbert! An Madame Harvey gewandt, schrieb La Fontaine: „Ihre Füchse sind feiner, und ich will es beweisen, denn einer unter ihnen rettete sich vor den Hunden mit einer Strategie...“ Mehr sei hier nicht preisgegeben. Kurz und bündig: Der englische Fuchs ist feiner und schlauer als anderswo: Aufgepasst, Tony Blair!

Der Fuchs ist ein Allesfresser: Beeren, Regenwürmer, Käfer, Resten von Pizza und Hamburger. Hin und wieder erwischt er sogar eine Waldtaube... Schlau, wie er ist, meidet der Fuchs Katzen und Hunde, wiewohl ihm solche Schandtaten angekreidet werden.

Ausgerechnet zwischen den Menschen, seinen Erzfeinden, hat der Fuchs Zuflucht gefunden – was auf die oben erwähnte Überlebensstrategie hinweist. Inzwischen gewinnen mehr und mehr Leute den Stadtfuchs lieb. Viele Pensionierte füttern ihn bereits. So ein Schlaumeier.

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