Textatelier
BLOG vom: 21.12.2009

Weihnachtszeit: Den Geschenke-Wahnsinn haben viele satt

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“
(Sprichwort)
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„Geschenke besänftigen Götter und Menschen“
(Ovid, Liebeskunst 3, 653)
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„Ein Geschenk, das kein Opfer ist, ist kein Geschenk.“
(John Steinbeck)
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„Man kann auch Zeit schenken. Die Zeit für einen Brief zum Beispiel. Die Zeit sorgt, dass diese Zeit ein immer selteneres und vornehmeres Geschenk wird.“
(Sigmund Graff)
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Alle Jahre wieder grassiert vor Weihnachten der Geschenkewahnsinn. Diesen haben wir früher zur Genüge kennen gelernt, als wir immer bis zum Tag vor Heilig Abend in die Geschäfte verzweifelt herumliefen, um die passenden Geschenke für Eltern, Geschwister und Kinder zu finden. Gerade in Bezug auf die Eltern oder Schwiegereltern war es schwer, Präsente auszusuchen. Man musste auch darauf achten, dass die Verwandten nicht dasselbe wie in einem früheren Jahr oder gebrauchte Gegenstände aus dem eigenen Haushalt, die man nicht mehr wollte, bekamen. Umgekehrt mussten wir unpassende Präsente von Verwandten aufheben oder Kleider austragen. Auch Eltern, Tanten und Onkel wurden von Verwandten mit unpassenden Geschenken überhäuft. So erhielten sie manchmal schrecklich hässliche Vasen, Bilder und Gegenstände des Haushalts. Kamen die Schenker unangemeldet zu Besuch, wurden die Gegenstände schnell hervorgekramt und aufgestellt oder aufgehängt. Später kamen die Präsente der lieben Verwandten wieder in die Rumpelkammer oder gingen beabsichtigt zu Bruch. So konnte sich einmal meine Mutter herausreden, in dem sie sagte, die Vase hätte der Hund schwanzwedelnd umgeworfen.
 
Zum Glück haben wir eine Wohnungskatze, die manchmal in einem Anfall von Toberei den einen oder anderen Gegenstand als „Spielball“ benutzt. Da haben Bekannte mit ihren unpassenden Geschenken keine Chance. Vor Jahren erhielten wir einmal einen Weinflaschenhalter in Form eines Kellners mit Frack und Fliege. Diesen kitschigen Halter haben wir nie benutzt. Wir hätten uns nur blamiert. Wenn die Bekannten bei einem Besuch danach gefragt hätten, wo denn ihr schönes Geschenk geblieben sei, hätten wir geantwortet, die liebe Katze habe es zertrümmert.
 
Schwierig wird es für die Superreichen. So äusserte kürzlich im Fernsehen in einer Sendung über die Moskauer Milliardäre eine verzweifelte Reiche, nachdem sie eine Einladung vom Geldadel bekommen hatte, dies: „Es ist verflixt schwer, das passende Geschenk für Leute mitzubringen, die schon alles haben.“ Ich dachte mir: Haben die Sorgen!
 
Nach Jahren der Reife kamen wir dahinter, dass man den Geschenkerummel nicht mitmachen muss. Heute ist es so, dass wir nur die Enkelkinder beschenken, zumal wir ja das ganze Jahr Zeit haben (zum Beispiel an Geburtstagen), um der Ehefrau oder den Kindern etwas zukommen zu lassen. Und somit brauchen sie nicht ein ganzes Jahr auf Geschenke zu warten.
 
Viele haben die Traditionen satt
Laut einer Umfrage des Unternehmens „Deutscher Ring Krankenversicherungsverein a. G.“ haben viele Deutsche die Weihnachts-Traditionen satt. Jeder 5. Deutsche hat keine Lust auf üppiges Essen, jeder 10. betrachtet die Familientreffen als Stress, viele sind von den Weihnachtsliedern in den Geschäften und im Rundfunk genervt, 17 % der Deutschen würden sogar auf Geschenke verzichten. „Einige von ihnen haben keine Lust, sich in den vorweihnachtlichen Shopping-Marathon zu stürzen und durch überfüllte Läden zu drängen. Andere sehen Weihnachten als Konsumveranstaltung kritisch und wollen sich dem Geschenke-Zwang nicht unterwerfen“, so der Deutsche Ring in einer Presserklärung (www.deutscherring.de).
 
Buch- und Geldgeschenke
Am liebsten verschenkte und verschenke ich gute Bücher. Das hat schon Wilhelm von Humboldt praktiziert. Er schrieb in einem Brief an eine Freundin am 04.12.1830 das Folgende: „Ich finde und habe immer gefunden, dass sich ein Buch gerade vorzugsweise zu einem freundschaftlichen Geschenk eignet. Man liest es oft, man kehrt oft dazu zurück, man naht sich ihm aber nur in ausgewählten Momenten, braucht es nicht wie eine Tasse, ein Glas, einen Hausrat in jedem gleichgültigen Augenblick des Lebens und erinnert sich so immer des Freundes im Augenblick eines würdigen Genusses.“
 
Kleine Geldgeschenke bekommen unsere Enkelkinder ab und zu an Geburtstagen oder auch an Weihnachten. Als Kind freute ich mich immer wieder an ein kleines Geldgeschenk, dann konnte ich mir das kaufen, was ich mir wünschte. Oft bekamen wir etwas zum Anziehen oder Präsente, die ich als unpassend ansah.
 
Hier ein passender Spruch von Sigmund Graff zu den Geldgeschenken: „Obwohl Geldgeschenke ,unfein’ sind, respektieren sie doch mehr als alle anderen den Willen des Beschenkten. Zweifellos wird Geld nur deshalb nicht gern geschenkt, weil man befürchtet, die Erinnerung an den Spender könnte schneller verblassen, als wenn sie mit irgendeinem deplacierten Gegenstand verknüpft ist.“
 
Heute ist es jedoch üblich, Gutscheine aller Art zu verschenken. So erhielten wir einmal Gutscheine für einen Restaurantbesuch, ein Gutscheinbuch für 30 Lokalitäten in der Umgebung (das 2. billigere Essen war dann frei) oder für Bücher.
 
Bücher und Kirschkerne
In diesem Jahr erhielt ich von Redaktionen und Firmen einige Geschenke. Darunter befanden sich die Bücher „Das Kreuz des Nordens“ (Reise durch Karelien) von Klaus Bednarz und das Kochbuch „Orientalische Fingerfood“ (101 Rezepte aus Tausendundeiner Nacht) von Ali Biger.
 
Ein überreich ausgestattetes Paket enthielt verschiedene Teesorten, Lebkuchen, Multivitamin-Energetikum, Apfelpunsch, Duschgel und Shampoo sowie den naturreinen Heilpflanzensaft Artischocke von Schoenenberger. Dieser Artischockenblütenknospen-Press-Saft unterstützt die Verdauungsfunktion und verbessert insbesondere die Fettverdauung. Da kann mir dann die Völlerei an den Festtagen nichts mehr anhaben.
 
Von meiner ehemaligen Firma Novartis erhielt ich ein geformtes Kirschkernkissen (passend für den Nacken-Schulter-Bereich) und einen Kirschlikör. Dieses Kissen, das entweder heiss oder kalt auf die schmerzenden Stellen an Rücken, Bauch, Arme und Beine aufgelegt werden kann, entspannt und belebt. Verspannungen aller Art kann man dann beheben. Es waren also ganz nützliche Geschenke, die uns erfreuten.
 
Und zum Schluss noch ein passender Spruch von Seneca (Von den Wohltaten 1,11):
 
„Hauptsächlich müssen wir ja trachten, keine Geschenke auszuteilen, die man nicht brauchen kann, zum Beispiel einem Greise oder einer Frau Jagdgeräte oder einem Bauern Bücher oder einem Gelehrten Netze.“
 
In diesem Sinne ist zu hoffen, dass wir ab und zu doch das passende Geschenk überreichen. Aber nicht unbedingt zu Weihnachten, sondern auch an anderen Tagen des Jahres.
 
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