BLOG vom: 10.12.2009
Klimakonferenz 09: Sinnloses Herumdoktern an Symptomen
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG (Textatelier.com)
Rund 15 000 Personen aus 193 Staaten sind zum Klima-Happening in Kopenhagen angereist, was natürlich den Energieverbrauch und die Abgasproduktion enorm beflügelt hat. Eigentlich ist diese Massenveranstaltung neben viel Show zum Thema Weltrettung bloss ein einziges grosses Warten auf den Heilsbringer aus dem Land, das den Rekord in Bezug auf die Umweltverpestung innehat: Seine Heiligkeit Barack Obama, der Allmächtige. Er ist wie seine Vorgänger willens, zur Sicherung fossiler Brennstoffe (inkl. freie Bahn für Erdgasleitungen) ganze Kriege zu führen, und er wurde dennoch zur Verblüffung der Menschheit mit sämtlichen Klima-Kompetenzen ausstaffiert. Denn die US-Umweltbehörde EPA stufte Kohlendioxid (CO2) und weitere Treibhausgase wie Methan (CH4), teil- (H-FKW/HFCs) und vollhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FKW/PFCs), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstoffoxid (Lachgas, NO2) förmlich als Stoffe ein, welche die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung gefährden. Die erwähnten Gase sind also seit Montag, 07.12.2009 (US-Ortszeit), gesundheitsschädlich (bereits tags darauf litt ich unter einem kurzen Hustenanfall). Und eben deshalb, weil die Gase jetzt schädlich sind, kann Obama ohne ein hinderliches Gesetzgebungsverfahren im bestochenen Kongress eine bessere Welt ankündigen und sagen, um wie viel Prozent er binnen welcher Zeit den Dreckausstoss in den USA verringern will. Möglichst eindrücklich, je höher die Prozentzahlen, umso besser. Im Ankündigen hat es Obama zur wahren Meisterschaft gebracht; die Praxis interessiert ihn dann allerdings weniger. Er findet immer wieder einen Dreh, um seine Versprechen zur Makulatur werden zu lassen. Aber darauf muss wirklich nicht mehr speziell hingewiesen werden.
Zeit- und Geldverschwendung
Was Obama versprechen und was die munteren „Hopenhagen“-Touristen beschliessen werden, spielt ja auch keine Rolle, denn Klimaschutz auf der Grundlage eines durch und durch falschen Systems treiben zu wollen, ist Zeit- und Geldverschwendung. Dies sei am vordergründigsten Beispiel untermauert: Das globale, neoliberale Wirtschaftssystem nach dem Zuschnitt der Interessen einer kleinen Finanzelite im Wallstreet-Umfeld funktioniert nur auf der Grundlage eines ständigen Wachstums; Stagnation oder gar rückläufige Umsatzzahlen führen schnurstracks in die Weltwirtschaftskatastrophe, die von teufelskreisartigen Multiplikationseffekten begleitet ist. Da es aber auf der begrenzten Erde kein unbegrenztes Wachstum geben kann, folgert daraus zwingend, dass das System falsch sein muss, vollkommen daneben. Schon seit Jahren wird von den „Grenzen des Wachstums“ gesprochen (der Club von Rom publizierte 1972 eine entsprechende Studie zur Weltwirtschaft: The Limits to Growth). Aber Konsequenzen irgendwelcher Art hatte das nicht; jedenfalls fällt mir gerade keine Massnahme ein, die sich an diesen Grenzen orientiert hätte. Im Gegenteil: Der US-Kongress hatte erst im Februar 2009 fast 790 Milliarden USD bewilligt, um die eigene Wirtschaft zu stützen und die gigantischen Schulden auszubauen. Kein anderes Land hat so viel Geld für die Konjunktur ausgegeben wie die USA, selbstverständlich auf Pump.
Konsumationszwang
Um der Feststellung nach der Notwendigkeit eines unlimitierten Wachstums etwas mehr Tiefenschärfe zu geben, sei auf die jüngste Absatzförderung im Autobereich durch eine zwar zeitlich und finanziell beschränkte Abwrackprämie in etwa einem Dutzend Staaten hingewiesen. Alte Autos mit einem hohen Abgasausstoss mussten durch neue ersetzt werden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die „graue Energie“ fürs Verschrotten und die Neuwagenproduktion wurden vergessen; denn es ging unter dem Vorwand, dem Klima Gutes zu tun, im Wesentlichen um Kaufanreize, um eine Wirtschaftsbelebung. Das Beispiel war nur eines von vielen, mit denen die Menschheit konfrontiert wurde, nachdem die US-Schuldenpapiere den vereinigten Hereinfallenden in allen Ländern verkauft waren und die US-Hypoblase endlich platzen konnte. Die globalisierte Menschheit bezahlte und bezahlt weiterhin auf allen möglichen Wegen und verkappten Umwegen dafür, dass die US-Amerikaner weit über ihre Verhältnisse hinaus gelebt haben und es selbstverständlich immer noch tun.
Die Amerikaner, bei denen die Grossmannssucht den Arbeitseifer gelegentlich schon etwas dominiert, hatten ja genau das getan, was die sich global vereinheitlichte Wirtschaft von ihnen (von uns allen) verlangt hat: konsumieren, konsumieren, konsumieren, ob auf Barzahlung oder auf Pump spielt keine Rolle. Der Dollar muss rollen, jedenfalls so lange ihn sein Zerfall daran nicht hindert. Weil die Welt so grenzenlos blöd war, sich ins Dollarsystem einbinden zu lassen, durfte sie sich auch auf diesem Weg an der Übernahme von US-Schulden üben; der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, die Dummheit der Globalisierten nicht überwunden.
Diese rudimentären Beispiele wurden hier nur erwähnt, um darzutun, dass ein Klima-Event, wie er jetzt in Dänemark, einem übrigens vorbildlich umweltbewussten Land, stattfindet, nichts bewirken kann. Das Wirtschafts- und das Lebenssystem sind grundfalsch, und genau darauf basieren der exorbitante Energieverbrauch und alle seine Folgen, die ihrerseits wieder umstritten sind. Die Wissenschaft ist ins System eingebettet, dient dem System, und wer sie Ernst nimmt, ist selber schuld. Auch ohne wissenschaftliche Untermauerung kann man feststellen, dass die fossilen Brennstoffe wie Kohle und Erdöl zu schnell und zu unbedacht verbrannt werden; da wird in Anlehnung an den amerikanischen Lebensstil ein unersetzliches Kapital gedankenlos und innert kürzester Zeit verschleudert. Wir leben von der Substanz. Nicht einmal der Schutz aller natürlichen Lebensgrundlagen ist gewährleistet, im Rahmen der Einheitswelt immer weniger.
Muster-Flop Kyoto-Protokoll
Eine Klimakonferenz, die sich einfach auf einige Abgastypen rund ums Referenzgas CO2 konzentriert, ist zum Scheitern verurteilt – und mögen ein paar verbale Bekenntnisse zuhanden der Weltöffentlichkeit noch so eindrücklich sein. Das Kyoto-Protokoll, das am 11.12.1997, also vor 12 Jahren, in der gleichnamigen japanischen Stadt beschlossen wurde, erwies sich als ein Musterbeispiel für den Nonsens von Klimakonventionen, die mit dem Ziel des Klimaschutzes in die sich erwärmende Welt gesetzt werden. In Kyoto wurde beschlossen, den jährlichen Treibhausgas-Ausstoss der Industrieländer innerhalb der so genannten ersten Verpflichtungsperiode (2008–2012) um durchschnittlich 5,2 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Wäre auch nur ein Teil von diesem „Protokoll“ in Erfüllung gegangen, hätten die Teilnehmer des Hopenhagener Happenings klimaschonend daheim bleiben können. Natürlich ist das Gegenteil passiert. Und es gibt keinerlei Anzeichen, dass ein allfälliges Kopenhagen-Protokoll ein besseres Schicksal als die in Kyoto gefassten Beschlüsse erfahren wird.
Falsche Ansatzpunkte
Wenn ein System faul ist, dann nützt jedes Herumdoktern nichts, aber auch gar nichts. Wenn eine Brücke falsch konstruiert wurde und auf morschen Pfeilern steht, wird man sie nicht durch eine Neubemalung mit fröhlichen Farben retten können. Wer seine Gesundheit durch eine andauernd falsche Lebensweise ruiniert, wird nie und nimmer mit irgendwelchen Chemikalien geheilt werden können. Und eine Wirtschaft, die nur auf schnelle Profite und ständiges Wachstum ausgerichtet ist, frisst immer mehr Energie, auch wenn man durch technische Massnahmen noch diesen oder jenen Ablauf verbessert.
Die Welt müsste von der Basis her ökologisch nachhaltig ausgerichtet sein, was tiefgreifende politische, soziale und ökonomische Folgen nach sich ziehen würde, beginnend bei der Land- und Forstwirtschaft über die Transportbedürfnisse bis hin zur Aufwertung des Regionalen, Individuellen, Naheliegenden. Die Globalisierung unter der US-Herrschaft, akzentuiert durch die verschwenderische, kulturlose, egoistische, macht- und geldgierige US-Lebensweise, führt ins Verderben. Und so müsste denn eben genau hier angesetzt werden. Der Rest würde sich dann automatisch ergeben.
Selbstverständlich ist es sinnvoll, energiesparende Autos zu bauen, die beim Abwärtsfahren und Bremsen anfallende Energie verwerten statt vernichten. Es ist sinnvoll, material- und energiesparende Technologien und Produkte zu entwickeln, solange die Einsparungen nicht durch gigantische Mengenausweitungen aufgefressen werden. Bemühungen um eine Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Nutzung so genannter alternativer Energien, die an Ort anfallen, sind richtig; aber die bescheidenen Resultate solcher Bemühungen sollten nicht durch die Folgen von Systemfehlern zunichtegemacht werden. Sicher wäre es an der Zeit, die Verschwendungskultur einzuschränken statt zu fördern. Die Liste könnte beliebig verlängert werden.
Das zentrale Ereignis müsste eine Wirtschaftsordnung sein, die der Natur als solcher und nicht der Natur des auf Eigennutz bedachten Menschen angepasst ist. Und dazu würde eine Bildung gehören, die nicht durch eine möglichst frühe Erfassung der Kleinkinder globalisierungstaugliche Herdenmenschen heranzüchten will, sondern Vollmenschen mit selbstständiger Denkfähigkeit, welche falsche Ordnungen zu erkennen und zu ändern vermögen.
Die globalen Ungleichgewichte, die sich auch aus den Vorrechten der Machtinhaber und sogar aus dem Klimawandel ergeben und die zu einer völlig ungesunden, inakzeptablen einseitigen Güter- und Reichtumsansammlung führen, haben soziale Unruhen und Flüchtlingsströme zur Folge, die ihrerseits kaum lösbare Probleme schaffen. Der Streit um das vom Volk mit aller Deutlichkeit beschlossene Minarett-Verbot in der Schweiz ist nur ein kleiner Vorbote dessen, was noch zu erwarten ist.
Ein selektives Denken, das sich einfach auf ein paar Abgase bezieht, die mit verbalen Grosstaten zurückgebunden werden sollen, löst die Menschheitsfrage, wie sie ihren Lebensraum retten und über die Runden bringen kann, überhaupt nicht. Solange das Elementare nicht angegangen wird, sind das nur Verzögerungsmanöver, die allenfalls die fragwürdige Forschung beflügeln und Umweltschutztechnologen fördern werden. Auf zu neuen Geschäften!
Weil alles an der Oberfläche bleibt und grundlegende Missstände tabu sind, war der Gipfel von Kopenhagen gescheitert, schon bevor er begonnen hatte. Wie wär’s mit Abwrackprämien zur ersatzlosen Verhinderung solcher mit grossem Getöse inszenierten Massenveranstaltungen, damit der Weg zu Grundlegendem frei wird?
Literatur zum Thema
Hess, Walter: „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“, Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein 2005. ISBN 3-9523015-0-7.
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