Textatelier
BLOG vom: 21.09.2011

Finanzielles Fegefeuer: Der Ablasshandel wird wiederbelebt

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Der Ablasshandel, lange eine bedeutende Einnahmequelle des „Heiligen Stuhls“ (Vatikan), der Kurie und jenen Kirchenoberen, die auf Geld und Macht hockten und mit verklärtem Blick von „Unserer heiligen Armut“ palaverten, feiert gerade wieder seine fröhliche Auferstehung. Diesmal geschieht das im Bankwesen, womit aber nicht die Vatikanbank gemeint ist, welche die frommen Milliardenvermögen verwaltet. Die Rede ist hier vielmehr von der Credit Suisse (CS), die mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf D den folgenden Ablasshandel vereinbart hat: Die CS zahlt 150 Millionen Euro und kann dafür einen langwierigen Rechtsstreit vermeiden. Damit werden die Vermögensvorteile abgeschöpft, welche die Bank erzielt hat. Die Staatsanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Bank wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein.
 
Laut der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ging es um 1100 CS-Kunden und einen Betrag von rund 1,2 Milliarden Euro, die unversteuert in der Schweiz angelegt waren. Die Ermittler hatten laut „Financial Times Deutschland“ vom 19.09.2011 verdächtige sogenannte Cross-Border-Geschäfte untersucht. Vertrauliche Unterlagen legten den Verdacht nahe, dass Lebensversicherungen auf den Bermudas genutzt wurden, um darin unversteuertes Geld zu verstecken und so einen ordnungsgemässen Anschein zu erwecken. Für die Nachforschungen war eine CD mit Steuerdaten ausschlaggebend, Diebesgut, welches das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen 2010 zum Schnäppchenpreis von 2,5 Mio. Euro erworben hatte.
 
Schon im Frühling 2011 hatte die Bank Julius Bär 50 Mio. Euro bezahlt, damit die gegen die Bank und unbekannte Mitarbeiter wegen Steuerdelikten geführten Ermittlungen eingestellt werden. Auch die Liechtensteiner Fürstenbank LGT hat sich schon einmal freigekauft. Ganz gross ins Ablassgeschäft eingebunden sind natürlich die gottähnlichen, auserwählten USA, die gigantische Ablasssummen einfordern, wenn Andere in der Welt gegen irgendwelche Regeln verstossen, ohne sich selber daran zu halten, versteht sich (siehe Steueroasen). Wer nicht zahlt, wird mit Höllenstrafen belegt.
 
Der klassische Ablass (lateinisch: indulgentia), aus der Busspraxis des Frühchristentums entstanden, ist nach bewährter katholischer Lehre „der Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott, die jemand für solche Sünden, die zwar hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind, noch abzubüssen hätte“. Dabei konnte sich der Ablass auf noch Lebende wie auch auf Verstorbene erstrecken, denn ja auch von den Letzteren bzw. ihren Erben war doch noch einiges zu holen, mit dem der Kirchenschatz gemehrt werden konnte. Neben den Sünden wurden den Verstorbenen freundlicherweise auch die Reue und Beichte erlassen. Ein nettes Entgegenkommen.
 
Selbstverständlich wurde der Ablass auch auf das Fegefeuer ausgedehnt, das inzwischen abgeschafft ist und erloschen sein dürfte. Kein oberfauler Trick war den Kirchenvätern und deren Trabanten zu blöde und kriminell genug, um Ablassgeschäfte aufzuziehen. Die kurialen Einnahmequellen sprudelten, besonders als im Spätmittelalter auch noch die Unterscheidung zwischen dem Erlass einer Sünde und einer Strafe aufgeben wurde. Martin Luther polterte gegen das Ablassunwesen, das dann auf dem Tridentinum, dem grossen Konzil der Gegenreformation in Trient (1545‒1563), etwas revidiert wurde. Inzwischen spielt der Ablass in der katholischen Kirche nur noch eine geringe Rolle. Die Lage hat sich umgekehrt: Die Kirche musste für den Freikauf pädophiler Priester insbesondere in den USA Ablasszahlungen in der Höhe von Hunderten von Millionen USD leisten. So wurde der Ablasshandel sozusagen zum Bumerang.
 
Jedenfalls zeichnen sich ganz neue Geschäftsfelder ab: der Freikauf von Straftaten. Die Vereinigten Staaten, im Bestehlen des Auslands schon immer marktführend, spielen auch hier eine Pionierrolle. In diesem Bereich zeichnet sich jetzt, im Zeitalter der Desorientierung, des Zerfalls ethischer Massstäbe und Werte, auch eine Entlastung für die überfüllten Gefängnisse ab. Wer zahlen kann, soll nicht mehr absitzen müssen, sondern zahlen. Eine tolle Sache also. Leute mit krimineller Energie tun gut daran, sich zuerst einmal zu bereichern, wonach ihnen nicht mehr viel passieren kann, wenn die Ablasssummen nicht gerade US-Grössenordnungen erreichen.
 
So können wir heute die Ablass-Renaissance feiern, und das sportliche Motto „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“ muss man wieder entstauben. Den Devotionalienhandel mit dem US-amerikanischen Kulturschrott haben wir bereits. An der Wiederinbetriebnahme des Fegefeuers dürfte gearbeitet werden. Wer das Handwerk des Ausbeutens perfektioniert, ist der Grösste und wird dementsprechend gefeiert.
 
Übungsgelegenheiten liegen überall herum. Wir sind ja alle arme Sünder und darauf abgerichtet, ausgenommen zu werden.
 
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