Textatelier
BLOG vom: 13.06.2010

Fussball-WM (1): Nervtötender Furzton aus der Vuvuzela

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Sie ist unsere Waffe. Die Fans sind unser 12. Teammitglied, die Vuvuzela ist unser 13. Mann.“
(Der südafrikanische Kapitän Aaron Mokoena über die Tröte)
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„Die Vuvuzela mag eine Terrortröte sein, lauter als eine Herde brünstiger Elefanten oder ein Hornissenschwarm. Aber das ist nun mal der Sound Afrikas.“
(Martin Halter, „Badische Zeitung“ vom 12.06.2010)
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Bei der jetzt in Südafrika begonnenen Fussball-WM (11.06. bis 11.07.2010) sorgt ein Blasinstrument für die nötige Stimmung. Es ist die Vuvuzela. Sie heisst zu Recht „Krach machen“ und klingt laut Martin Halter ein bisschen wie Uwe Seeler im Munde eines betrunkenen Fans. Bei uns wird sie auch Tröte genannt. Sie ist tatsächlich ein Krachmacher und hat sich als Ärgernis erwiesen. Nicht nur für die Spieler, Trainer, manche Zuschauer im Stadion, sondern auch für die Sesselhocker, die am Fernseher die Spiele verfolgen. Man kommt sich wie in einem Bienenschwarm vor. Manche schlaue Zuschauer kamen auf die glorreiche Idee, den Ton abzuschalten, da man die Reporter kaum hört. Dann folgt eine angenehme Stille, aber die Stimmung ist flöten. Auf der Spiegel-Online-Facebookseite machten sich viele Zuschauer Luft. „Da wird jede Stimmung und sämtliche Emotionen auf den Rängen gekillt“ oder „Durch diese Drecksdinger kommt überhaupt keine Stimmung aus dem Stadion rüber“, waren noch die mildesten Äusserungen.
 
Die Verantwortlichen wollen das „öööööööö“ nicht verbieten, da jedes Land andere Sitten hat. Und die Südafrikaner sind eben für diese Töne zugänglich.
 
Die Verantwortlichen von ARD und ZDF wurden von vielen E-Mails und Anrufen erboster Fans konfrontiert. Wie Bertram Bittel, Teamchef der ARD in Südafrika, berichtete, waren viele Zuschauer am Anfang der Meinung, es werde ein Störton gesendet.
 
Leider haben die Sendeanstalten keinen Einfluss auf die Signale der Aussenmikrofone. Die Tonspur wird wie die Bilder von der Fernsehproduktionsfirma HBS im Auftrag der Fifa laut „Spiegel Online“ vom 13.06.2010 produziert. Nun sind die Verantwortlichen auf der Suche nach einer Lösung. Aber da wird die Fifa nicht mitmachen. „Solange Blatter sagt, das gehöre dazu, habe ich wenig Hoffnung“, äusserte ein ARD-Mitarbeiter. Und der allmächtige Fifa-Präsident Sepp Blatter ist der Ansicht, ein Verbot würde unter Diskriminierung fallen. Die WM finde nicht in Europa, sondern eben in Südafrika statt. Er will von einer Änderung nichts wissen und es klingt, als halte er sich – bildlich gesprochen – seine Ohren zu. Er denkt vielleicht anders, wenn er mit einem Hörschaden nach Hause fährt. Denn ab 85 Dezibel können schon dauerhafte Schäden des Gehörs auftreten.
 
Sie verursacht einen Höllenlärm
Unglaublich, aber wahr, eine richtig geblasene Vuvuzela macht einen Höllenlärm mit 120 Dezibel. Damit ist der Krachmacher lauter als eine Kettensäge. Dadurch kommt manches Ohr zu Schaden. Manche sprechen jetzt schon von „Stadion-Tinnitus“ und von „Tinnitus-Kopfschmerzen“. Ohrstöpsel helfen wenig, da die Töne diese durchdringen. Dänemarks Nationaltrainer Morten Olsen hat damit keine Probleme. Er ist Träger eines Hörgerätes. Er zieht einfach die Stöpsel des Gerätes heraus. Sein Kollege, der Niederländer Bert van Marwijk hat vor, Ohrstöpsel und Kopfhörer unter einer Pudelmütze zu tragen.
 
Persönlich drehe ich den Ton sehr leise, aber das Bienensummen ist immer noch zu hören. Als Bienenfreund akzeptiere ich jedoch leisere Töne.
 
Aber leider haben wir einen Nachbarn, der eine Tröte beim Edeka-Rubbelspiel gewonnen hat. Er bläst ab und zu in die Vuvuzela. Als ich den Ton zum ersten Mal hörte, meinte ich, da sei einer in den letzten Zügen und gebe noch Schmerztöne von sich oder eine durstige und hungernde Kuh sei im Vorgarten.
 
Man darf gespannt sein, was der Mann noch anstellt, wenn die Deutschen Tore schiessen. Meine Frau sagte erst kürzlich: „Wenn der nicht aufhört, nehme ich ihm die Tröte ab.“
 
In der Nachbarschaft hängen schon einige Nationalflaggen von Portugal, Italien und Deutschland auf den Balkonen. Sie bleiben wohl solange hängen, bis sich die Nationalmannschaften vom Turnier verabschiedet haben. Auch viele Autos fahren jetzt mit den Flaggen herum. Aber diese Fan-Utensilien sind mir viel lieber als die Tröten.
 
So bläst man richtig!
Ganz amüsant fand ich einen Artikel in der Zeitschrift „Der Sonntag“ vom 13.06.2010. Darin wurde dem Alphornbläser Robert Blumer aus der Schweiz 2 Tröten, eine billige (um 1 Euro) und eine teuere (7 Euro) überreicht, und er sollte zeigen, wie man ein solches Instrument richtig bläst.
 
Ich dachte mir: Hoffentlich hat mein Nachbar diesen Artikel gelesen, dann lernt er vielleicht schönere Töne der Tröte zu entlocken. Die jetzige Tröte klingt wie ein Nebelhorn oder noch schlimmer. Aber ich habe falsch gedacht. Auch der erfahrene Alphornbläser konnte nur einen Ton entlocken. Er charakterisierte ganz offenherzig den Ton so: „Er klingt eher wie ein Furz.“ Er fügte noch bei, dass die Alphornmusik von einem ganz anderen Kaliber sei. Man könne mit dem Alphorn fast alles spielen. Seine Töne sind auch für Tiere angenehm. Als Brunner einmal in der Nähe einer Wiese spielte, rannten sämtliche Tiere an, um den warmen Tönen zu lauschen. Mit einer Vuvuzela wären wohl alle über die Zäune gehüpft und davon gerannt. Bei den Vuvuzela-Tönen wäre wohl nur der Bauer angerannt, um zu sehen, ob eine Kuh krank sei, wie Christopher Grass in der erwähnten Zeitung treffend bemerkte.
 
Der Alphornbläser gab noch folgende Tipps: Wichtig ist die Körperhaltung (breitbeinig hinstellen), Lippen sollten nicht angespannt sein; das Wichtigste ist das richtige Luftholen (Lunge nicht aufblähen, Luft in den Bauchraum füllen) und das kräftige Blasen. Dann wird den Zuhörern noch geraten, sich nicht neben einem Vuvuzela-Bläser zu stellen, um seine Ohren zu schonen. Wie der Alphornbläser sagte, wird er eine Tröte mit nach Hause nehmen und dann bei Toren der Schweizer Nationalmannschaft kräftig hineinblasen.
 
Weitere Kuriositäten und Besonderheiten folgen.
 
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