BLOG vom: 06.11.2010
Kuriose Speisenamen: Von Posaunentorte bis Frauennabel
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Ganz amüsant finde ich die oft skurrilen und amüsanten Speisenamen, die man in alten Rezeptbüchern, Speisekarten und Länder- und Stadtbeschreibungen findet. Dabei haben Klosterbrüder, Priester, Nonnen und die Damenwelt bei den Bezeichnungen die Nase vorn. Aber auch so manch ein „Besoffener“ kommt hier zu Ehren. Besonders erfindungsreich für skurrile Namensgebungen sind die Österreicher, die nicht nur für Speisen und Kaffee, sondern für ganz andere Dinge besondere Wortschöpfungen erfunden haben.
„Besoffener Wachauer“
Während unseres Urlaubes in der Wachau 2005 fühlte sich meine Frau zu einem „Besoffenen Wachauer“ hingezogen. Keine Angst, es war kein weinseliger Naturbursche aus der Wachau, der sich an Urlauberinnen heranmachte, sondern ein köstlich schmeckender warmer Nusskuchen mit würzigem Wein und Schlagobers (Schlagobers ist steif geschlagener Rahm). Gegen dieses „Fremdgehen“ hatte ich keine Einwände. Dafür hätte ich mich mit einem „Mohr im Hemd“ trösten können. Diese Nachspeise war mir völlig unbekannt. Eine Melker Kellnerin klärte mich auf: „Mohr im Hemd ist ein kleiner Gugelhupf mit Schlagobers drum herum.“
In Österreich wird der Nusskuchen, der in Glühwein getaucht wird, auch „Besoffener Kapuziner“ bezeichnet.
„Verlängerter“ oder „Brauner“
Es wäre allzu simpel, in Österreich einfach nur Kaffee zu bestellen, gibt es doch viele Variationen dieses Getränks. Der Gast kann unter einem kleinen oder grossen „Braunen“ (Kaffee mit wenig Milch erhellt), einer „Melange“ (mit aufgeschäumter Milch) und einem „Verlängerten“ (mit Wasser gestreckt) wählen. Es gibt auch einen „Einspänner“. Dies ist ein Kaffee mit einer Schlagobershaube; er wird in einem Glas serviert. In Wien ist auch ein „Fiaker“ zu haben. Beim „Fiaker“ kommt ein Schuss Rum in den Kaffee. Das Besondere: Zu jedem Kaffee wird ein Glas Wasser gereicht. Das ist sinnvoll und sollte Schule machen.
„Liebesböllchen“ und „Bubenspitzle“
Ein mittelbadischer Meisterkoch hat die Anlaufkrapfen in Weinschaumsosse „Liebesböllchen“ genannt. Er meinte, die Kavaliere der Prinzessin Maria Josepha von Österreich – spätere Frau des Markgrafen Ludwig Georg Simpert von Baden-Baden – hätten diese Böllchen vom Wiener Hof ins Badische gebracht. Deshalb werden sie auch „Kavaliersböllchen“ bezeichnet.
„Schupfnudeln“ heissen die etwa 5 cm langen und fingerdick geformten Nudeln aus Kartoffeln, Mehl und Eiern. Diese Nudeln werden in Franken „Bauchstecherle“, in einigen Teilen von Bayern „Ranzenstecher“ und in Baden „Buwespitzle“ bzw. „Bubenspitzle“ genannt. „So bleibt es jeder Köchin freundlichst überlassen, ihre Grösse und Dicke phantasievoll der Vorstellung oder der Erfahrung anzupassen“, so Georg Richter. Nun weiss ich, warum manchmal die in Wirtschaften servierten Schupfnudeln eine andere Dicke und Länge haben.
Spätzle und Knöpfle
Besonders die Schwäbin weiss mit Mehl vorzügliche, geschabte „Spätzle“ und „Knöpfle“ (ist auch eine Nudelspezialität) herzustellen. Dazu eine nette Anekdote: Als der pietistische Pfarrer Flattich zu Hofe weilte und wegen seiner nicht gepuderten Haare getadelt wurde, sagte dieser zum Herzog Karl Eugen: „I brauch mei Mehl zu den Knöpfle“
Eine Glocke im Freiburger Münster heisst nicht nur „Hosanna“, sondern auch „Knöpflisglock“. Dies hat folgende Bewandtnis: Nach dem Sechsuhrläuten am Freitag wusste die Hausfrau, dass es an der Zeit war, die Knöpfle zu machen und zwar fürs Wochenende. Es wurden nicht nur Knöpfle vorbereitet, sondern auch Apfelküchle, Kirschenplotzer oder einen trockenen Gugelhupf-„Dungili“. Dieser trockene Kuchen wurde gerne in den Kaffee getunkt.
„Blauer Zipfel“ und „Posaunentorte“
Ein „blauer Zipfel“ ist eine rohe Bratwurst, die in einem Sud aus Estragonessig, Karotten (Rüebli), Petersilie, Senf, Pfeffer, etwas Weisswein und mit viel Zwiebeln gegart wird. Es ist eine Spezialität aus der Taubenländer Küche.
Kürzlich wurde im Bekanntenkreis die Frage gestellt, was ein „Gerupfter“ ist. Ich hatte natürlich keine Ahnung. Es handelt sich hier um einen reifen Camembert, der mit Butter, Eigelb, feingehackter Zwiebel, Kümmel, Paprika, weissem Pfeffer und einem Schuss Weisswein angemacht ist. Dies ist ebenfalls eine Taubenländer Spezialität.
Unter einer „Posaunentorte“ könnte ich mir schon etwas vorstellen. Der Volkswitz bezeichnet damit den Zwiebelkuchen in Baden-Württemberg. Wer ihn einmal versucht hat, weiss, was hier gemeint ist. Er schmeckt zweimal, beim Essen und einige Stunden später erst recht (n. H. Heimberger).
„Allemande“ ist eine Fricassée-Sauce. Es handelt sich hier um eine weisse Tunke mit geriebenem Parmesan, Eigelb, Champignon und Petersilie.
„Schwabenkorn“ ist nicht ein spezieller Schnaps aus Schwaben, sondern die Bezeichnung für den Dinkel.
Manchmal servieren wir auch heute noch einen „Ofenchlupfer“. Das ist ein köstlicher Semmel-Apfel-Auflauf.
Priesterwürger und Nonnenfürzchen
„Strangolapreti“ sind schmackhafte Klösschen mit Spinat, altbackenem Weissbrot. Sie werden auch „Priesterwürger“ oder „Pfaffenwürger“ genannt. Der Name wurde so geboren: Im späten Mittelalter trieb der Klerus Pacht und Steuern oft in Form von Speisen ein. Ein besonders gefrässiger Priester bekam von einer Bauersfrau die Klösschen vorgesetzt. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten und frass darauflos, dass es eine wahre Freude war. Die Fresserei hatte jedoch ein jähes Ende: Der Priester verschluckte sich und erstickte jämmerlich.
Als „Nonnenfürzchen“ wird ein Brandteig-Schmalzgebäck bezeichnet. Im Mittelhochdeutschen hiess dieses zunächst „nunnenfurt“ („Von Nonnen gut zubereitet“). Später wurde daraus das „Nonnenfürzchen“.
Ebenfalls aus Brandteig wird ein „Frauennabel“ hergestellt. Die jeweilige Teigkugel bekommt durch das Eindrücken mittels Daumen eine Mulde („Nabel“). Nach dem Frittieren werden die Kugeln mit einer Mischung aus Zuckerkaramel und Rosenblütenwasser getränkt. Die Bällchen werden auf Walnusskernen gebettet und mit warmen Granatapfelkernen und Granatapfelsirup belegt.
„Auf jeden Fall aber sorgt die Verbindung von weiblichen Nabelformen, schmackigem Brandteig, Rosenblütenwasser und Granatapfel bei vielen Süsskramfreunden für mehr oder weniger sinnliche Assoziationen, mit denen das echte Leben natürlich nicht immer Schritt hält: Die Frauennabel werden mit den Fingern gegessen, was je nach Situation zu erotischen Momenten führen kann.“ Dies äusserte sehr treffend und sinnlich der Hobbykoch Peter Wagner in dem Bericht „Und zum Nachtisch einen Frauennabel, bitte“ in der Online-Ausgabe des Spiegels (31.10.2010).
„Pharisäer“ und „Tote Tante“
Das Getränk „Pharisäer“, das aus Kaffee mit Rum und einer Haube aus Schlagsahne besteht, soll auf der nordfriesischen Insel Nordstrand im 19. Jahrhundert erfunden worden sein. Zu jener Zeit amtierte dort der asketische Pastor Georg Bleyer. In seiner Gegenwart durfte nur Kaffee ohne Alkohol getrunken werden. Als das 6. oder 7. Kind des Bauern Peter Johannsen getauft wurde, ersannen die Friesen eine List und bereiteten das erwähnte Getränk vor. Die Sahneschicht sollte ja die Verdunstung des Alkohols verhindern und die Dämpfe nicht in die Nase des Pastors steigen. Der Pfarrer erhielt jedoch den Kaffee mit Sahne, aber ohne Alkohol.
Früher wurden Scheinheilige als Pharisäer bezeichnet, und schon hatten die Friesen einen passenden Namen für ihr Getränk. Erst kürzlich hörte ich diese Version von einer Kellnerin in einer Wirtschaft.
„Lumumba“ ist nach Patrice É. Lumumba (afrikanischer Politiker und 1. Ministerpräsident des unabhängigen Kongo) benannt und besteht aus Kakao mit einer Portion Rum und wird manchmal mit einer Schlagsahnehaube serviert. In Nordfriesland wird dieser Longdrink als „Tote Tante“ bezeichnet.
„Gnagi“ und „Choschtsuppe“
Walter Hess teilte mir in einer E-Mail am 31.10.2010 einige Bezeichnungen für Gerichte, die in der Schweiz üblich sind, mit:
Eine Schweinshaxe zum Nagen wird als „Gnagi“ bezeichnet. Eine Zürcher „Choschtsuppe“ ist eine Suppe, die wenig kostet und aus Gerste, weissen Bohnen, Kartoffeln und Gemüse besteht.
Wer auf einer Speiskarte die Bezeichnung „Unterwaldner Stunggis“ findet, der wird sich als Gast wundern: Es ist ein Eintopf aus Schweinefleisch, Gemüse und Kartoffeln.
„St. Galler Türggenribel“ lautet die Bezeichnung für Mais (auch Türkischer Weizen genannt).
Der „Zürcher Ratsherrentopf“ besteht nicht etwa aus dem zähen Fleisch von Ratsherren, sondern aus Filetschnitten vom Schwein, Kalb oder Rind und Innereien, Erbsen, Rüebli und Kartoffeln.
„Gebackene Mäuse“ und „Schenkeli“
„Gebackene Mäuse“ sind ausgebackene Nocken. Sie gehören in der Steiermark (Österreich) zum Fasching wie der Schnee zum Winter (www.coffeetalk.at).
„Schenkeli“ und verschieden gefüllte Krapfen gibt es in Schopfheims Bäckereien in der Fasnachtszeit zu kaufen. Schenkeli ist nämlich ein typisches Fasnachtsgebäck. Die Schenkeli werden in Basel auch „Maitlibai“ genannt (http://kochtopf.twoday.net).
Zur Geschichte der Krapfen ist zu sagen, dass bereits die Römer Globuli, kleine Teigbällchen, in Fett ausgebacken haben. Das kalorienreiche Gebäck futterten die Mönche im Mittelalter sehr gerne, damit sie gestärkt die Fastenzeit angehen konnten.
Die Wiener Bäckerin Cäcilia Krapf war ein temperamentvolles und resolutes Frauenzimmer. Eines Tages geriet sie mit ihrem Mann derart in Rage, dass sie einen Teigbollen nach ihm warf. Er verfehlte jedoch das Ziel, der Bollen landete in einem Topf mit heissem Schmalz. Und schon war der Krapfen wiedergeboren.
Internet
www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518.html (Bericht über skurrile Speisenamen; mit dem Rezept „Frauennabel“)
www.coffeetalk.at (Rezept „Gebackene Mäuse“)
http://kochtopf.twoday.net (Rezept „Schenkeli")
http://de.wikipedia.org/wiki/Pharisäer (mit Liste der Kaffeespezialitäten)
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