Textatelier
BLOG vom: 03.04.2011

Aprilscherz-Krise: Schweizer Gipfelschrubber, Pastaernte

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Wenn man dem Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder glauben darf, befindet sich der Aprilscherz in einer Krise. Es sind nämlich immer weniger Menschen zur Ulknudelei bereit. Vielleicht sind wir alle von der Medienflut, die uns tagtäglich überfordert, so abgelenkt, dass man kaum noch an den 1. April denkt. Ein anderer Grund dürfte sein, dass viele Menschen nicht mehr persönlich miteinander kommunizieren, sondern digital.
 
Für einen guten Scherz ist eine Face-to-Face-Situation erforderlich, damit der Schabernacktreibende sehen kann, wie dem anderen die Kinnlade runterfällt,“, so Hirschfelder.
 
Unter Freunden oder Arbeitskollegen wird kaum noch einer in den April geschickt. Als ich anlässlich eines Stammtischtreffs mit ehemaligen und noch aktiv im Beruf stehenden Kollegen und Kolleginnen am 01.04.2011 im griechischen Lokal „Symposium“ in Lörrach D einige fragte, ob jemand heute einen anderen in den April geschickt habe, erfolgte ein klares „Nein“.
 
Nur in den Medien ist der 1. April ein Highlight. So werden immer wieder Scherz-Meldungen publiziert, die oft leicht zu durchschauen sind oder sie werden so raffiniert präsentiert, dass man denken muss: „Stimmen diese Meldungen oder nicht?“
 
Blicken wir einmal in den Regionalteil der „Badischen Zeitung“ vom 01.04.2011. Da wurde die Einweihung einer 36-Loch-Golfanlage am 1. April in der Rauschbachstrasse im Höhenort Gersbach (gehört zu Schopfheim D) angekündigt. Bei der Einweihung wären namhafte Golfgrössen und die politische Prominenz anwesend. „Am Event kann jeder teilnehmen, das Mitbringen von Golfausrüstung ist von Vorteil, jedoch nicht Bedingung.“
 
In der Vergangenheit kamen in der Tat etliche Personen zu solchen Events. Ob in Gersbach neugierige Bewohner auftauchten, wurde nicht bekannt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Hereingefallenen verschämt das Weite suchten.
 
Statisten wurden für einen Film über das „Öko-Bergdorf“ Raich im Kleinen Wiesental gesucht. Raich, das bisher als „schwarze Hochburg“ (CDU-Wähler) galt, wurde von einer grünen Welle überrollt. Es gab dort die meisten Wähler der „Grünen Partei“. Aus diesem Grund sollte die 300-Seelen-Gemeinde zum 1. „Öko-Bergdorf Deutschlands“ gekürt werden. Das Fernsehen wollte darüber eine Dokumentation mit Statisten machen. Die Leser wurden aufgefordert, um 18 Uhr im Rathaus zu erscheinen. Das Mitbringen und Schwingen von Bannern, Fähnchen und Wimpeln war erwünscht. Alle Statisten bekämen als Geschenk eine Sonnenblume und organischen Dünger, wurde versprochen.
 
In Wieden (Kreis Lörrach) sollte der Hausberg „Rollspitz“ zum Europäischen Kulturgut erklärt werden. Die Unesco habe so entschieden, hiess es. Grund hierfür seien seltene Tier- und Pflanzenarten, die dort heimisch sind. Genannt wurden die Alpenfledermaus und diverse Alpenpflanzen. Dort fühlen sich auch der Luchs und der Auerhahn wohl. Zur der Unterzeichnung waren namhafte Persönlichkeiten und die einheimische Bevölkerung eingeladen (bei guter Witterung in der Rollspitzhütte und bei Regen im Kulturraum Wieden).
 
Löschfahrzeug mit Güllewagen
Auf einem Foto war ein Feuerwehrfahrzeug der Gemeinde Hägelberg (Kreis Lörrach) mit einem angehängten gebrauchten Güllewagen abgebildet. Der Güllewagen sollte die Löschwasserversorgung verbessern. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Kauf aus der Kameradschaftskasse finanziert wurde. „Hägelberg besitzt somit als weltweit erster Ort ein Tanklöschfahrzeug TLF8/100 mit 10 000 Litern Wasservorrat“, war vollmundig zu lesen. Die Einweihung sollte am 1. April bewerkstelligt werden. Aber daraus wurde nichts.
 
Mein Enkel Manuele, der in der 4. Klasse der Grundschule in Tegernau ist, erzählte mir von einem gelungenen Aprilscherz: Zusammen mit einer Junglehrerin tauschte die 4. Klasse sämtliche Plätze mit Schülern der 2. Klasse. Als die Klassenlehrerin meines Enkels in den Klassenraum trat, sah sie ganz andere Gesichter. Sie bemerkte jedoch bald den Irrtum. Sie hatte also noch alle Sinne beisammen.
 
Rita Lorenzetti schrieb in dem Glanzpunkte-Artikel „Überall und jederzeit erreichbar“ dies: Noch weiter zurück geht das Telefonerlebnis meines Nachbarn. Als Sohn eines Bauern, auf dessen Hof schon früh ein Telefon installiert worden war, musste er oft Anwohner an den Apparat rufen, wenn eine dringende Mitteilung anstand. Damals konnte noch für 20 Rappen eine Stunde lang telefoniert werden. Die Wartezeit fiel also nicht ins Gewicht. Einmal, erzählt dieser Mann, habe ihm der Vater aufgetragen, sofort die Herren X, Y und Z ans Telefon zu holen. Keuchend habe er den Auftrag ausgeführt. Die Männer seien ebenfalls im Laufschritt eingetroffen. Dann habe sie der Vater begrüsst: „1. April! Aber jetzt nämed mer zämä eis." („Es war ein April-Scherz. Nun aber trinken wir zusammen einen Schluck.’") Walter Hess wusste auch einen Scherz von 2011: In der Schweiz wurde in einem Schulhaus ein Heizungstest auf 40 Grad C angekündigt. Die Kinder sollten am 01.04. unter leichten Kleidern Badekleider anziehen, damit sie sich dazwischen im Schwimmbad abkühlen könnten. Die Scherzerfinder liessen sich offenbar von der Energiediskussion inspirieren.
 
In meinem Blog „Rat zum Guten: Den 1. April musst überstehen…“ vom 01.04.2005 brachte ich schon etliche Aprilscherze, die wir selbst ausdachten oder wir von anderen Burschen zu hören bekamen. So schickten wir einen Labordiener (so etwas gab es früher noch), der sämtliche Chemikalien für uns aus dem Lager holte und sonstige Besorgungen machte, öfters in den April. Er musste zum Beispiel Atomkerne, Benzol- und Furanringe holen, dann sollte er aus dem Lager 1 kg Mondpulver besorgen. Nach einigen Scherzen hatte er genug. Er meldete sich am 1. April krank oder ging in Urlaub.
 
Wanderfreund und Nachbar Ewald erzählte mir, dass er einmal einen Lehrling beauftragte, kalten Wasserdampf in einem Beutel zu holen.
 
Aprilscherze aus aller Welt
In der „Badischen Zeitung“ vom 01.04.2011 entdeckte ich auf Seite 12 ein originelles Farbfoto. Da sassen 3 behelmte Schweizer – sie hatten blaue Anoraks und schwarze Hosen an – auf einer Bergspitze (sie hatten gerade noch Platz). Sie waren nicht mit Sturmgewehren aus dem Arsenal der Schweizer Armee oder aus dem heimischen Schrank bewaffnet, sondern mit je einem langstieligen Besen und Schrubber. An einem Gürtel hingen kleine Wurzelbürsten, Besen und anderes Reinigungsgerät. Die Bildunterschrift lautete: „Gipfelschrubber in den Schweizer Alpen. Ist das nun ein Aprilscherz oder sind die Schweizer tatsächlich so gründlich?“ Walter Hess wird uns das sicher beantworten. (Antwort W. H.: Wir sind leidenschaftliche Schrubber.)
 
In dieser und anderen Zeitungen wurden besonders ungewöhnliche Aprilscherze aus aller Welt vorgebracht. Hier einige Beispiele:
 
1957 berichtete die britische BBC von einer Schweizer Spaghettiernte. Pastabauern berichteten über eine gute Ernte nach einem milden Winter.
 
1987 gab eine norwegische Zeitung die Beschlagnahme von Schmuggelalkohol bekannt. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, den Alkohol zu probieren. Hunderte durstige Norweger kamen, um den Trank zu kosten.
 
Laut „Itar-Tass“ wurden im Baikalsee 10 Krokodile ausgesetzt, um die Artenvielfalt zu gewährleisten (Meldung 1999). 2 Jahre vorher hatte dieselbe russische Nachrichtenagentur von einem Krokodil an Bord der Mir berichtet. Das Krokodil war aus dem Ei geschlüpft und hatte sofort einen Kosmonauten gebissen.
 
Endlich hatte ein Wissenschaftler eine gute Idee in Sachen Klimaschutz. Wie die österreichische Nachrichtenagentur APA 2007 berichtete, gelang es einem Forscher, ein Verfahren zu entwickeln, um Indiens Kühe zu veranlassen, statt Methan das sich dabei bildende Kohlendioxid in die Atmosphäre zu stossen. Wie der Forscher erwähnte, sei dieses Verfahren nicht nur bei den furzenden Kühen, sondern auch auf den Menschen übertragbar. Leider war auch dies ein Aprilscherz!
 
In Deutschland konnte sich der Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg freuen. Er bekam eine neue Arbeitsstelle vom ZDF angeboten. Er könne als Gottschalk-Nachfolger die Sendung „Wetten, dass …?“ übernehmen. Bei solchen Sendungen braucht man keinen Doktortitel und keine Plagiate. Die sehr charmante Ehefrau Stephanie soll als Co-Moderatorin Michelle Hunziker ersetzen.
 
EU-Bürger können in Zukunft Strom sparen. Sie gehen ins Fitnessstudio und strampeln, um Strom zu erzeugen.
 
Seit Neuestem gibt es eine Partnersuche, bei der ein Foto der Ex-Freundin eingesandt werden soll. Es gibt ja immer wieder Männer, die nach einer Trennung, ähnlich aussehende Partnerinnen suchen.
 
Man kann also noch über solche erheiternden und skurrilen Aprilscherze schmunzeln. Warten wir mit Spannung auf den nächsten 1. April 2012.
 
Anmerkung: Wurden Sie auch schon in den April geschickt. Wir würden uns über Zuschriften sehr freuen.
 
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