Textatelier
BLOG vom: 20.06.2010

Fussball-WM (3): Schwarze Magie, Papstbilder, Ball Jabulani

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Siege sind nicht selbstverständlich, Siege muss man sich verdienen.“
(Felix Magath, Fussballtrainer von Schalke 04)
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„Vielleicht sollte man dem Schiedsrichter vom Spiel Deutschland gegen Serbien (0:1) mal klar machen, dass das Fussball und kein Golf ist“, sagte ein Fan gegenüber „Spiegel online“ nach dem Spiel. Der ungemein kleinlich pfeifende Schiedsrichter Alberto Undiano bestrafte unbarmherzig kleine Fouls mit Gelben Karten (7 an der Zahl) und einer Rot-Gelben-Karte für den deutschen Spieler Miroslav Klose. Mit 10 Mann hatten es die Deutschen dann schwer, die gute Abwehr der Serben zu überwinden. Jetzt wird der spanische Pfeifenmann „Schiri farbenfroh“ genannt. Der Schiedsrichter darf sich laut Fifa zu den Kritiken erst nach der WM äussern. Schweigen ist angesagt.
 
Viele der favorisierten Mannschaften bekleckerten sich in den bisherigen Vorrundenspielen nicht mit Ruhm. Es waren die Aussenseiter, die für Überraschungen sorgten.
 
Die 1. grosse Überraschung war der grandiose Auftaktsieg der Deutschen gegen Australien (4:0). Am nächsten Tag tönte die Bildzeitung in grossenwahnsinniger Art: „10 Punkte, warum wir Weltmeister werden“. Da musste ich kräftig lachen.
 
Die 2. grosse Überraschung war der Sieg der Schweizer gegen die hochfavorisierten Spanier (1:0). In 19 bisherigen Begegnungen war dies der 1. Sieg der Schweizer. Nach dem Schlusspfiff zog eine Welle der Begeisterung durch die Schweiz. Ein Schweizer, mit dem ich öfters in Kontakt bin, teilte mir in einer E-Mail am nächsten Tag mit, dass sich die Schweiz in einem Siegestaumel befinde. Auch hier gibt es Fans, die in ihrer grenzenlosen Euphorie schon den Weltmeistertitel einforderten.
 
Nach dem Auftaktsieg der Deutschen dachte ich mir: Abwarten, es kommen noch weitere schwere Spiele. Am Tag des Spiels gegen die Serben hatte ich schon ein ungutes Gefühl. Die Serben mussten nämlich gewinnen, um die Vorrunde zu überstehen. Aber es muss gesagt werden, dass die Deutschen unglaublich viel Pech hatten. So wurde ein Elfmeter durch Lukas Podolski verschossen, dann gab es 3 bis 5 Torchancen, die versiebt wurden.
 
Das ist eine alte Fussballer-Weisheit: Wenn es an einem Tag nicht klappt, dann kann man kein Spiel gewinnen. Dies erlebte ich schon früher bei Mannschaften der niederen Klassen. Da konnte eine Mannschaft die Überlegene sein, und dann passierte es, dass die passivere Mannschaft in der letzten Minute ein Tor schoss. Pech und Glück liegen hier eng beieinander. Man spricht dann von einem „gefühlten“ Sieg, wenn der Verlierer die bessere Mannschaft war.
 
Gründe für schlechte Spiele
Es ist interessant zu erfahren, mit welchen Ausreden die nicht weniger gut spielenden Mannschaften haben. Schuld sind meistens ganz andere und nicht die Spieler selbst. Ich werde jetzt einmal kurz auflisten, welche Gründe ins Spiel gebracht werden:
 
Fussball: „Ein Ball verbreitet Angst und Schrecken“, überschrieb am 17.06.2010 die „Badische Zeitung“ einen Artikel. Der neue, von der Firma Adidas entwickelte WM-Ball „Jabulani“ gefällt manchen Spielern nicht. Besonders die Engländer beurteilen den flatternden Hightech-Ball made in Germany als nicht besonders gut. Sie betonten, die Deutschen hätten hier einen Vorteil, weil sie schon seit Februar mit ihm spielen. Die Spieler der anderen Mannschaften trainieren aber auch schon seit Wochen oder Monaten mit diesem Ball. Es wird immer Kritik geübt, wenn ein neuer Ball ins Spiel gebracht wird.
 
Laut Adidas besteht der Ball „aus 8 hitzeverschweissten, sphärisch geformten 3-D-Panels“. Die früher glatte Oberfläche des Balls wurde mit kleinen Noppen aufgeraut. Der WM-Ball kann sich kaum verformen und soll die Flugbahn stabilisieren. Aber er flattert, wie Spieler berichten. Bisher hatten etliche Torhüter Schwierigkeiten, den Ball sicher zu fangen. Nach meiner Meinung fliegt der Ball weiter als von den Spielern beabsichtigt (der Ball geht bei Flanken schneller ins Aus oder überfliegt die Torauslinie, dafür kann der Torwart den Ball weit in die gegnerische Abwehr schlagen). Die aerodynamische Form des Balls wurde übrigens bei der Entwicklung im Windkanal getestet.
 
Schiedsrichter: Wie schon eingangs erwähnt, ist oft der Schiedsrichter an Niederlagen Schuld. In der Tat sind einige Schiedsrichter wegen des schnellen Spiels und anderer Unwägbarkeiten überfordert und treffen Fehlentscheidungen. Ich bin der Meinung, dass man bei wichtigen Spielen und strittigen Szenen den Videobeweis heranziehen sollte. Kritiker lehnen dies ab, weil sonst das Spiel zu lange unterbrochen würde. Gefordert wird auch ein 4. Schiedsrichter (neben dem Hauptschiedsrichter und den 2 Linienschiedsrichtern).
 
Kommen wir nochmals auf Äusserungen von Fans nach dem Spiel Deutschland gegen Serbien zurück. Es wurde sogar eine Facebook-Schmähseite „Ich hasse Alberto Undiano“ gegründet. Ein populärer Spruch lautete bei Facebook (Stichwort Undiano und Schiedsrichter): „Der Schiedsrichter ist auch nur ein Mensch – aber kein guter.“
 
Der frühere Nationalspieler Oliver Kahn, der im ZDF als Experte auftritt, sagte über die Leistung des Schiedsrichters dies: „Das ist ja Wahnsinn, wie schnell man heute Gelb gezeigt bekommt.“
 
Schuld hat die Freundin: In Spanien hat man nach der Niederlage gegen die Schweiz eine Ursache gefunden. Schuld soll Sara Carbonero, die Freundin vom Torwart Iker Casillas, sein. Die 25-jährige Sportmoderatorin, die für den Fernsehsender Tele Cinco zur schönsten Journalistin der Welt gewählt wurde, soll ihn abgelenkt haben. Die Schöne steht nämlich bei Spielen der Spanier immer nahe dem Spielfeld. Die Fans waren der Meinung, der Torwart würde mehr an die rassige Freundin denken als an Fussball. Die Kommentatorin ist übrigens die einzige Spielerfrau, welche die Mannschaft begleiten durfte. Die anderen Frauen mussten zu Hause bleiben (ebenfalls die holländischen Spielerfrauen, angeblich aus Sicherheitsgründen).
 
Die Engländer entschieden anders: Die sogenannten „WAG`S“ (Wives and Girlfriends) gehören zum Inventar der Mannschaft. Warten wir einmal ab, ob diese wegen der unbefriedigten Leistung der Engländer bald nach Hause geschickt werden.
 
Nationalkeeper Casillas sagte zu den Anschuldigungen: „Kann ich wirklich das Team destabilisieren? Das ist totaler Unsinn.“ Nun, nach dem Spiel kann er beruhigt an seine schöne Freundin denken.
 
Voodoo-Zauber und Papst-Bilder
Schwarze Magie oder Voodoo gehört in Afrika zur Fussballkultur. Solche Zaubereien sind unverzichtbar. Hier einige Beispiele: Priester schlachten vor einem Spiel Hühner oder Ziegen, bestreichen mit dem Blut die Torpfosten, um Bälle abzuwehren. Vergrabene Kröten sollen die gegnerischen Spieler schwächen. Auch gibt es diverse Zaubermittel, um die Muskeln zu stärken. Vor 8 Jahren wurde während des Afrika-Cups der damalige deutsche Trainer von Kamerun, Winfried Schäfer, festgenommen, da er angeblich einen Fetisch im Rasen vergraben hatte.
 
Die Fifa hat im Vorfeld der WM die Zaubermittel und Schwarze Magie verboten.
 
Auch die Brasilianer schwören auf Voodoo-Zauber, wie „Spiegel online“ am 16.06.2010 berichtete. Da die Brasilianer im Auftaktspiel gegen Nordkorea (2:1) enttäuschten, wollen die Fans Voodoo-Puppen einsetzen, um den eventuellen zukünftigen Gegner Argentinien zu schwächen. Dazu werden die Puppen mit argentinischen Trikots ausgestattet und zusammen mit 5 Nadeln für umgerechnet 4 Euro verkauft. Die Puppen sind ein Renner. „Setzen sie ihre Nadeln mit den besten Absichten“, steht auf der Gebrauchsanweisung im Set. Im Angebot sind auch Puppen mit den Trikots der deutschen, italienischen und französischen Mannschaft. Auch dem unbeliebten brasilianische Trainer Carlos Dunga ist eine Puppe gewidmet.
 
Auch bei uns gibt es diverse Zaubermittel. So verwenden manche Spieler Talismane und Amulette oder Trainer tragen bestimmte Schuhe, Krawatten, Jacketts, Pullis (so trug früher der Trainer Udo Latteck einen Strickpulli im Sommer) so lange, bis eine Niederlage den Zauber ein Ende setzt.
 
 Neven Subotic, Spieler bei Borussia Dortmund, vertraut auf die glückbringenden Armbänder, die er von seiner bosnischen Oma erhielt. Allerdings darf er die Armbänder nicht beim Spiel benutzen. Aber er trägt sie sonst Tag und Nacht. Und Torwart Norbert Nigbur, früher Schalke 04, trug ein Papstbild in der Tasche. Aber das Bild half nicht immer.
 
Es gab auch Trainer, die vor wichtigen Spielen Kerzen in der Kirche anzündeten und einen Sieg erbeten wollten. Manche Spieler wollen kein Trikot mit der Zahl 13 anziehen.
 
Michael Kulm, ehemaliger Trainer von Rot-Weiss Essen: „Ich habe zu meiner aktiven Zeit immer den linken Schuh zuerst angezogen, das mache ich heute noch so. Vielleicht ist das auch nur ein Automatismus, letztlich wissen wir doch, dass so etwas ein kompletter Quatsch ist.“ (Quelle: www.reviersport.de). Der Aberglaube (Glaube) versetzt Berge, wie man so sagt.
 
In meinem Heilpflanzenbuch „Arnika und Frauenwohl“ (Ipa-Verlag, Vaihingen 2002) erwähnte ich einen besonderen „Abwehrzauber“ beim SC Freiburg. Dort machte man sich den Knoblauch bei Heimspielen zunutze, platzierten doch Ordner Knoblauchzehen unter die Gästebank. Dieser Vorgang wurde per Kamera (SAT 1, SWF 3) schon vor Jahren festgehalten. Der Glaube an die abwehrende Kraft des Knoblauchs wurde ab und zu erschüttert, denn nicht immer verliess der SC siegreich den Platz. Heute hat wohl der Knoblauch ausgespielt.
 
„Mit päpstlichen Segen gegen die Serben“, titelte die „ Basler Zeitung“ (http://bazonline.ch). Klaus Eder, der Chefphysiotherapeut der Deutschen, brachte 30 von Papst Benedikt XVI. gesegnete Karten mit ins Quartier und verteilte sie. Die Karten wiesen Bilder vom Papst und Bibelweisheiten auf. Aber der päpstliche Segen kam nicht in Südafrika an. Er ging wohl irgendwo verloren, ebenso das Spiel.
 
Literatur
Becker, Oliver G.: „Voodoo im Strafraum: Fussball und Magie i n Afrika“, C. H. Beck Verlag, München 2010.
Francia, Luisa: „Ballzauber – Die Magie des Fussballs“, Nymphenburger Verlag, München 2006.
Hürter, Tobias: „Der Ball ist nicht rund!“, PM, Juni 2010.
Tolan, Metin: „So werden wir Weltmeister: Die Physik des Fussballspiels“, Piper Verlag, München 2010.
 
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