Textatelier
BLOG vom: 07.04.2012

Im Elsass: Von Ferrette zu Burgruinen und zur Zwergenhöhle

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Bei herrlichem Frühlingswetter fuhren wir am 28.03.2012 zu Viert nach Ferrette im elsässischen Département Haut-Rhin. Im Deutschen heisst der jüngere Ort Pfirt und der ältere Teil von Ferrette Alt-Pfirt. Das hübsche und charmante Städtchen war früher der alte Hauptort des Sundgaus.
 
Das malerische Städtchen wird von 2 Burgruinen überragt. Die ältere Oberburg stammt aus dem 12. Jahrhundert; die Unterburg aus dem 15. Jahrhundert. Die ältere Anlage war früher die Stammburg der Grafen von Pfirt oder Ferrette; später kam sie durch Heirat an die Habsburger (1324). Daraufhin gingen die Burgen an Ludwig XIV. und an Kardinal Mazarin. Dann regierte das Haus Grimaldi aus Monaco über die Anlage. Noch heute nennen sich die Fürsten von Monaco „Grafen von Pfirt“. Das war mir vor unserer Exkursion unbekannt. 2006 war Albert II. von Monaco in Ferrette zu Gast. Er musste sich ja über seine Besitztümer informieren. Auch Otto von Habsburg tauchte hier ab und zu als Gast auf.
 
Die Oberburg wurde während des Dreissigjährigen Kriegs durch die Schweden zerstört. Die Unterburg wurde 1789 im Zuge der Französischen Revolution von revoltierenden Bauern niedergebrannt. Dann war Schluss mit einer weiteren Zerstörung.
 
Wir waren diesmal sehr gespannt auf diese für uns neue Wanderung, zumal unser Wanderführer Toni von Lörrach uns interessante Höhepunkte versprochen hatte. Toni parkierte auf einem grossen Parkplatz unterhalb der Gendarmeriekasernen nahe dem Ortsende von Ferrette. Dieses Ferrette mit seinen 873 Einwohnern (01.01.2009) ist ein idealer Ausgangspunkt für herrliche Wanderungen im elsässischen Jura.
 
Zuvor fuhren wir durch die kleine Gemeinde. Dabei fielen mir etliche im typischen Sundgauer Fachwerkstil erbaute Häuser und die teilweise gotische Kirche Saint-Bernard de Menthon aus dem 13./14. Jahrhundert auf. Im Inneren der einschiffigen Kirche befindet sich eine Madonna mit einem dreiarmigen Jesuskind. Je nach Betrachtungsweise sieht man jeweils nur 2 der 3 Arme. Die beeindruckende Skulptur wurde 1902 als Monument historique eingestuft.
 
Ungewöhnlich ist das ochsenblutrote überdimensionierte Renaissance-Rathaus (Hotel de Ville). Es stammt aus dem Jahr 1570. Auch dieses Gebäude wurde als Monument historique eingestuft (1996).
 
Miss France 2012 sorgte für Diskussionsstoff
Für solche Höhepunkte hatten wir aus Zeitgründen kein Faible. Wir wanderten nicht vom Parkplatz Ortsmitte bei der Kirche, sondern, vom erwähnten Parkplatz unterhalb der Gendarmeriekasernen ausgehend, in Richtung der Burgruinen. Wir schlenderten durch das untere Tor, das an einer Ecke lädiert war. Der Putz bröckelte wohl schon vor einiger Zeit ab. Dann ging es entlang einer Kalksteinmauer durch das obere Tor zur Unterburg. Links vom Tor ragte der efeubewachsene mächtige Rundturm in die Höhe. Ein breiter, etwas steiniger Weg führte uns dann zur Oberburg.
 
Auf der Aussichtsterrasse genossen wir den schönen Blick auf Ferrette. Hier oben kamen wir mit einer etwa 30-jährigen Elsässerin ins Gespräch, die von ihrem 5-jährigen Sohn begleitet wurde. Sie sprach den schönen Elsässer Dialekt, der nur noch von jedem 3. Elsässer (also etwa von 600 000 Personen) gesprochen wird. Je jünger die Altersgruppe ist, desto geringer der Anteil der Dialekt-Sprecher. Der elsässische Verein ABCM-Zweisprachigkeit weist immer wieder daraufhin, dass die Zweisprachigkeit für das Wirtschaftsleben wichtig ist (in Deutschland und der Schweiz arbeiten viele Elsässer). Ich sprach die Elsässerin auf die Diskussionen an, die Miss France 2012 auslöste. Die hübsche Elsässerin Delphine Wespiser wurde nämlich von Journalisten immer wieder aufgefordert, doch im regionalen Dialekt zu plaudern. Das war natürliche ein Fauxpas für machen Franzosen, da der Dialekt zu deutsch klingt. Es gab jedoch auch positive Reaktionen aus ganz Frankreich.
 
Meine Gesprächspartnerin auf der Aussichtsterrasse sagte, sie verstehe den Rummel um die Miss nicht. Sogar in ihrem Geburtsort werde herumdiskutiert. Das ist ihr unbegreiflich, zumal die Ausgezeichnete sich schon vorher meistens in der Regionalsprache unterhielt. Persönlich finde ich das super, dass sich die Miss France 2012 zu ihrem Dialekt bekannt hat.
 
Elsässisch ist heute die in Frankreich am häufigsten gesprochene Regionalsprache. Der Dialekt geht übrigens auf die alemannischen Mundarten zurück.
 
Nach dieser Abschweifung komme ich wieder auf die Wanderung zurück. Die Wanderstrecke hat kurze steile Felsenwege, schmale Pfade und ist durchgehend markiert (roter Punkt, blauer Punkt, gelbes Rechteck).
 
Von der Oberburg wanderten wir auf steinigen Pfaden und an typischen Kalksteinfelsen zur Heidefluh (639 m). Dann frequentierten wir den Erdwibelefelsen. Von hier aus hatten wir einen schönen Blick auf die in der Rheinebene verstreuten Dörfer und auf die Schwarzwaldberge.
 
Dann kamen die Höhepunkte der Wanderung ins Blickfeld: Die Wolfsschlucht und die Grotte des Nains (Erdwibele- bzw. Zwergenhöhle). Die Wolfsschlucht ist eine schmale Juraklamm und nicht zu lang. Vorsichtig gingen wir über Stufen hinunter und erreichten am Ende der Schlucht die genannte Höhle. Neugierig, wie ich bin, wagte ich mich in die Höhle hinein. Nach einigen Schritten machte der Gang einen Bogen nach rechts, und ich konnte wegen der Dunkelheit nichts mehr erkennen. Nach einer Kehrwendung meinerseits fand ich den Weg wieder in die Helligkeit zurück. Leider hatte ich keine Taschenlampe dabei, sonst wäre ich sicher weiter hineingegangen. Ein Wanderfreund, der ebenfalls zu den Schlankeren gehört, wagte sich auch hinein. Zum Glück blieben wir nicht stecken.
 
Dabei kam mir eine amüsante Geschichte in den Sinn, die einst ein Führer durch das Museumsbergwerk Schauinsland im Freiburger Hausberg von sich gab. An besonders engen Stellen kann man nur seitlich weitergehen. Dabei kam es schon einmal vor, dass dicke US-Touristen in den engen Gängen steckengeblieben sind. Diese Geschichte wurde in der „Badischen Zeitung“ am 30.03.2012 publiziert.
 
Die Sage von den Erdwibele
Toni erzählte uns schon vorher von der Sage der Erdwibele bzw. von den Zwergen. In der genannten Höhle hausten früher die Erdwibele, die mit den Menschen der umliegenden Ortschaften ein gutes Verhältnis hatten. Männlein und Weiblein halfen den Dorfbewohnern bei der Ernte, machten Geschenke und feierten ihre Feste. Dann siegte die weibliche Neugier. Fürwitzige Mädchen wollten unbedingt wissen, welche Füsse die kleinen Helfer hatten. Die Beine und Füsse waren nämlich unter einer langen Kleidung versteckt. Das junge Wibervolk streute eines Tages Sand vor die Höhle und verbarg sich im Gebüsch. Die Mädchen inspizierten die Fussabdrücke und waren überrascht, dass sie keine normalen menschlichen Fussabdrücke, sondern solche von Geissfüssen sahen. Die Mädchen verrieten sich durch lautes Lachen. Die Zwerge waren so traurig und enttäuscht, dass sie in ihrer Höhle verschwanden und nie mehr gesehen wurden.
 
Nach diesem Abstecher in die Wolfsschlucht kehrten wir wieder nach Ferrette zurück. Es war eine sehr interessante und ungewöhnliche Tour, die man nicht so leicht vergisst. Unser Wanderführer Toni hatte wieder eine grossartige Idee zu einer Wanderung verwirklicht.
 
Unsere Schlusseinkehr machten wir dann im „Salamis Markgräfler Hof“ in Lörrach-Stetten. Dort konnten wir uns mit einem zünftigen Vesper stärken und das Erlebte Revue passieren lassen.
 
Internet
 
Literatur
Mariotte, Ruth und Anne: „Wandern in Elsass und Vogesen“, DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2010.
Tilz, Barbara und Jörg-Thomas: „Elsass“ (Oberrhein, Elsässer Weinstrasse, Sundgau, 50 Touren), Rother Wanderführer, Bergverlag Rother GmbH, München 2009.
 
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