Textatelier
BLOG vom: 09.12.2011

Rüpelhaft, jovial: Die echten Neo-Neandertaler sind da

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Ich beginne mit dem begrüssenswerten und wissenschaftlich belegten Hinweis, dass in uns allen im Erbgut ein Bröcklein vom Neandertaler erhalten geblieben ist – manchmal sogar ein grosser Mocken (Brocken). Der Homo sapiens hat sich mit dem Neandertaler vermischt – und umgekehrt auch. Der echte Neandertaler hat zwischen 160 000 bis 24 000 Jahren vor unserer Zeitrechnung gelebt, vom Rheinland und Westfalen bis nach Südfrankreich, und breitete sich auch in östlicher Richtung, wie etwa nach Rumänien, aus. Er kann rechtens als erster Europäer gelten.
 
Was bis heute verschwiegen wird: Es gibt ihn noch, den echten Neandertaler, zwar nicht im Siebengebirge, sondern weiter weg, in einer stark zerklüfteten, unzugänglichen und dicht bewaldeten Berglandschaft. Das ist die 2. begrüssenswerte Nachricht.
 
Da die Mammute, Auerochsen und Wildpferde längst ausgestorben sind, ernähren sich die rund 40 überlebenden Neandertaler vorwiegend von Wildschweinen, Schafen und hin und hin und wieder von entlaufenen Kühen. Diese Neandertaler leben weiterhin in Höhlen, können Feuer entfachen und haben inzwischen Wolfshunde zur Treibjagd abgerichtet. Diese erjagen oder treiben ein verlorenes Schaf zur Klippe. Ein Neandertaler befördert es mit dem Wurfspeer in den Abgrund. Unten beim Wildfluss wird das Schaf von Sippenmitgliedern enthäutet und ausgebeinelt. Die Fleischmocken schleppen sie durch ein Höhlentunnel hoch. Das erklärt auch, weshalb die Neandertaler keine Bärenfelle mehr tragen, sondern sich in Schafspelze wickeln.
 
Zur Zeit der Neandertaler drangen hin und wieder Einwanderer aus der Steppe ins karg besiedelte Europa, Zigeuner oder Fahrende werden sie heute genannt, und sie vermischten sich mit den einheimischen Neandertalern. Das erklärt, weshalb ihre Nachfahren oft dunkelhaarig sind und eine braun getönte Haut haben.
 
Zur Anatomie des reinrassigen Homo neanderthalensis sei bemerkt, dass er eine massive Kinnlade und ausgeprägte Brauenwulste hatte. Sein Hirnschädel war grösser als der des Homo sapiens. Es wird den Neandertalern zugemutet, dass sie sprechen konnten.
*
Vor annähernd 40 Jahren fand ein Bauernpaar ein Neandertaler-Findelkind im Binsenkorb, der vom Fluss angeschwemmt. worden war. Es hatte keine Ahnung, dass es ein Neandertalerchen war, und wusste nicht einmal vom Hörensagen von der Existenz der Urbevölkerung. „Mekerle“ taufte das Paar seinen Findling, eingedeutscht „mein Kerlchen“. Er wuchs kräftig heran, pflügte bald das steinige Feld und übernahm schliesslich den Hof des alternden Paars. Mekerles Muskulatur beeindruckte die Mädchen in der Umgebung, und er fand bald seine Frau. Daraus entstand eine Nachkommenschaft mit einem hochgradigen Brocken seines Erbguts. Soweit der Tatsachenbericht.
*
Wie ist es um den heutigen dicknackigen Neo-Neandertaler bestellt, der sich so stark in unserer Gesellschaft vermehrt und breitmacht? Von kräftiger Statur trägt er seinen Dickschädel glatt rasiert. Sein Nacken ist wulstig und stiernackig. Er schleppt schwer an seinem mit Bier aufgeschwemmten Bauch. Hebt er sein Hemd, ist er hinten und vorne mit Tätowierungen übersprenkelt. So ein Mann stellt etwas vor und imponiert vielen Frauen. Hat er obendrein noch etwas Grütze im Kopf, erreicht er einflussreiche Posten in öffentlichen Ämtern. Das ist zum Glück selten der Fall. Auch hält er Hunde: bissige Pitbull Terriers. Diese Neo-Neandertaler können bisweilen jovial sein, auf ihre rüpelhafte Art. Ansonsten zeichnen sie sich durch grobschlächtige Manieren aus. Am besten geht man ihnen aus dem Weg.
 
Hinweis auf weitere Feuilletons von Emil Baschnonga
 
 
 
Hinweis auf weitere Blogs von Faber Elisabeth
Gebänderte Prachtlibelle
Neuntöter – ein Spießer unter den Vögeln
Schwarzblauer Ölkäfer oder Maiwurm
Marienkäfer als Mittel gegen Läuse
Der Kleiber – ein Hausbesetzer
Der Star in der Welt der Singvögel
Szenen aus dem Spatzenleben
Flatternde Farbenpracht
Erdmännchen wachsam und gesellig
Libellen – Die Kunst der Flugtechnik
Sumpf-Herzblatt, Lotusblume und ein fliegender Storch
Das Freiburger Münster aus meiner Sicht
Wunderschöne Aufnahmen von Pflanzen bei Frost
Tierbilder 2020: Ein durstiges Eichhörnchen, bedrohter Spatz
Wenn der Frost Pflanzen zauberhaft verwandelt