BLOG vom: 29.07.2010
Bergwelt Schauinsland: Pfad der Sinne und ein Waldgeist
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Kaum zu glauben: In vielen Gebieten des südlichen Schwarzwalds war ich schon unterwegs, aber noch nie auf dem Schauinsland, dem Freiburger Hausberg (1284 m ü. M.). Am 21.07.2010 war es soweit. Toni von Lörrach, Ewald von Schopfheim und ich fuhren über Todtnau und den „Notschrei“ zu einem Parkplatz in der Nähe des Hotels Halde. Dann ging es auf einem bequemen Weg leicht bergwärts. Unweit des erwähnten Hotels sah ich an einem alten Mast ein lustiges Schild mit einem Schweinchen. Es wurde auf dem 14 km langen Schauinsland-Rundweg (Gehzeit: 3,5 bis 4 Stunden) hingewiesen. Das liebe Vieh hatte eine Kaffeetasse in der Schnauze und auf dem Körper des Tieres stand „Kaffee-Vesperpfad“. Der Weg führt nach Angaben auf dem Hinweisschild über die Bergstation Schauinsland zum Zähringer Hof, Waldhotel am Notschrei, und zurück zum Hotel Halde.
Wir wollten an diesem Tag jedoch nicht den Kaffee-Vesperpfad bewältigen, sondern eine gemütlichere Tour, die nicht einmal 2,5 Stunden dauern sollte, angehen. Ab und zu gönnen wir uns eine bequeme Tour. Die etwas beschwerlichen „Fussmärsche“ sind Vergangenheit oder kommen noch auf uns zu.
Wir schlenderten also am Hotel Halde vorbei und gingen auf einem leicht ansteigenden Weg in Richtung Bergstation Schauinsland. Unterwegs hatten wir einen schönen Blick auf den Feldberg und die Ortschaft Hofsgrund (1056 m). Die Häuser von Hofsgrund hatten bis auf wenige eine graue Dachbedeckung. Nur 2 oder 3 Häuser fielen aus dem Rahmen, sie wiesen braune Dachplatten auf.
Auf dem „Pfad der Sinne“
Die Bergstation liessen wir links liegen und wanderten auf dem „Pfad der Sinne“ (Skulpturenpfad) weiter. Auf dem Weg sind verschiedene Holzskulpturen, die von regional und überregional wirkenden Künstlern anlässlich des „autofreien Sonntags am Schauinsland“ im September 2006 mit Motorsägen aus massiven Tannen- und Eichenstämmen herausgesägt wurden. Es sind originelle Skulpturen. Die eindrücklichste ist nach meinem Empfinden die Skulptur zwischen dem Schauinslandgipfel und dem Wegweiser „Kappler-Wand“ mit der Bezeichnung „360° Traumzeit“ von Thomas Rees aus Kappel. Man sieht nicht nur einen grossen Holzkopf, sondern beim näheren Hinschauen viele kleine mystische Gesichter in der Skulptur.
Die Skulptur wurde aus dem unteren Teil einer zirka 150 Jahre alten Weisstanne, die im Freiburger Stadtwald stand, geschaffen. Die Tanne begann im trockenen Sommer 2003 langsam zu vertrocknen und wurde dann 3 Jahre später gefällt. Der untere Stammteil war innen hohl und faul. Er beherbergt eine Vielzahl von Kleinlebewesen und einen Hornissenstaat.
Das Gewicht der Skulptur beträgt ohne Sockel 1 Tonne. Die Skulptur ist 360° drehbar. Als sich eine junge Wanderin im hinteren Teil der Skulptur in den Hohlraum zwängte – also dort, wo wahrscheinlich die Hornissen hausten – und ihr Freund sie fotografierte, wollte ich dasselbe tun. Ich zwängte meinen schlanken Körper hinein, liess aber vorsichtshalber die Beine und Arme heraushängen. Die mühsame Hineinzwängerei wurde fotografisch dokumentiert. Man stelle sich vor, ich wäre ganz hineingekrochen und nicht mehr herausgekommen. Dann hätte ich die grandiose Aussicht auf den Feldberg und den Notschrei im Südwesten und nach dem Drehen in die andere Richtung Freiburg, das Kappler Tal und den Feldbergturm (Nordwesten) länger geniessen können. Als ich Walter Hess dieses Foto sandte, schrieb er sehr freundlich: „Die Skulptur wurde angenehm angereichert, ergänzt.“
Kein Wunder, dass hier so mancher Mensch nach einer 360° Panoramasicht ins Schwärmen gerät. Thomas Rees hatte Recht, wenn er behauptete, dass seine Figur zum Träumen und Innehalten anregt. Auf einer Tafel neben der Figur las ich folgenden Spruch:
360 Grad Traumzeit – Zeit zum Träumen und DrehenIm Fühlen und ErforschenIm Inneren geborgen seinRaum, sich zu drehen, öffnen oder schützenzum Schauen und Geniessendie Zeit zu vergessenIm Innehalten und Träumen
Thomas Rees hat noch viele andere bemerkenswerte Skulpturen geschaffen. Am besten gefällt mir die Regenfrau aus Eichenholz. Schauen Sie unbedingt auf seiner Internet-Adresse nach. Sie werden überrascht sein von der Kreativität des Künstlers (www.thomas-rees-freiburg.de).
Turmbesteigung nicht möglich
Leider konnten wir den Schauinslandturm (Ernst-Kreidel-Turm; benannt nach dem früheren Oberbürgermeister von Freiburg) nicht besteigen, da Renovierungsarbeiten im Gange waren. Wir wären gerne die 85 Stufen auf den 21,75 m hohen Turm bis zur Aussichtsplattform emporgestiegen. Hier hätte uns ein fantastischer Rundblick über den Schwarzwald, das Rheintal, die Vogesen und bis zu den Alpen erwartet. An diesem Tag wäre der Blick jedoch etwas getrübt gewesen. Es war etwas diesig und die Fernsicht diesbezüglich nicht gut.
Wir schritten über den Grat, der sich zwischen dem Schauinslandgipfel und dem Sonnenobservatorium befindet, weiter. Auf dem Grat pfeift der Wind so richtig, wie mir gesagt wurde. Kein Wunder, dass hier die passende Figur, der Windbohrer von Thomas Rees, am 28.05.2008 aufgestellt wurde. Hier ruhten wir kurz auf einer Bank aus und blickten zufrieden auf das in der Ferne liegende Freiburg und das Kappler Tal.
Dann ging es weiter. Wir sahen 2 Frauen, die mit ihren speziellen Rechen Heidelbeeren sammelten. „Der Rechen ist verboten“, sagte Ewald zu einer Sammlerin. Die Worte beeindruckten sie nicht, denn sie sagte, dass sie das wisse. Die Ernte war wohl nicht so üppig, da sie zwar grosse Kübel dabei hatten, aber es waren wenige Beeren drin.
Dann erreichten wir das Sonnenobservatorium, das heute vom Kiepenheuer-Institut betrieben wird. Die eigentlichen Forschungen betreiben die Physiker des Instituts auf Teneriffa, wo die Beobachtungen der Sonne besser sind. Eine Infotafel mit Aufnahmen der Sonne am Eingang des Institutsgeländers brachte die Aufklärung. Leider war eine Besichtigung nicht möglich. Aber jeden Monat sind Führungen vorgesehen.
Dann ging es auf einem anderen Weg zurück zur Bergstation. Unterwegs sahen wir noch den „Geist des Waldes“. Es handelte sich um eine Holzskulptur des Künstlers Igor Loskutov. Der Forstwirt und ehemalige Hauptmann der sowjetischen Armee versuchte den mystischen Aspekt des Waldes Gestalt und Ausdruck zu geben. Die Skulptur wurde aus Teilen einer ca. 100 Jahre alten Stieleiche geschaffen.
Auf der Bergstation konnten wir nach einer kurzen Besichtigung zum Mahle schreiten. Ewald und ich assen einen Linseneintopf mit Wursteinlage für 4,90 Euro, während Toni einen Thunfischsalat verputzte.
Bergwerk, Denkmal, Bauernhausmuseum
Der Schauinsland und die Umgebung bieten für den Besucher interessante Ziele und für den Sportler ungeahnte Möglichkeiten. Nennen möchte ich nur einige: Bergwelt-Wanderungen, Halbtagstouren („Bergwelt Genuss- und Musse-Tour“, „Gipfel- und Panoramatour“) und Ganztagestouren („Bergwelt Kloster-Tour“, „Von Berg ins Tal“), „Bergwelt Nordic Walking“ und „Rolling“. Beim Rolling kann man mit einem Hightech-Roller und einer professionellen Schutzkleidung nach einer kurzen Sicherheitseinweisung 8 km ins Tal sausen. Es ist die längste Downhill-Rollerstrecke Europas.
An Sehenswürdigkeiten sind diese zu nennen: Engländerdenkmal, Museums-Bergwerk, Steinwasenpark, Bauernhausmuseum Schniederlihof. Das Museums-Bergwerk ist übrigens das grösste Silberbergwerk in Süddeutschland. In 800 Jahren auf der Suche nach Silber, Blei und Zink wurde der ganze Schauinslandberg durchgraben. Insgesamt sind 100 km Stollen auf 22 Etagen verteilt.
Noch ein Wort zum Engländerdenkmal. Dieses Denkmal erinnert an einen tragischen Vorfall am 17.04.1936. In diesem Jahr kamen 5 englische Schüler, die in einem Schneesturm die Orientierung verloren hatten, ums Leben. Die Jungs waren in einem Alter von 13 bis 15 Jahren. Auf dem Denkmal sind die Namen der erfrorenen Schüler eingraviert.
Noch einige Daten und Fakten zur Schauinslandbahn. Sie wurde 1930 als erste Grosskabinen-Umlaufseilbahn der Welt eröffnet. 1987/88 wurde sie zu Deutschlands erster schaffnerlosen automatischen Seilbahn mit Platz für mehr als 4 Personen/Kabine umgebaut. Heute ist die Seilbahn die längste Umlaufseilbahn Deutschlands.
Daten: Streckenlänge: 3600 m; Höhenunterschied: 746 m; 7 Stützen und 1 Spannstation; grösste Höhe zwischen Stütze 6 und 7: 67 m, Fördergeschwindigkeit: maximal 4 m pro Sekunde, Fahrzeit: 20 Minuten. Wer sich für die Technik interessiert, kann an Führungen teilnehmen.
Höchster Naturwasserfall
Nach der Stärkung in der Wirtschaft der Bergstation kehrten wir auf demselben Weg zurück. Auf der Rückfahrt besichtigten wir noch den Todtnauer Wasserfall, der als der höchste Naturwasserfall Deutschlands gilt. Das Wasser aus dem Stübenbach stürzt hier 97 m mit lautem Getöse in die Tiefe. An diesem Tag war das Rauschen wegen der nicht so grossen Wassermassen etwas gedämpft.
Jährlich kommen etwa 300 000 Besucher, um das einmalige Naturschauspiel zu bewundern. Der Todtnauer Wasserfall zählt zu den 10 schönsten Naturdenkmälern in Deutschland.
Seit 2005 gibt es direkt am Wasserfall 2 rot eingefärbte „Vitra-Design-Liegen“ und ein Fotobänkchen. Auf einer Tafel war dies u. a. zu lesen: „Die obere Liege eröffnet Ihnen die entspannte Sicht auf das fallende Wasser. Auf der unteren Liege können Sie durch die leichte Drehung Ihres Kopfes den Blick von den Baumkronen durch den Himmel zum Wasserfall gleiten lassen. Das ,Fotobänkchen’ eignet sich für tolle Schnappschüsse mit dem Wasserfall im Hintergrund.“
Eine originelle Idee, die wohl den meisten Menschen gefallen wird, obwohl die Liegen ja nicht in eine Naturlandschaft passen.
Es war ein interessanter Tag, der uns viele Eindrücke bescherte. Wir werden wiederkommen. Es gibt noch vieles zu erkunden und anzuschauen.
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