Textatelier
BLOG vom: 05.04.2012

Hoher Ölpreis, Ursachen und staatliche Regulierungspläne

Autor: Martin Eitel, Wissenschaftspublizist, Berlin
 
Im Zusammenhang mit den vor Ostern 2012 wieder einmal gestiegenen Kraftstoffpreisen ist es üblich, dass fast alle – von den Autofahrern mit ihren Serviceclubs bis zu den Politikern – über die bösen Mineralölkonzerne schimpfen und diese für die hohen Kraftstoffpreise verantwortlich machen. Mit dieser einfachen und gängigen Schuldzuweisung soll ein Sündenbock in den Mittelpunkt gestellt und von der ganz erheblichen Mitverantwortung anderer Akteure abgelenkt werden. Mit solchem Populismus versuchen insbesondere deutsche Politiker vor Wahlen, sich wahltaktische Vorteile zu verschaffen. Österreich hat bekanntlich eine Regulierung der Kraftstoffpreise an den Tankstellen insoweit eingeführt, als es seit dem 01.01.2011 den Konzernen nicht mehr erlaubt ist, den Preis für Benzin öfter als einmal täglich nach oben zu setzen. Von 12 Uhr bis zum Folgetag gilt der einmal gesetzte Preis als Höchstpreis. Statthaft bleibt es, den Preis zu senken. In Australien müssen Preiserhöhungen im Gegensatz zur Regulierung in Österreich sogar 24 Stunden vor Inkrafttreten angekündigt werden. In Deutschland, wo in den nächsten Monaten diverse Landtagswahlen anstehen, haben die Länder die Bundesregierung aufgefordert, den drastischen Anstieg der Spritpreise zu regulieren.
 
Die erste Tatsache ist, dass es sich bei Benzin, Superbenzin und Dieselkraftstoff um homogene Güter handelt. Homogene Güter zeichnen sich dadurch aus, dass sie sachlich gleiche Güter sind, die völlig substituierbar sind im Gegensatz zu den heterogenen Gütern. Beispiele sind z. B. Salz, Zucker, aber auch Kraftstoffe mit gleicher Oktanzahl.
 
Zweite Tatsache ist, dass es sich bei der Anbieterstruktur auf dem Markt für derartige Kraftstoffe um ein Oligopol handelt. Als Oligopol (auch Angebotsoligopol) wird in der Mikroökonomik eine Marktform bezeichnet, bei der viele Nachfrager wenigen Anbietern gegenüberstehen. Bei solchen Oligopolen und Marktverhältnissen ist es äusserst schwierig zu beurteilen, ob gleiche Preise Folge eines vollkommenen Wettbewerbs sind oder Folge eines fehlenden Wettbewerbs. Denn bei homogenen und demgemäss völlig austauschbaren Gütern wird kein Konsument bereit sein, für das Produkt A einen höheren Preis als für das hinsichtlich der Produkteigenschaften gleichwertige Produkt B zu zahlen. Benzin und Superbenzin sind hierfür ein gutes Beispiel, weil die Mindest-Qualitätsanforderungen jeweils durch die Oktanzahl definiert sind. Unterschiede bestehen im Wesentlichen bezüglich sogenannter Additive, deren Nutzen weithin strittig bis unbewiesen ist. Insoweit sind Kraftstoffe für Kraftfahrzeuge substituierbar, soweit sie die jeweils für eine Kraftstoffsorte definierten Oktanzahlen aufweisen. Das Problem ist in der Praxis, dass der Markt für solche Produkte von zirka 5 grossen Anbietern dominiert wird und die freien Tankstellen zu wenig Wettbewerb für sie darstellen, weil der Marktanteil der freien Tankstellen in Deutschland aktuell knapp unter 10 % liegt. Zu bedenken ist allerdings, dass auch ein höherer Marktanteil der freien Tankstellen nicht zu einem wesentlich günstigeren Preisniveau an den Tankstellen für den Konsumenten führen wird, solange die freien Tankstellen sich den Sprit bei den grossen Mineralölkonzernen beschaffen müssen und sie den Mineralölkonzernen für die Lieferung gleich hohe Einkaufspreise zahlen müssen wie die eigenen konzernzugehörigen Zapfstellen.
 
Dritte Tatsache ist, dass der Markt für Kraftstoffe dadurch gekennzeichnet ist, dass die Mineralölkonzerne von der Erforschung von Rohstoff-Quellen bis zum Verkauf der fertigen Produkte an den Kunden an allen Verarbeitungsschritten beteiligt sind, so dass sie auch auf allen Verarbeitungsstufen wesentlichen Einfluss haben und Gewinne machen können. Solange keine vertikale Entflechtung stattfindet und die marktbeherrschenden Mineralölkonzerne auf den verschiedenen Marktstufen (z. B. Rohölgewinnung, Transport, Verarbeitung, Verkauf) gleichzeitig tätig werden können, wie es zur Zeit gängige Praxis ist, werden die freien Tankstellen keine realistische Möglichkeit haben, sich zu einem deutlich unter dem Abgabepreis der grossen Mineralölkonzerne liegenden Einkaufspreis mit Kraftstoffen zu versorgen. Und solange die Situation so ist, wird auch ein höherer Marktanteil freier Tankstellen nicht dazu führen, dass die Kraftstoffpreise für den Konsumenten durch Wettbewerb wesentlich sinken können. Denn das Limit wird – jedenfalls nach deutschem Recht – durch die Abgabepreise der grossen Gesellschaften vorgegeben, die die freien Tankstellen nicht gegenüber ihren konzerneigenen Tankstellen ungleich behandeln und keinen höheren Abgabepreis verlangen dürfen. Auch mehr Wettbewerb durch freie Tankstellen, also mehr Wettbewerb auf der Marktstufe des Verkaufs, wird daher allenfalls zu einem im einstelligen Cent-Bereich liegenden niedrigeren Kraftstoffpreis führen.
 
Abhilfe und ein wirklicher Wettbewerb könnten nur über eine vertikale Entflechtung herbeigeführt werden, also bei einem Verbot für die marktbeherrschenden Mineralölkonzerne, auf den verschiedenen Marktstufen gleichzeitig tätig zu werden. Nur dann könnte es überhaupt auf den verschiedenen Marktstufen zu einem echten Preiswettbewerb und damit sinkenden Preisen für den Endverbraucher kommen. Die Politik hat es jahrzehntelang durch unzureichende Regelungen des Kartell- und Wettbewerbsrechts versäumt, solche marktbeherrschenden Stellungen der Mineralölkonzerne und die vertikalen Verflechtungen mit ihren negativen Folgen für den Wettbewerb zu verhindern. Das im Nachhinein zu reparieren und wieder mehr Wettbewerb zu ermöglichen, ist schwer vorstellbar.
 
Vierte Tatsache ist, und diese wird in der aktuellen politischen Diskussion um die hohen Spritpreise gern unter den Tisch fallen gelassen, dass z. B. in Deutschland aktuell pro Liter Benzin festgeschriebene 65,5 Cent Mineralölsteuer fällig werden; zudem werden 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben. Bei einem Endverbraucherpreis von knapp unter 1,62 Euro sind das 25,8 Cent, zusammen also ein Steueranteil von 91,3 Cent Mineralöl- und Mehrwertsteuer, so dass rund 55 % des Tankstellen-Abgabepreises für Benzin weder an die Mineralölkonzerne noch den Tankstellenpächter, sondern in die Kasse des Finanzministers gelangen. Es ist daher populistische Volksverdummung durch die politische Klasse, die Mineralölkonzerne zu den alleinigen oder wesentlichen Preistreibern beim Spritpreis zu erklären.
 
Eine fünfte und weithin unbekannte und natürlich auch von den verantwortlichen Politikern verschwiegene Tatsache, der ganz wesentliche Bedeutung für den hohen Öl- und Spritpreis zukommt, ist, dass trotz der gestiegenen Ölnachfrage aus den Entwicklungsländern und insbesondere auch China bezogen auf den Goldpreis der Ölpreis in den letzten 40 Jahren überwiegend relativ stabil geblieben ist und dass vor allem die verantwortungslose Geld- und Währungspolitik seit den 1970er-Jahren für die hohen Öl- und Spritpreise ganz entscheidend sind. Studien von Finanzanalysten im Auftrag der Bank of America / Merrill Lynch und der österreichischen Erste Group Bank AG haben gezeigt, dass die Spritpreiserhöhungen zu einem ganz überwiegenden Teil durch die unsinnige und völlig verantwortungslose Betätigung der Gelddruckmaschine durch die Notenbankbürokraten, insbesondere bei der US-FED (Ben Shalom Bernanke) und der EZB (Mario Draghi) bestimmt wurden und werden und einen direkten Zusammenhang mit dem Kaufkraftverlust des US-$ aufweisen.
 
Ausgangspunkt für diese verhängnisvolle Entwicklung war die Aufgabe der Goldbindung des US-$ im Jahr 1971 durch Richard Nixon, der seinen wahnsinnigen Vietnamkrieg durch die Notenpresse finanzieren musste, und der massive Wert- bzw. Kaufkraftverlust des US-$ seit diesem Zeitpunkt. Der Ölpreis ist bekanntlich insoweit an den US-$ gekoppelt, als die Ölverkäufe insbesondere aus dem Nahen Osten ganz überwiegend nach wie vor noch in US-$ abgewickelt werden.
 
Entscheidend für den Anstieg des Ölpreises ist also weniger die steigende Nachfrage, sondern schlichtweg der Umstand, dass insbesondere seit 1971 weltweit kontinuierlich mehr und mehr Papier- bzw. digitales Geld in Umlauf gebracht wurde. Lag der durchschnittliche inflationsbereinigte Ölpreis im Rahmen des Bretton-Woods-Abkommens noch bei US-$ 6,1 je Barrel, so stieg er nach Abkehr vom Gold rapide an. Seit Ende der letzten Goldbindung des US-Dollars kostet ein Barrel Öl inflationsbereinigt im Schnitt US-$ 20,6.
 
Auch die aktuelle Überschwemmung der Märkte mit Billionen an US-$ und EUR kommt überwiegend Banken und Hedgefonds für Spekulationen zugute und hat die Tendenz, eine Rohstoff-Blase zu fördern. Die Spekulation mit Öl gehört zu dieser Entwicklung.
 
Das alles versuchen die verantwortlichen verantwortungslosen Politiker und die Notenbankbürokraten zu vertuschen und die Ölkonzerne als die allein Verantwortlichen hinzustellen. Der Iran-Konflikt oder die Abzocke der Ölkonzerne legen vielleicht noch eine Schippe drauf, der grösste Teil des Anstiegs geht aber, wie unabhängige Kommentatoren zutreffend hervorheben, auf das hemmungslose Gelddrucken der Notenbanken zurück.
 
 
Quellenangaben
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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