BLOG vom: 13.11.2010
René Gruau – seine schwungvoll illustrierten Dior-Düfte
Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
Trotz Windböen und Regen besuchten Lily und ich am 11. November 2010 die dem italienischen Illustrator René Gruau gewidmete Ausstellung im Somerset House beim „Strand“ in London. Ich mag mich erinnern, dass ich schon Anfang 1970, zwischen geschäftlichen Treffen, den Geschäftssitz von Christian Dior an der Avenue Montaigne in Paris aufgesucht hatte, um einige seiner Werbeillustrationen zu ergattern.
René Gruau (1909–2004) entwarf seine Werbeillustrationen vorwiegend für die Parfüme von Christian Dior, worunter die Marken „Miss Dior“, „Diorissimo“, „Dioressence“, „Diorella“ – und damit auch der Herr nicht zu kurz komme – „Eau Sauvage“ sowie „Jules“ sind. Die Zusammenarbeit mit seinem Freund Christian Dior begann 1947, als das Luxusparfüm „Miss Dior“ lanciert wurde. Nach dem Tod seines Freundes im Jahr 1957 wirkte er weiterhin für das Haus Dior, bis in die 1980er-Jahre.
Zu einer Zeit, als die stereotype Werbefotografie die Illustratoren verdrängte, gewann René Gruau das Augenmerk des Publikums dank seiner schwungvollen Illustrationen modischer Damen, die sich „Haute Couture“ und teure Parfüme leisten konnten. Seine Illustrationen erschienen in Modemagazinen, worunter „Femina“, „Marie Claire“, „Elle“ und „Vogue“. Sein Stil ist unverkennbar: sparsam und schwungvoll belebte Linien, kräftig in Gouache-Farben eingebettet. Seine Illustrationen sind mit einem schlichten stilisierten G unter dem Zeichen * signiert.
Dank ihm dauerte die „Belle Epoque“, fortlaufend dem Zeitwandel angepasst, an. „Bloss eine Linie?“ fragte er und fügte erklärend hinzu: „Aber sie (die Linie) ist die Basis aller Kunst. Mit einer einzigen Linie können wir das Erhabene (grandeur) und das Sensuelle erfassen. Die Linie wird zur Synthese der Gefühle und konzentriert das Wissen.“
Seine Illustrationen sind ein Bilderbogen der Lebensfreude, wie etwa jene von seiner „Diorella“ aus dem Jahr 1972, sprühend erhascht. Seine Beigaben von Blumen verbinden sich mit den Dior-Düften und ergänzen sie. Seine „Miss Dior“ aus dem Jahr 1960 trägt eine Rose in ihrer von langen, schwarzen Stoffärmel umhüllten Hand und bezeugt zugleich die Kraft der Linie.
René Gruau huldigte der Weiblichkeit, indem er sie kleidete. Seine Illustrationen vermeiden das Nackte und wirken deswegen sublim verführerisch auf den Betrachter seiner Werke. Dazwischen blinzelt René Gruaus Humor immer wieder schelmisch, doch unaufdringlich, durch.
Wer sind die Wegbereiter seiner Zeichenkunst? Der Ausstellungskatalog verweist auf Marcello Dudovich und Leonetto Cappiello. René Gruau spielte gern mit Arabesken. Er liess sich von japanischen Holzschnitten inspirieren, besonders von Utamaro und Hiroshige, und von Kabuki-Theaterszenen. In seiner Kunst beherrschte er die Sprache der Geste. Er hat sie wirklich erblickt und verstanden.
Vielleicht verlockt dieser kurze Exkurs den Leser und die Leserin zur Bilderschau aus René Gruaus Hand. Der Suchbegriff „rene gruau“ im Google eingegeben, erschliesst ihn, und ganz besonders auch die modebewusste Dame wird von seinem reichhaltigen Bilderschatz angetan sein.
Hinweis
Die Ausstellung „Dior Illustrated – René Gruau & the Line of Beauty“ dauert bis zum 9. Januar 2011.
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