Textatelier
BLOG vom: 28.08.2011

Dinkelberg: Frisch gezapftes Bier und wandelnde Röslein

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Bei den hochsommerlichen Temperaturen (um 30 °C) und in Abwesenheit einiger Wanderfreunde entschlossen sich Ewald Greiner und meine Wenigkeit, von der höchsten Erhebung des Dinkelbergs, der Hohen Flum (535 m ü. M.), ausgehend, durch einen kühlen Wald in Richtung Adelhausen zu wandern und dann im „Biergärdle“ einzukehren.
 
Wir parkierten in der Nähe des Hotel-Restaurants „Hohe Flum“, wanderten am Aussichtsturm vorbei und legten eine kurze Strecke bergabwärts auf einem unbewaldeten Teil des Dinkelbergs zurück. Links des Wegs sind Obstplantagen mit vielen Kirschbäumen. Rechter Hand gediehen prächtige Streuobstbäume (Apfel- und Birnbäume). An einem Apfelbaum, an dem viele Früchte hingen, probierten wir je einen Apfel. Die Früchte waren leider noch nicht reif, sie schmeckten sauer. Wir Obstdiebe liessen dann die Finger von diesen und anderen Früchten.
 
Auf den abgemähten Wiesen sahen wir Heu liegen, das von einem Landwirt mittels Traktor und einem Anhänger mit einer Heupressvorrichtung rasch eingesammelt wurde. Die Ballenpresse warf die sauber verpackten Heuballen aus.
 
Da dachte ich an die mühsame Heuernte in den 1950er-Jahren zurück. Damals wohnte ich mit meinen Eltern und Geschwistern bei einem Bauern in Buchdorf (Bayern). Wir Kinder durften bei der Getreideernte und auch beim Heueinsammeln mithelfen. Das Heu wurde mit Heugabeln auf den Anhänger geworfen, zwischendurch immer wieder fest getrampelt und in ein Nebengebäude des Bauernhauses transportiert. Dort wurde das Heu mit einem einfachen Heugreifer auf die Tenne gebracht. Oft durften wir Kinder nach dem Festtrampeln auf dem Heuwagen mitfahren und später auch auf der Tenne herumtollen. Das war für uns ein schönes Erlebnis. Ich half kräftig mit, besonders dann, wenn die hübsche gleichaltrige Bauerntochter dabei war. Dann gab es eine lustige Tollerei. Wir waren damals im zarten Alter von 10 bis 12 Jahren.
 
Frisch gezapftes Bier
Nach diesen Gedankten wanderten wir durch den kühler wirkenden Wald und erreichten das „Biergärdle“, das von Stefanie Mayer bewirtschaftet wird (www.biergaerdle.de). Dieses wurde am 01.10.2005 eröffnet. Wir stramme Wanderer waren schon des Öfteren da gewesen und stillten unseren Durst und den Hunger. Der Biergarten wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei eingerichtet. Er ist 3000 m2 gross und in verschiedene Bereiche unterteilt. So gibt es herrliche Schattenplätze, einen Spielplatz für Kinder, einen Seerosenteich, mehrere Grillstellen, ein überdachtes Areal mit Sitzplätzen für etwa 80 Personen. Am Eingang fielen mir ein blau-weisser bayerischer „Baum“ mit Wimpeln und ein Pferdeparkplatz auf. Auch für die lieben Hunde wird gesorgt. Es gibt Wasser und für einen geringen Obolus Hundekuchen.
 
Wir setzten uns an einen Tisch unter einem Apfelbaum. Der Baum, deren Zweige waagrecht angeordnet waren und hunderte von Äpfeln trugen, spendete Schatten, nur ab und zu flog ein reifer oder wurmstichiger Apfel hernieder. Die Äpfel verfehlten unsere Häupter, so dass wir ohne Blessuren davonkamen. Das nächste Mal werde ich den Baum kräftig schütteln, damit die reifen Früchtchen schon vorher zur Erde fallen.
 
Wir tranken frisch gezapftes Bier und verspeisten Brotscheiben mit Schmalz. In kleinen Schälchen wurden Knoblauch und Schnittlauch gereicht. Auf dem Vesperbrett waren ausserdem Zwiebelringe drapiert. Alles schmeckte köstlich. Wir wollten dann noch ein Rettichbrot verzehren, waren aber bereits gesättigt. Beim nächsten Besuch werden wir einen Rettichteller bestellen.
 
Garten- und Botanikfreunde kommen hier auf ihre Kosten. Es gibt viele Sträucher, exotische Bäume, wie den Mammutbaum, Schnurbaum und Tulpenbaum, aber auch heimische Obstbäume. Bei einem Besuch vor 2 Wochen durften wir sogar die Brombeersträucher abernten. Frau Mayer gab uns einen leeren kleinen Kübel. Wir füllten diesen fast voll, dann durfte ich zu Hause einen Brombeerkuchen fabrizieren.
 
Wir genossen die Ruhe in diesem kleinen Paradies. Anschliessend konnten wir uns gestärkt auf den Rückweg machen.
 
Als wir aus dem Wald herauskamen, mussten wir ein steiles Stück unseres Wanderwegs erklimmen. Zum Glück entdeckten wir unterhalb der Hohen Flum einen Brunnen, aus dem kühles Wasser hervorsprudelte. Wir tauchten unsere Arme in das Wasser und wuschen unsere Gesichter ab. Eine herrliche Abkühlung. Auch ein hinzugekommener Fahrradfahrer, der gehörig schwitzte, erfrischte sich an diesem kühlen Nass.
 
Herrlicher Rundblick
Dann wanderten wir weiter hinauf zur Hohen Flum und bestiegen den 13,5 m hohen Aussichtsturm. Die 62 Stufen bewältigten wir ohne Mühe. Ewald, der die Stufen zählte, meinte scherzhaft, es seien nicht so viele Stufen wie zur Aussichtsplattform des Eiffelturms.
 
Hier oben bietet sich dem Beschauer ein herrlicher Rundblick (auf einer Seite wuchsen die Bäume höher als der viereckige Turm, und so konnten wir nicht in Richtung Hotzenwald blicken). Aber was wir hier oben sahen, war schon beeindruckend. Wir blickten auf das Dorf Wiechs (heute Ortsteil von Schopfheim), die Markgrafenstadt Schopfheim und das Wiesental. Aus der Ferne grüssten der Zeller Blauen, der Belchen und die Hohe Möhr zu uns herüber. Auf der anderen Seite sahen wir die Dörfer Nordschwaben, Adelhausen, das Rheintal, den Schweizer Jura und den 250 m hohen Fernsehturm St. Chrischona. Bei guter Fernsicht sind die mit ewigem Schnee bedeckten Alpen des Berner Oberlandes zu sehen. Leider war an diesem Tag die Fernsicht nicht optimal. Die hohen Berge waren im Dunst verschwunden.
Für die Instandhaltung des Turms ist übrigens die Ortsverwaltung Wiechs zuständig.
 
Wandelnde Röslein der Heimat
Ganz interessant ist die Geschichte des Turms. Dieser Turm wurde 1874 unter finanziellen Schwierigkeiten errichtet. Nur durch Spenden aus der Bevölkerung, der Gemeinden, des Schwarzwaldvereins und Freunden aus Basel konnte der Turm errichtet und später unterhalten werden. In den beiden Weltkriegen diente der Turm als Fliegerbeobachtungsstelle.
 
Die Turmbaukommission unter Leitung von Apotheker Fleiner aus Schopfheim gab vor dem Bau die vorläufigen Kosten bekannt. Er betrug 619 fl. 48 kr. (fl. = Florin = Gulden, kr. = Kreuzer; 1874 erfolgte die Umstellung auf Mark und Pfennig. 1 Gulden = 1 Mark, 71 Pfennige).
 
Wie in einer Ausgabe der Zeitung „Statthalter von Schopfheim“ nachzulesen ist, wurde der Grundstein am 7. Mai 1874 ins bereits einige Fuss (1 Fuss = 30 cm) hohe Mauerwerk eingefügt. Die Einweihung des Turmes fand dann am 8. und 9. August 1874 statt. Auf dem Programm standen ein Bezirks-Sängerfest und ein Preiskegeln. Es wurde sogar ein Feuerwerk abgebrannt. Ganz amüsant fand ich die Berichterstattung aus dieser Zeit in der erwähnten Zeitung. Hier ein Auszug:
 
„Zur einfachen Vorfeier am Samstag, wie zum Sänger- und Weihetag am Sonntag sind alle geladen, die Herz und Sinn für solche Feste haben. Wenn am Samstag mehr die ,Alten’, die Sonntags das Heim hüten müssen, teilnehmen, so wird am Sonntag die heitere Jugend, die rüstigere Männer- und Frauenwelt den hohen Festplatz beleben, und wir sind überzeugt, die wandelnden Röslein der Heimat, die sich hier finden, werden den schönen Alpenrosen an Lieblichkeit nicht nachstehen.“
 
Es war ein grosses Fest, es wurden viele Reden gehalten und viele Sprüche geboren. Am Eingang zu Schopfheim war dies zu lesen (früher gingen die Arbeiter ins Tal zum Arbeiten):
 
„In´s Tal zur Arbeit, zur Ruh´ auf den Berg,
Gehen am Sonntag bergauf wir, sonst bergab an das Werk.“
 
Und am Turm gegen Süden war dieser Spruch angebracht:
 
„Grad aus, so weit du siehst, ist Schweizerland,
das Volk mit uns durch Sinn und Sprach’ verwandt.“
 
Die Fakten zur Geschichte des Turmes konnte ich in der Schrift „Geschichte des Hohe-Flum-Turmes“ von Heinz G. Rotzler nachlesen. Zum Schluss seiner Ausführungen zitierte er einen Spruch, den Apotheker Fleiner am 4. Mai 1874 bei der Grundsteinlegung zum Besten gab:
 
„Friede den Staaten!
Freiheit den Völkern!
Frohsinn allen, die diese Höhe besuchen!“
 
Der genannte Dreizeiler kam mir bei der Besteigung des Turmes wieder in den Sinn. Dieser Spruch erfüllte sich leider nur teilweise, denn 40 Jahre später war der Frieden vorbei, und es begann ein brutaler Krieg, später folgte ein weiterer Vernichtungskrieg. Aber bei der Betrachtung der schönen friedfertigen Landschaft von der Höhe des Turms aus wurde ich wieder positiv gestimmt. Werden sich alle guten Wünsche des genannten Apothekers doch noch erfüllen?
 
Literatur
Rotzler, Heinz G.: „Geschichte des Hohe-Flum-Turmes“, Herausgeber: Museumsgesellschaft Schopfheim e.V., 1985.
 
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