Textatelier
BLOG vom: 16.02.2005

Überirdische und irdische Wesen

Autorin: Rita Lorenzetti

Der Zwischenfall geht mir immer noch nach. Letzte Woche bin ich, wie üblich, mit dem Velo aus dem Gartenweg herausgefahren, ein Stück weit auch auf dem Trottoir, ebenfalls üblich. Die Abfahrt zur Strasse hin will es so. Ich bin etwas schnell angefahren und habe einen Hund erschreckt. Er kam auf einem andern Gartenweg heran und aus dem toten Winkel heraus angerannt. Obwohl an der Leine, konnte er mich anspringen. Die Hundehalterin handelte beherzt. Sie riss den Hund zurück und versuchte auch noch, mein Velo vor dem Umfallen zu retten. Ich selbst sprang ab. Das Rad fiel zu Boden. Niemand kam zu Schaden.

Es war ein Ereignis von Sekunden und erst nach und nach begreifbar. Wir entschuldigten uns wortreich und freundlich.

Erst jetzt, wieder allein, reflektierte ich, was mit mir geschehen war. Nicht ich war vom Velo abgesprungen, sondern hingefallen und dann gehalten worden. Eine mir bis dahin unbekannte warme Kraft fing mich auf. Noch fühle ich, wie verhindert worden ist, dass ich auf dem Boden aufschlug. Ein Moment grosser Labilität kippte in Stabilität. Es ist schwer zu beschreiben. Es war ungewöhnlich für mich. Ich dachte an meinen Schutzengel.

Engel seien überall, erfuhren wir Ende 1999, als die Credit Suisse in ihrer Galerie am Hauptsitz in Zürich eine viel besuchte Kunstausstellung über diese zwar unsichtbaren, aber doch erfahrbaren Wesen zeigte. So funktioniert das. Eine eigene Erfahrung wird mit Bildern aus fernen Zeiten in Übereinstimmung gebracht.

Auch im Zürcher Bahnhofareal können wir diesen Wesen begegnen. Da ist einmal die betagte Frau, die seit Jahren alle Reisenden von ihrem Rollstuhl aus segnet. Sie findet Sinn in dieser sich selbst gestellten Aufgabe. Die Bahnverwaltung lässt sie gewähren. Weiter ist die Engelin von Niki de Saint Phalle als Verkörperung weiblicher Spiritualität nicht zu übersehen, und draussen über dem Seitenportal auf dem Dach halten 2 Engel je ein Zürcher Wappen in schützenden Händen.

Oft werden Menschen zu Engeln, wenn sie Mitmenschlichkeit leben und helfen, dass andere körperliches oder seelisches Gleichgewicht wieder finden. Engel gelten als „Architekten“ der Schöpfung, als Beschützer, Führer und Helfer der Geschöpfe, schreibt Wolf-Dieter Storl. Und die von Künstlern geschaffenen Engelsfiguren werte ich als Vermächtnisse von Erfahrungen, die weitergegeben werden wollen. Engel richten etwas oder verhindern etwas, was wir selbst nicht zustande brächten.

Gerne hätte ich meinen Engel gesehen und ihn gegrüsst. Meine knapp 3-jährige Enkelin Mena, in Paris lebend, wurde in der Vorweihnachtszeit im letzten Dezember erstmals auf eine Abbildung eines Engels aufmerksam. Sie fragte „Maiteli?“ (Mädchen?). Es wurde auf die Flügel verwiesen und ihr erklärt, das sei ein Engel. Mena reagierte sofort mit „Enchantée!“ (Es freut mich sehr!) So hätte ich ihn auch gerne angesprochen.

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