Textatelier
BLOG vom: 05.12.2009

In vielen Belangen waren mir meine Töchter Lehrerinnen

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Ich hatte in den Jahren 1975‒1980 am „Kreis 5 Anzeiger“ (Alternatives Quartierblatt für Zürich 5) mitgearbeitet und für jede Nummer ein Rezept mit der dazugehörigen Geschichte geschrieben. Daraus wurde später ein Kochbuch. Unsere jüngere Tochter Letizia sähe es gern, wenn ich dieses neu auflegen würde. Die Rezepte sind für sie sowohl Familiengeschichte wie auch Bestandteil ihrer eigenen Küche, mit der sie immer wieder Erfolg hat.
 
Sie ist aber eine viel anspruchsvollere und kreativere Köchin und Gastgeberin als ich es je war. Es erstaunt mich, dass etwas von früher immer noch Bestand hat. Beliebt ist unser Hackbraten auch in ihrem Freundeskreis. Sie erzählte kürzlich, wie sich ehemalige Arbeitskollegen bei ihr trafen und schon im Voraus wünschten, dass sie ihnen Hackbraten und Kartoffelstock auftische.
 
Hungrig schauten sie auf den Service und verglichen die einzelnen Tranchen auf den Tellern, und manch einer befürchtete, er käme zu kurz. So wurde es mir erzählt. Sie hätten sich lachend beschwert, des Nachbars Portion sei dicker. Aber es gab für alle genug. Letizia kochte 2 kg Hackbraten und 3 kg Kartoffelstock für 6 Personen.
 
Einer der Männer habe gesagt, hier sei es wie daheim. „Man kommt an, und das Essen ist bereit.“ Das sind wohl Sehnsüchte vieler alleinstehender Menschen, eben auch junger. Und der Hackbraten, der früher in vielen Familien nach eigenem Rezept gekocht wurde, verstärkte wohl auch noch das Heimatgefühl.
 
Letizia kocht jede Woche einmal für uns Eltern, und das sind immer Festessen. Die Rollen sind schon längst vertauscht. Wohl werde ich manchmal noch nach meinen Erfahrungen gefragt, aber grundsätzlich ist sie jetzt die Person mit breiter Erfahrung und überrascht uns immer wieder mit phantasievollen Experimenten.
 
Und ich bin zur Schülerin geworden, wünschte mir letzthin, dass ich endlich einmal Zöpfe backen lerne. Dass sie mir zeige, worauf es beim Teig ankomme, wie ich die Hefe richtig behandle und welcher Trick sie anwende, dass ihr die Teigmasse so prächtig aufgehe. Diesen darf ich freimütig verraten. Sie legt den fertig gekneteten Teig in eine weite Schale, deckt diesen mit einer Frischhaltefolie zu (Folie nur locker hinlegen, nicht spannen, damit sie die Teigbewegungen nicht behindert) und schiebt das Gefäss unter das Kopfkissen oder die Bettdecke. 1 ½ Stunden bleibt er dort, frei von Durchzug und entwickelt sich prächtig. Aus meiner Sicht ist dieser Trick ausschlaggebend fürs Gelingen.
 
Rückblickend erkenne ich, dass die Ernährung schon immer ihr Thema war. Dass sie schon als Sekundarschülerin instinktsicher anregte, dieses oder jenes Gewürz noch beizufügen. Da stand sie dann neben mir am Herd, sog Düfte ein und gab ihre Kommentare dazu. Heute sagt sie, das seien prägende Momente gewesen, vor allem weil ich bereit gewesen sei, auf ihre Anregungen einzugehen. Ich erkannte eben rasch, dass es sich lohnte.
 
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