Hirnrissige Streusalzorgien ohne Rücksicht auf Verluste
Autor: Walter Hess
Die Medien überquellen in diesem relativ winterlichen Winter vor lauter Wehklagen über den Streusalzmangel. Wenn die Schweizer Rheinsalinen Lieferengpässe haben, wie das zurzeit der Fall ist, wird beinahe der nationale Notstand ausgerufen. Kaum ein Journalist wagt es mehr, auf die gravierenden Schäden an Natur, Strassen, Bauwerken und Fahrzeugen durch die Salzerei hinzuweisen, seitdem einmal eine eingeschränkte (beschränkte) Studie ergeben hat, dass Streusalz dem Sand oder Splitt vorzuziehen sei, weil letztere die Kanalisationen verstopfen …
Jeder mittelmässig begabte Primarschüler weiss, dass das Natriumchlorid, das wir zum Kochen und in etwas weniger gereinigter Form zum winterlichen Streuen verwenden, eine ausserordentlich aggressive Substanz ist, die Strassen, Brücken, Gebäude aller Art anfrisst und in der Natur gewaltige Schäden anrichtet. Statt Schnee haben wir auf gesalzenen Strassen eine konzentrierte Kochsalzlösung, die von den Fahrzeugen herumgespritzt wird („Verkehrsgischt“), und auf trockenen Strassen bilden sich Salzstäube (Salz-Aerosole), die sich in weitem Umkreis verbreiten und breitwürfig Schäden anrichten. Nicht umsonst waren schon in der Alpenkonvention 1991 weniger kontaminierende Taumittel verlangt worden. Aber wahrscheinlich hat das auch nichts genützt. Man kann ja nicht alles lesen und gerade auch noch befolgen.
Das Salz schadet den Pflanzen gewaltig. Im Frühling treiben sie später aus. Das Salz, das sich in den Böden angesammelt hat und nicht ins Grundwasser ausgewaschen wurde, kann später bis ins Blattgewebe aufsteigen und die Blätter zum Braunwerden und zum Absterben veranlassen, den Trockenschäden ähnlich. Selbst ganze Äste können absterben; Kronen verlichten. Die Pflanzen serbeln, verlieren die Lebenskraft und werden schädlingsanfällig. Sie sterben wegen des gestörten Nährstoffhaushalts allmählich ab. Man wird solche Vorgänge im kommenden Sommer beobachten können, aber dies dann selbstverständlich nicht auf die vorangegangene exzessive Salzerei zurückführen – wir sind ja im Ursachendenken nicht eben geübt (siehe Krankheitswesen).
In den versalzenen Böden verschieben sich die Nährstoffverhältnisse. Das symbiotische Geflecht der Mykorrhizapilze an den Pflanzenwurzeln wird schwer geschädigt. Das Bodenleben wird selbstverständlich ebenfalls beeinträchtigt, mit allen Folgen. Der Boden übersäuert zusätzlich (den sauren Regen haben wir ja schon), und giftige Schwermetalle werden umso stärker mobilisiert. Selbstverständlich wird auch das Grundwasser mit Salz und davon beschleunigten Auswaschsubstanzen angereichert. Viele Tiere leiden wegen des Salzes an entzündeten Pfoten.
Dass die Autos allzu früh der Korrosion entgegengetrieben werden, ist wahrscheinlich aus Gründen der Arbeitsplatzerhaltung erwünscht, ebenso die Beschädigung von Verkehrsanlagen und Bauwerken. Die jeden Winter allein in der Schweiz ausgebrachten rund 80 000 bis 200 000 Tonnen Streusalz sind ein Geschäft für die Rheinsalinen und die Salzstreuer. Und am hoffnungslos veralteten Salzmonopol verdienen die Schweizer Kantone Millionen.
Das irrsinnige Salzen ist ein Bestandteil des Autokults. Es nimmt mich nur wunder, weshalb man denn die Autos mit Winterreifen ausrüsten muss. Gefährliche Strassen- und Trottoirstellen könnte man etwas sanden und die Fussgänger dazu aufrufen, Schuhe mit guten Profilsohlen zu tragen und bitte etwas vorsichtig zu sein, falls sie das nicht selber merken sollten.
Ich frage mich schon, was wir für Medien haben, die sich um solche Aspekte nicht kümmern. Ich bin erstaunt, dass die Landwirte mit Strassenanstoss sich nicht wehren. Ich wundere mich, dass die Autofahrer nicht merken, wie ihr Lieblingsspielzeug rostet. Und warum wehren sich eigentlich die Naturschützer nicht?
PS. Die Rheinsalinen bauen seit 2003 an einer Grosslagerhalle, die im Sommer 2005 fertig sein wird. Engpässe wie 1999, 2003 und heuer wird es in Zukunft anschliessend nicht mehr geben. Die Salzstreuer können ihre Dosieranlagen dann auf offen stellen.
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