Textatelier
BLOG vom: 11.02.2010

Gewürznelke: Vertreibt Fliegen und lindert Zahnschmerzen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Der Gewürznelkenbaum (Syzygium aromaticum) wurde kürzlich durch eine Jury des Naturheilvereins Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres 2010 gekürt. Dies ist eine schöne Auszeichnung.
 
Ein weiterer Grund, warum ich gerade jetzt dieses Thema wähle, waren meine Zahnschmerzen, die ich als Folge einer Entzündung im Wurzelbereich eines Zahnes bekommen hatte. „Nehme doch eine Nelke oder verdünntes Nelkenöl zur Linderung“, meinte ein Wanderfreund. Da erinnerte ich mich wieder an eine frühere Verwendung. Bei Zahnschmerzen bekamen wir eine Nelke, auf die wir beissen mussten, oder ein Wattestückchen, das mit Nelkenöl getränkt war, in den Mund geschoben. Die Zahnschmerzen wurden dann erträglicher. Sie ersetzten natürlich nicht den Zahnarztbesuch.
 
Wirkung seit über 3000 Jahren bekannt
Schon vor über 3000 Jahren wurde in einem der ayurvedischen Bücher auf die zahnschmerzstillende und wundheilende Wirkung der Nelke hingewiesen. In Epidemiezeiten des Mittelalters schützten sich Ärzte mit Nelkenketten oder einer Nelke im Mund bei den Krankenbesuchen vor Ansteckung. Sie glaubten an die krankheitsabwehrende Kraft dieser Blütenknospe.
 
Heute wissen wir, dass die Ingredienzien des Myrtengewächses krampflösend, schmerzstillend, beruhigend, antimikrobiell und entzündungswidrig wirken. Die Nelke ist nicht nur Heilmittel, sondern ein wichtiges Gewürz, Bestandteil von Mund- und Rachentherapeutika, Karmelitergeist, Parfüms, Seifenparfümölen und Zahnpasten.
 
Als Kinder wurden wir schon früh mit Nelken konfrontiert. So entdeckten wir im Apfelkompott, in süss-sauer eingelegten Kürbisschnitzen oder im Rotkohl hier und da ein „Nägeli“, wie wir die Nelke nannten. Meine Mutter war der Meinung, die Nelken gäben diesen Speisen ein besonderes Geschmackerlebnis. Später entdeckten wir bei Bekannten Nelkenduftkugeln, die in der Adventszeit im Raum aufgehängt wurden. Diese mit Nelken besteckten Orangen wurden auch in den Kleiderschrank gelegt, um „duftende“ Kleider zu bekommen. Andere Verwandte wiederum brachten eine Ölmischung aus Orange, Zimt und Gewürznelken in die Duftlampe. Wenn wir zur Adventszeit zu Besuch kamen, wurden wir jedes Mal von einem warmen, würzig-süsslichen Duft empfangen.
 
Böse Überraschung bei der Fliegenabwehr
Eine Nachbarin verwendete Nelkenöl zur Fliegenabwehr. Immer, wenn die Stechmücken ihr Unwesen trieben, rieb sich die Frau mit einer Lotion ein, die Nelkenöl enthielt. Als eine Bekannte dieser Frau davon hörte, wollte sie dieses Mittel auch anwenden. Sie rieb sich mit dem selbst zusammengemixten „Hausmittel“ kräftig ein, setzte sich auf dem Balkon und wollte sich ungestört sonnen. Aber oh je: Ein Schnakenschwarm flog Attacken auf die arme Frau, die wild um sich schlagend ins Haus flüchtete. Sie warf das Hausmittel in den Kehrichteimer. Als unsere Nachbarin nach der Wirkung dieser Komposition fragte, bekam sie eine nicht gerade freundliche Antwort. „Bei mir hat das Mittel geholfen. Sie müssen irgend etwas falsch gemacht haben“, meinte die „Erfinderin“ der Lotion. Bald klärte sich auf, warum das Mittel nicht wirkte. Die Nachahmerin hatte nämlich nur den 10. Teil der empfohlenen Menge Nelkenöl in die Lotion gemischt. Die zu geringe Dosierung hatte also den gegenteiligen Effekt bewirkt. Mir ist nicht bekannt, ob die Frau einen erneuten Versuch gewagt hat.
 
Es sind Blütenknospen
In unserer Kinder- und Jungendzeit wussten wir natürlich noch nicht, was Nelken sind. Erst später, als unser Wissensdurst in diese Richtung gelenkt wurde, erfuhren wir Näheres darüber: Nelken sind die vollständig entwickelten, noch nicht aufgeblühten Blütenknospen des Nelkenbaums. Die Nelken sind zunächst olivgrün; dann färben sie sich während der Reifezeit rötlich und werden nach dem Trocknen rötlich-braun bis schwarz-braun.
 
Der immergrüne, pyramidenförmige 10 bis 20 m hohe Baum, der besonders gut im tropischen Seeklima gedeiht, kann das stolze Alter von 100 Jahren erreichen. Die Bäume werden aus Samen, seltener aus Stecklingen gezogen und in Plantagen angebaut. Im jugendlichen Alter von 8 Jahren kann geerntet werden. Ein 10 bis 12 Jahre alter Baum liefert etwa 3 kg Gewürznelken. Hat der Baum ein Alter von 30 bis 40 Jahren erreicht, ist die Menge10mal so hoch. Ein Arbeiter pflückt am Tag etwa 20 bis 25 kg Nelken. 1000 kg frische Nelken ergeben nach der Trocknung an der Sonne oder über Feuer auf Palmblättern 250 kg getrocknete Nelken.
 
Auf Sansibar (heute Unguja, zu Tansania gehörend) und Pemba werden Nelkenbäume seit 1830 kultiviert. Die Inseln liefern 95 % der Gewürznelken-Weltproduktion. Weitere Plantagen befinden sich auf den Molukken, Westindischen Inseln, Philippinen, auf Java, Sri Lanka, Réunion, Madagaskar und in Brasilien.
 
Würzfreudiges Mittelalter
Lange vor unserer Zeitrechnung war die Nelke in China bekannt. So musste ein Höfling oder Staatsbeamter, wenn er sich dem Kaiser näherte, eine Gewürznelke im Mund tragen. Dieser Brauch wurde wohl deshalb praktiziert, weil Nelken für einen guten Atem sorgten. In Indonesien wurde der Gewürznelkenbaum vor 2000 Jahren kultiviert. Nelken tauchen erstmals in einem Zolltarif von Alexandria auf. Arabische und venezianische Gewürzhändler brachten die Nelken nach Europa.
 
Die Menschen wussten im Mittelalter immer noch nicht, wo Muskatnüsse und Nelken wachsen. In Kräuterbüchern und Reiseerzählungen wurden die absonderlichsten Behauptungen aufgestellt. So glaubte man, die beiden Gewürze würden an ein und demselben Baum wachsen. Unter einem Nelkenbaum würde nichts Grünes gedeihen, weil er den Boden zu hitzig mache.
 
Berichtet wurde auch von einem schönen Brauch, den die Bewohner der Gewürzinseln lange pflegten. Kam ein Kind auf die Welt, wurde ein Gewürzbaum gepflanzt.
 
Die Geschichte der Nelke ist eng mit der Muskatnuss verbunden. Nelken waren zeitweise so wertvoll wie Gold, es entbrannten Handelskriege, und Schmuggler von Jungpflanzen wurden mit dem Tod bestraft.
 
Gewürzhändler wurden im Mittelalter steinreich. So konnte in Famagusta auf Zypern ein Kaufmann aus dem Erlös einer Schiffsladung Nelken eine gotische Kirche erbauen lassen.
 
Gegen Magenschmerzen und kalte Füsse
Im Mittelalter gebrauchte man 100mal mehr Gewürze als heute. Gewürze wurden nicht nur in der Küche gebraucht, sondern auch als Haus- und Heilmittel. Speisen bekamen mit Muskatnuss und Nelken eine besondere Würze. Ärzte verordneten Nelkenpulver bei Magenschmerzen und gegen kalte Füsse. Wie Annegret Stegmann in ihrem Werk „Kräuter und Gewürze von A‒Z“ berichtete, bekamen Leute mit kalten Füssen nicht Nelkenpulver ins Fussbad, sondern auf den Kopf gestreut. Die Anwender oder Therapeuten waren überzeugt, dies helfe besser als warme Socken.
 
Hauptkomponente ist Eugenol
Bevor ich auf die heutige Verwendung der Nelke eingehe, noch etwas zu den Inhaltsstoffen: Die Gewürznelken enthalten 16 bis 21 % eines ätherischen Öles. Hauptkomponenten des Öles sind Eugenol (70‒85 %), Eugenolacetat (15 %), ß-Caryophyllin (5‒12 %) und die Oleanolsäure (2 %).
 
Das ätherische Öl wird durch Wasserdampfdestillation oder Destillation mit trockenem Dampf gewonnen. Es wurde bereits im 15. Jahrhundert destilliert.
 
Es gibt verschiedene Nelkenöle: das Nelkenblütenknospenöl, Nelkenstielöl und Nelkenblätteröl. Das Öl aus den Knospen ist am teuersten und enthält das meiste Eugenolacetat.
 
Öle aus Nelkenblättern und Nelkenstielen sind Rohstoffquellen für die Herstellung von Eugenol. Eugenol wird eingesetzt in der Zahnheilkunde und zur Herstellung von Vanillin. Das dabei anfallende Caryophyllin schätzt die Aromaindustrie.
 
Nelkenöle wirken schmerzstillend, betäubend, desinfizierend und antibakteriell. Sie fördern den Schleimauswurf bei Bronchialkatarrh, wirken blähungstreibend, anregend auf die Darmperistaltik und sollen die Heilung von Magengeschwüren fördern.
 
Nelkenzigaretten
Indonesien verbraucht sehr viele Nelken und zwar nicht zu Speisezwecken, sondern zur Herstellung von Kretek (Nelkenzigaretten). Diese Glimmstengel sind sehr beliebt. Beim Anzünden entsteht ein typisches Knistern. Bewohner von Südostasien und Ostafrika würzen den Betelbissen mit Nelken.
 
Vielfältige Verwendung
Die Kombination Nelkenöl plus Zinkoxid verwendet der Zahnarzt als Verschlussmittel für zu konservierende Zähne. Hier kommt die schmerzstillende und bakteriostatische Wirkung zum Tragen. Nelkenöllösung ist auch heute noch ein beliebtes Antiseptikum bei Wurzelbehandlungen. Nelkenöl ist wegen seiner desinfizierenden und lokalanästhesierenden Wirkung Bestandteil von Mund- und Rachentherapeutika. Diese werden bei Entzündungen der Mundhöhle und des Zahnfleischs eingesetzt.
 
Auch in verdauungsfördernden Zubereitungen darf Nelkenöl nicht fehlen. Diese Mittel helfen bei Blähungen, Dyspepsien und Appetitmangel.
 
Ein beliebtes Mittel bei Verdauungsstörungen und Appetitmangel ist der Karmelitergeist, der auch in Form einer Einreibung bei Muskel- und Nervenschmerzen hilft.
 
Herstellung von Karmelitergeist (n. DAB 6): 5 Tropfen Citronellöl, 5 Tropfen Muskatnussöl, 2 Tropfen Zimtöl und 2 Tropfen Nelkenöl werden in 300 g 90%igem Ethylalkohol gelöst und mit 100 g Wasser vermischt. Nach mehrtägigem Stehen filtrieren.
 
Zubereitung eines Mundwassers: 2 Tropfen Nelkenöl auf eine Tasse Wasser, gut umrühren und gurgeln.
 
Innerliche Anwendung: Gegen Schluckauf kaut man jeden Morgen eine Nelke.
 
Äusserliche Anwendung (Nelken, Nelkenöl): Krätze, Hautabschürfungen, Insektenstiche, eitrige Wunden, Warzen, Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen (hier eine mit Nelkenöl getränkte Watte verwenden!).
 
Aromatherapie: Nelkenöl wirkt nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Seele. Es stimuliert das Gehirn, unterstützt das Konzentrationsvermögen. Es ist für Menschen gedacht, die lange Zeit geistig arbeiten und eine nachlassende Denkfähigkeit an den Tag legen.
 
Gemisch für eine Duftlampe: 5 Tropfen Orangenöl, 3 Tropfen Zimtöl, 5 Tropfen Gewürznelkenöl.
 
Achtung! Öle der Gewürznelke sollte man nicht innerlich einnehmen (nur in Form der erwähnten Zubereitungen!). Äusserlich sollte man das Öl nur sparsam und verdünnt anwenden. Das Öl kann nämlich eine Reizung auf Haut und Schleimhaut auslösen.
 
Die Anwendung von Nelkenöl in der Schwangerschaft ist tabu, da es unter Umständen Wehen auslösen kann.
 
Kulinarisches
Es gibt eine Menge schmackhafte Rezept mit ganzen oder gemahlenen Gewürznelken. So zum Beispiel Randensalat mit Hüttenkäse und Äpfeln, Kartoffel-Lauch-Gratin mit Nüssen, süss-scharfe Gewürzlinsen, Risotto mit Kürbis-Rüebli-Gemüse, Birnenfächer auf Gewürznelken-Creme oder ein Schokoladen-Pflaumencake, Chutneys, Apfel-Quittengelees, Kohlroladen mit Hackfleisch, Rinderrouladen, Aufläufe, Buchweizentorte. Unter www.chefkoch.de sind weitere Rezepte aufgeführt.
 
Als kürzlich in Schopfheim D der Narrenbaum aufgestellt wurde, konsumierten wir einen vorzüglichen Glühwein. In einem solchen Glühwein sind neben dem Rotwein noch Zimt, Sternanis, Piment, Nelken, Zitronen- und Orangenschalen zu finden (natürlich werden diese nach einer Einwirkungszeit vom Rotwein abgetrennt). Nelken finden sich aber auch in Punsch und der Feuerzangenbowle.
 
Auch im Lebkuchengewürz ist die Nelke vertreten. Dieses Gewürz setzt sich wie folgt zusammen: Orangenschale, Zitronenschale, Zimt, Gewürznelke, Sternanis, Ingwer, Muskatnuss und Kardamom.
 
Einkaufstipp: Gemahlene Nelken verlieren rasch an Aroma. Ganze Nelken können bis 2 Jahre aufbewahrt werden. Ob die Nelken beim Kauf frisch sind, kann man so feststellen: Beim Drücken mit dem Daumennagel gegen den „Stiel“ der Nelke sollte ein Öltröpfchen austreten.
 
Wichtig ist, dass man keine kopflosen Nelken kauft. In den Köpfchen sind nämlich die Inhaltsstoffe vermehrt aufzufinden.
 
Es ist nicht alles Gewürznelke
Nelkenwurzel: Es handelt sich hier um die Wurzel der Bachnelke. Sie gehört zu den Rosengewächsen. Der Geruch der Wurzel ist schwach gewürznelkenartig und wird durch das Eugenol hervorgerufen. Er diente insbesondere in Notzeiten als Nelkenersatz und als Heilmittel, zur Gewinnung von Aromen für Spirituosen, als Zusatz zu Bier. So wurde der Geschmack des Bieres verbessert und ein Sauerwerden verhindert.
 
Sibirische Nelkenwurzel: Ähnelt im Geruch und Geschmack der Nelke. Dient zum Aromatisieren von Getränken, Tee und in Kasachstan von Tabak. Viel gebraucht von der russischen Konservenindustrie als Nelkenersatz.
 
Nelkennuss, Ravensaranuss: Bezeichnung für den Madagaskar-Muskatsamen des Baumes von Ravensára aromática SONN = Agathóphyllum aromáticum. Die Nüsse ähneln den Muskatsamen.
 
Nelkenpfeffer: Bezeichnung für die Pimentfrucht.
 
Nelkenzimtrinde: Rinde des in Brasilien heimischen Baumes von Dicypéllium caryophyllatum; zimt- und gewürznelkenähnlicher Geruch und Geschmack. Das ätherische Öl ist reich an Eugenol. Wird in Brasilien wie Zimt verwendet.
 
Nelkensäure: Bezeichnung für Eugenol, kommt besonders in Zimt, Piment und Nelken als Geruchsträger vor. 1827 erstmals von H. Braconnot in Paris aus Gewürznelkenöl isoliert. Wird auch in der Mikroskopiertechnik zum Aufhellen gebraucht.
 
Nelkenblumenöl: Wird aus den Blüten der Gartennelke (Dianthus caryphyllus) gewonnen; kommt nur zu 0,25 % in den Blütenblättern vor. Hochwertiges Öl wird in kleinen Mengen in Südfrankreich, Ägypten und Kenia für Luxus-Parfüms verwendet.
 
Mutternelken: Es handelt sich um die eiförmigen, dunkelroten bis braun-schwarzen, etwas runzeligen, lederartigen Beerenfrüchte des Nelkenbaumes. Sie werden vor der Reife gesammelt und in den Heimatländern wie Gewürznelken verwendet. 
 
Internet
 
Literatur
Buhmann, Carine: „Nelken – Gewürz mit Köpfchen“, „Natürlich“ 03-1999.
Rias-Bucher, Barbara: „Kräuter und Gewürze“, Wilhelm Heyne Verlag, München 1997.
Scholz, Heinz: „Nelke beruhigt den schmerzenden Zahn“, „Natürlich“ 03-1999.
Stegmann, Annegret: „Kräuter und Gewürze von A-Z“, Gruner + Jahr, Hamburg 1978.
 
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