Textatelier
BLOG vom: 30.11.2009

CH-Minarettverbot: EU sagt, worüber wir abstimmen dürfen

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Das Schweizer Volk hat sich am 29.11.2009 erlaubt, den Bau von weiteren Minaretten überraschend deutlich abzulehnen. Die vereinigten Regenten fast aller Länder entsetzten sich. Demokratie? Was ist denn das überhaupt? So etwas ist in der heutigen globalisierten Multikultiwelt offenbar ein Verbrechen. Die staatliche Souveränität ist ohnehin abgeschafft, jeder redet jedem drein, und je anmassender einer ist, desto mehr zählt sein Wort. Und wir Schweizer, die wir uns gegen Einbindungen in internationale Grossverbände immerhin noch so weit als möglich gewehrt haben, müssen uns nun sogar sagen lassen, was sich für eine Volksabstimmung eignet und was nicht.
 
Zum Beispiel aus den heiligen EU-Hallen, die im Moment gerade unter schwedischer Führung stehen – nichts gegen Schweden, in manchen Bereichen ein vorbildliches Land. Aber offenbar gibt es dort Politiker, die sich mit demokratischen Auffassungen schwer tun, eine für mich neue, traurig stimmende Erkenntnis. So kam von Vertretern der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft deutliche Kritik, obschon wir nicht EU-Mitglied sind und uns diese zentralistische Union gestohlen werden kann. Die Schelte passt zum mit allen Tricks durchgedrückten Lissaboner Vertrag, der die letzten Volksrechte in den Mitgliedsländern aushebelt.
 
EU-Integrationsministerin Nyamko Sabuni aus Schweden bezeichnete als schade, dass eine solche Frage wie ein Minarettverbot überhaupt zur Abstimmung gekommen sei: „Das Schweizer Wahlsystem kann so missbraucht werden.“ Allerdings hatte die aus Zaire stammende Politikerin offenbar keine Zeit, sich mit dieser Frage gründlich genug zu befassen. Denn sie sagte auch noch: „Einen Ort für die Ausübung seines Glaubens zu haben, das sollten wir genauso wie für Christen und Juden auch für Muslime verteidigen.“ Offenbar glaubt Frau Sabuni, die Glaubensausübung finde in den Minaretten und nicht in der Moschee statt. Moschee-Bauten sind im Rahmen der ortsüblichen Bauvorschriften in der Schweiz nach wie vor gestattet.
 
Auch der schwedische Justizminister Tobias Billström befand, „dass es Themen gibt, die sich nicht für eine Volksabstimmung eignen“. Im Klartext bedeutet das, dass die Demokratie auf geeignete Themen eingeschränkt werden müsste, zum Beispiel auf Abstimmungen über Autobahnvignetten und Naturschutzmassnahmen, an die sich ohnehin niemand hält. Bestenfalls läge auch eine Abstimmung über Ladenöffnungszeiten gerade noch einigermassen drin. Aber für Grundsätzliches wäre kein Platz mehr. Das wird in Brüssel oder Washington bestimmt. Und zwar endgültig und verbindlich.
 
Ich bin dankbar, dass Brüssel immer wieder derartige Signale aussendet. Solch unerträgliche Einmischungen bremsen immer wieder einige Euroturbos in der Schweiz in ihrer begeisterung, falls die den medialen Verblödungsstrategien nicht unrettbar zum Opfer gefallen sind.
 
Der Islam wird in der Schweiz kritisch beäugt, weil sein Einfluss weit über das hinausgeht, was eine handelsübliche Religion so anstellt. Denn er bringt seine eigenen Gesetzesvorstellungen mit, wie ich bereits im vorangegangenen Blog zur Abstimmung über die Anti-Minarett-Initiative ausgeführt habe. Es geht also nicht um eine Religionsfrage oder die Religionsfreiheit als solche, sondern um die Frage der Einordnung der Muslime in eine andersartige politische (und nicht religiöse) Kultur. Und dass man sich in einem Gastland den dortigen Sitten und Gebräuchen zu unterziehen hat, müsste doch eigentlich klar sein. Falls das nicht anerkannt werden sollte, werden sich die Widerstände in der Schweiz verhärten, und das wäre bedauerlich auch für jene Mehrheit der hier ansässigen Anhänger des Islamismus, die das wissen und sich problemlos integriert haben.
 
Selbstverständlich ist die Auseinandersetzung um die Minarett genannten Türme nicht einfach ein baurechtliches Problem, sondern eine Stellvertreter-Angelegenheit ausserhalb religiöser Empfindlichkeiten: Es geht darum, ein Zeichen für ein in vielen Ländern vorhandenes Unbehagen zu setzen. So hängt zum Beispiel der Moscheebau in Frankreich von den kommunalen Behörden ab, die willkürlich und nach eigenem Gutdünken entscheiden können. Manche Bürgermeister lassen den Bau neuer Moscheen nur zu, wenn auf das Minarett verzichtet wird. In anderen Fällen begnügt man sich mit einem symbolischen Minarett, das im Stadtbild nicht auffällt.
 
Nichtsdestotrotz fühlte sich der französische Aussenminister Bernard Kouchner zum Vorwurf der Intoleranz an uns Schweizer berufen. Er sei „ein wenig entrüstet“, sagte Kouchner dem Radiosender RTL. Das soll er ruhig sein, aber dass ihn die französische Lösung nicht stört, führt dazu, dass ich ein wenig verwundert bin.
 
Aus England schrieb Roland Steiger an die „NZZ“: „Bravo Schweiz!“ Dort sei man „froh, dass es noch eine Nation in Europa gibt, welche sich nicht einschüchtern lässt“; das zeigten die Diskussionen in Internetforen.
 
Immer mehr Völker sehen sich gezwungen, den Aufstand gegen die an ihnen vorbei politisierende Classe politique zu proben. In den Niederlanden sind die „Rechtspopulisten“ auf dem Vormarsch, also jene Leute, die es noch wagen, zu den Eigenheiten ihres Landes zu stehen und die ein Gegengewicht zum obrigkeitlich akzeptierten Linkstrend bieten, ein Auslaufmodell. Solchen aufs Schandbänklein verwiesenen Gruppierungen, die man um Gotteswillen nicht Ernst nehmen darf, kommt das Votum von uns standfesten Eidgenossen gelegen. Die Holländer würden genauso abstimmen wie wir Schweizer, sagte der Vorsitzende der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders. Die Partei des Islam-Kritikers wolle daher einen Gesetzentwurf für ein Minarett-Referendum einbringen, berichtete die Zeitung „De Telegraaf“, was natürlich von den niederländischen Christ- und Sozialdemokraten umgehend abgelehnt wurde.
 
Positiv erstaunt hat mich die Bewertung des schweizerischen Abstimmungsergebnisses in Deutschland. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), rief dazu auf, die Entscheidung der Schweizer Ernst zu nehmen. Das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor der Islamisierung der Gesellschaft, sagte Bosbach zur „Berliner Zeitung“. Eine Tabuisierung würde den Zulauf für diese Kräfte nur verstärken. Der weitsichtige Innenpolitiker plädierte für eine offensive Debatte, wenn solche Projekte anstehen sollten.
 
Allerdings gab es unverzüglich Kritik für Bosbachs liberale Auffassung, die mit einer Massregelung verbunden wurde. Die deutsche Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt liess im „Morgenmagazin“ des ZDF verlauten, er müsse sich überlegen, was er sage: „Die Realität in Deutschland ist doch, dass wir zu wenig Integration haben.“ Göring, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Bundestags-Vizepräsidentin, zeigte sich „erschüttert“ vom Schweizer Ergebnis und war gleich ebenfalls mit einem Rezept zur Einschränkung der Demokratie parat: „Die Religionsfreiheit kann man nicht zur Abstimmung stellen“, sagte sie, vor einer Tatsachenverdrehung nicht zurückschreckend. In der Schweiz ist die Religionsfreiheit nämlich nach wie vor intakt, so lange sie nicht über die Religionsgrenzen hinaus frisst.
 
Für die verärgerten Reaktionen aus muslimischen Kreisen und Ländern habe ich ein gewisses Verständnis; sie waren zu erwarten gewesen. Doch möge ihnen die Botschaft, dass sie wohl ihre eigene Religion in die Gastländer importieren dürfen, aber nicht ihr eigenes Recht, Eindruck gemacht haben. Es war einfach ein Wink mit dem Zaunpfahl beziehungsweise mit dem Minarettturm. Damit er die gewünschte Wirkung zur Entfaltung bringen kann, sollten fundierte Diskussionen weitergeführt werden. Gleichzeitig könnten einige Missverständnisse geklärt werden.
 
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