BLOG vom: 31.01.2010
Sonntagsbeichten: Londoner Rummel, Basler Ruhe
Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
Zurück von einem kurzen Abstecher mit der Familie nach Basel, bin ich mir unschlüssig, ob ich den Londoner Sonntagsrummel oder die Basler Sonntagsruhe bevorzugen sollte.
Um die Mittagszeit meldete sich der Hunger am Sonntag, 24.01.2010. Aber die Basler Innenstadt war ausgestorben. Alle Läden waren geschlossen. Nach langer Suche fanden wir in Kleinbasel, beim Claraplatz, endlich eine der wenigen offenen Gaststätten. Das Restaurant ist von einem Türken geführt und bot eine ausreichende Auswahl von Pasten, Pizzen und Fleischgerichten, worunter die von uns bevorzugten Kalbsschnitzel, alles zu vernünftigen Preisen.
Nach dem Essen wechselten wir wieder auf die Grossbaslerseite über und besichtigten das Münster. Eine Gruppe von Touristen hatte sich um den Führer geschart. Im Münster spielte einsam ein Organist eine Fuge von Bach ausgerechnet hinter der verschlossenen Türe der Seitenkapelle.
„Was tun die Schweizer am Sonntag?“ wollte einer meiner Söhne wissen. Ausweichend antwortete ich: „Wenn sie sich nicht langweilen, fahren sie um diese Jahreszeit Ski. Die ältere Garde rafft sich vielleicht zu einem Spaziergang auf … oder liest die Sonntagszeitung. Mit zur Sonntagsruhe gehört wohl auch ein verlängertes Mittagsschläfchen."
Ich musste zugeben, dass ich nicht wusste, wie die meisten Leute ihren Schweizer-Sonntag verbringen. Aber eines wusste ich aus eigener Erfahrung als Kind: Der Sonntag war zum Gähnen langweilig; denn damals gab es noch keinen Fernseher, und die Kinder durften draussen weder spielen noch sonst Lärm machen. So verblieb mir Zeit, um aufgeschobene Schulaufgaben missmutig anzupacken. Der Sonntag ist und bleibt ein Ruhetag mit viel Glockengeläut. Schon in jungen Jahren entwischte ich bei jeder Gelegenheit dem Kirchenbesuch. Statt der Heiligen suchte ich die Flora im Botanischen Garten auf oder das Historische Museum.
*
In London ist der Sonntag ein Tag wie jeder andere. Für Viele ist er zwangsläufig zum Einkaufstag geworden, weil während der Woche die Zeit dazu fehlt. Dem war nicht immer so. Einst war der Sonntag so eintönig wie in der Schweiz. An einem typisch verregneten Sonntag bleibe ich am liebsten zuhause – und lese die „Sunday Times“. Am Einkaufsrummel beteilige ich mich nur im Notfall. Die Mahlzeit zu Hause schmeckt mir am Besten. Und scheint die Sonne, lungere ich im Garten umher.
Aber mich „beruhigt“ ungemein der Gedanke, dass ich mich jederzeit, als eingefleischter Stadtmensch, nach Lust und Laune am mannigfaltigen Londoner Leben beteiligen kann. Ja, auch ich brauche Kurzweil, Abwechslung und Gesellschaft, aber nur solange mir die Rückkehr in meine Klause gesichert ist und ich mein Steckenpferd reiten kann. Andere mögen sich am Golf ergötzen. So ist Spielraum für jedermann gesichert, selbst am Sonntag.
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