In England beginnt bereits das Gartenjahr
Autor: Emil Baschnonga
Der waschechte englische Freizeitgärtner verlässt im Februar seinen Polstersessel. Er hat die Kataloge studiert und seine Auswahl an Blumenzwiebeln, Rosenstöcken und Samen bestellt. Der Rasenmäher ist einsatzbereit und der Küchengarten umgespatet.
Hin und wieder packt mich ebenfalls eine Garten-Leidenschaft, nur fehlt es mir am Durchhaltewillen. Zwar habe ich das Birkenlaub mit dem alten Rechen zusammengescharrt. Das geschah fast so rasch wie mit den neuen ultralärmigen Maschinen, die das Laub durcheinander wirbeln. Aber dabei hat mich der Wind an trockenen Tagen unterstützt und das Laub einfach weggefegt. Jetzt kommen die Regenwürmer zum Zuge.
Der Engländer ist mit Recht stolz auf seinen Garten und pflegt und hegt ihn liebevoll. Er kennt seine Pflanzen beim lateinischen Namen, weiss, in welchem Boden sie am besten gedeihen und ob sie Sonne oder Halbschatten bevorzugen.
Der englische Rasen ist eine Augenweide. Das saftig grüne Gras ist vom Löwenzahn und den hartnäckig wuchernden Gänseblümchen befreit. Einem solchen Rasen wollte ich die rechte Seite meines Gartens vorbehalten. Daraus ist nichts geworden. Denn dieser Teil war ehemals ein Tennisplatz. Unter der dünnen Humusschicht ist fahlgrauer Koks. Die Kinder aus der Nachbarschaft spielten dort Fussball. Immerhin ist Moos auch ganz schön grün.
Die Gartenkunst ist der Mode unterworfen. Viele Rasen werden dieses Jahr zur wilden Sommerwiese hochspriessen: Ein Paradies für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Wird die bis vor kurzem als altmodisch eingestufte Hortensie dieses Jahr wieder aufblühen? Welche Sorten von Rosen dürfen dieses Jahr knospen? Wilde Heckenrosen, die arg kratzen, habe ich vorgestern Samstag von abgestorbenen Zweigen befreit. Ich konnte die Gartenhandschuhe nicht finden. Beide Hände sind jetzt voller Schrammen. Undank ist der Welten Lohn.
Der Engländer kennt 5 Gartenfeinde:
-- die grauen kanadischen Eichhörnchen, auch Baumratten genannt, die selbst für sie ungeniessbare Zwiebeln aus der Erde klauben. Sie haben ihre niedlichen einheimischen Geschwister vertrieben;
-- die gefrässigen Waldtauben. Sie fressen dem kleinen singfreudigen Gefieder alles vor dem Schnabel weg – und, was weitaus schlimmer ist – haben eine Vorliebe für essbares Gartengrün, besonders für Salate;
-- Schnecken sind die 3. wohlbekannte Plage;
-- Hinzu kommen Blattläuse ...
-- und schliesslich das Unkraut.
Zum Glück braucht es nicht mehr die Chemie, um diese Plagen einzudämmen. Drahtgeflechte schützen den Küchengarten vor den Raubzügen der Eichhörnchen und Tauben. Schnecken verschwinden auf Nimmerwiedersehen in den mit Bier angereicherten Konfitürengläsern. Zwischen Daumen und Zeigefinger lassen sich die Blattläuse abstreifen. Ich warte dieses Jahr auf einen Schwarm von Marienkäferchen, die mir dabei helfen werden. Den Kampf gegen das Unkraut habe ich mehr oder weniger aufgegeben. Ich vertreibe die üblen Sorten mit netteren, die ein blühendes Geflecht bilden.
Der Golfstrom sichert der grünen Insel ein gemässigtes Klima; gestern Sonntag, 6. Februar 2005, war es in vielen Gebieten Englands bis 7 °C warm. Deshalb haben sich viele Pflanzen aus wärmeren Gebieten hier eingebürgert. Weil sie keineswegs heikel sind, sind die „Cordylines“ aus Neuseeland und Australien in England sesshaft geworden. Eine davon ist neben meiner Haustüre hochgeschossen und hat eine riesige, mit weissen Beerchen übersprenkelte Blütendolde getrieben. Dort turnen die Rotkehlchen herum und finden immer etwas zum Picken.
In wenigen Wochen beginnen die Londoner Pärke aufzublühen. Der Blütenreigen beginnt mit den Hyazinthen und Osterglocken, gefolgt von Tulpen und Schwertlilien.
Wer den Londoner Gartenzauber ganzjährig erleben will, besuche die „Royal Botanic Gardens“ in Kew.
Wenn die schlauen Londoner Stadtfüchse (Blog vom 2. 2. 2005) auf den Strassen und in den Gärten nachtsüber mit heiserem Gebell ihre Liebesaffären betreiben, weiss ich, dass der Frühling bevorsteht.
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