Textatelier
BLOG vom: 24.09.2011

Verschiedene Denkarten, den Umständen angemessen

Autor: Emil Baschnonga, Schriftsteller und Aphoristiker, London
 
In diesem Essay skizziere ich, wie man Probleme oder Knacknüsse, abgestützt auf meine Erfahrungen, auf unterschiedlichen Denkschienen anpacken und lösen kann: sei es mit der Logik (folgerichtiges Denken), mit lateralem Denken (Querdenken) oder mit der emotionalen Intelligenz (gefühlbezogenes Denken). Diese Denkarten können sich auch vermischen.
 
Lateral gedacht
Beim Wort „Denkarten“ blitzt ein lateraler Gedanke auf, wie ich das Wort in „Denkkarten“ abändere. Was fällt mir dabei ein? Meine ich damit „Aide-mémoire“, also Gedankenstütze, Termine auf einer Karte notiert; könnte es ein “Spickzettel“ sein, den der Schüler während einer schriftlichen Prüfung heimlich zurate zieht? Die Hausfrau denkt dabei vielleicht an ihren Einkaufszettel.
 
Für mich ist etwa ein Wort, willkürlich aus dem Duden gewählt, der potenzielle Nährboden zu Aphorismen. Stichwörter flattern mir wie Herbstblätter zu – als Denkkarten der Jahreszeit. Ich erhasche sie. Ist mir damit ein Aphorismus gelungen? Anders gefragt: Ist mir die laterale Denkweise ein Steg zu kreativen Ansätzen?
 
Das Querdenken hat viele andere Anwendungsbereiche, nicht zuletzt auch im Geschäftsleben, wo querverbindende Findigkeit oder Inspiration ein neues Produkt schafft oder ein altes verbessert.
 
Zur Logik
Es wird den alten Griechen nachgesagt, dass sie die Logik entdeckt hätten. Die Logik aber bleibe bis auf den heutigen Tag vergessen …
 
Als jungverheiratetes Paar stellten sich meine Frau und ich die Frage: Sollen wir Kinder haben oder kinderlos bleiben? Ich arbeitete damals im SRI-Standford Research Institute und war mit der „Decision Analysis“ (Entscheidungsanalyse) einigermassen vertraut. Auf einem grossen Bogen Papier skizzierten wir das Pro und Kontra und kamen zum Schluss, dass es in der heutigen verworrenen Zeit besser sei, keine Nachkommen zu haben. Aber es kam ganz anders: 2 Söhne entsprossen unserer Ehe … Irgendwo hatte es einen Knacks in unserem folgerichtigen Denkprozess.
 
Emotional Intelligence (EI)
 
Daniel Goleman hat in seinem grundlegenden Buch „Emotional Intelligence – Why it can matter more than IQ“, 1995 von Bloomsbury veröffentlicht, überzeugend dargelegt, wie der heutige Mangel an EI viel Leiden und Unheil stiftet. In seinem Geleitwort hat er Aristoteles zitiert: „Anyone can become angry – that is easy. But to be angry with the right person, to the right degree, at the right time, for the right purpose and in the right way – this is not easy.“ (Jedermann kann vom Ärger befallen werden – das ist einfach. Doch den Ärger an die rechte Person zu wenden, zur rechten Zeit, mit dem richtigen Zweck und auf die rechte Art – das ist schwierig.)
 
Der heutige Mangel an Empathie (Einfühlungsvermögen) hat sich in den August-2011-Krawallen in London und anderen englischen Städten wieder einmal mit verheerenden Folgen erwiesen. Immer mehr Anfälle von Rage, sei es im Strassenverkehr, in Ehestreitigkeiten, die in Schlägereien ausarten, finden statt. Kinder und Frauen werden von Psychopathen misshandelt und vergewaltigt. Kinder, die in solch einer entarteten Umwelt aufwachsen, jenseits elterlicher Liebe und Fürsorge, sind für Verbrechen anfällig. Sie wissen nicht, was sie tun. Das ist ein gesellschaftliches Armutszeugnis, das sich vorwiegend in den angelsächsischen Ländern verheerend ausbreitet. Engere Familienbande, wie sie in Südeuropa vorherrschen – und auch Immigranten aus Indien eigen sind, bleibt ein Schutzmantel vor solchen blindwütigen Exzessen der Gewalt.
 
In seinem Buch unterstreicht Goleman die Vorteile der EI und wie sie Konflikte entschärfen kann und allgemein ein verträgliches Auskommen mit Mitmenschen sichert – und damit wird die Lebensqualität verbessert.
 
Wie kann der auf Abwegen geratenen Jugend aus benachteiligtem Milieu geholfen werden? Wieweit können Schulen in die Bresche springen, wo das Elternhaus jämmerlich versagt hat, und das EI im Curriculum (Lehrplan) verankern? Ansatzpunkte bestehen, doch die Verwirklichung hinkt arg nach: Der geschulte Lehrkörper fehlt mitsamt den dazu benötigten finanziellen Mitteln.
 
Nebst Extremfällen, von fehlendem EI geprägt, gibt es viele kleinere EI-Mängel. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich bloss mit einem halben Ohr zuhöre oder ein für mich langweiliges Gespräch unterbinde. Meine Anteilnahme schwindet. Meine Geduld platzt leicht. Wählt mich jemand zum Blitzableiters seines Ärgers , werde ich struppig. Das EI-Vermögen darf nicht schwinden, denn es ist unser erhaltenswertes Anlagevermögen des Herzens.
 
Eine Persönlichkeit entwickelt sich nicht aus einer hochgradigen Intelligenz allein – dazu braucht es unfehlbar auch eine gute Dosis von EI. Ein ungezügeltes Temperament muss gedrosselt, Wutanfälle gedämpft und gezügelt werden, bevor sie ausarten. Es gilt, das Zitat von Aristoteles zu beherzigen als der altruistische Kern von EI.
 
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