„Redwood“ heisst Amgen, und Biogen krankt an Tysabri
Autor: Walter Hess
Die bisherige Ausgangslage, zur Klärung des Titel-Kauderwelschs: Auf einem freien, fruchtbaren Feld in Galmiz im schweizerischen Kanton Freiburg will eine unbekannte Firma eine Fabrik für 1200 Personen bauen, obschon es auch in diesem Kanton einen Mangel an Fruchtfolgeflächen gibt. Der Freiburger Staatsrat hat die bundesrechtswidrige Umzonung dennoch bereits 2004 eilig beschlossen, ein Skandal: Erstens würde die Überbauung dieses Areals alle weiteren raumplanerischen Bemühungen illusorisch machen, und zweitens weckt eine Firma, die ihren Namen nicht nennen darf, Misstrauen.
Doch nun hat der „Tages-Anzeiger“ soeben herausgefunden, dass es der US-Multi Amgen ist, der sich bisher unter dem heimeligen Decknamen „Redwood“ (Rotholz) versteckt hat. Amgen ist das weltweit grösste Biotechunternehmen der Welt.
1200 zusätzliche Arbeitsplätze, wie sie die Amgen schaffen will, wären überall in der Schweiz willkommen. Doch müsste deren Einrichtung nicht unbedingt auf freiem Feld erfolgen und nicht unbedingt gegen den raumplanerischen Grundsatz der Konzentration verstossen. Mit der Konzentration der Bauwerke soll eine masslose Zersiedlung der Landschaft verhindert werden. Es gibt in der Schweiz vollständig erschlossene Industriebrachen genug, wo man ohne Kulturlandverluste und Landschaftsschäden eine neue Fabrik sehr wohl bauen könnte.
Nun aber haben US-amerikanische Unternehmen wie auch die US-Politik besondere Rechte; sie brauchen sich nicht an Gesetze zu halten, wie die Erfahrung lehrt. Wenn das anders wäre, hätten die Behörden der Amgen sofort klar gemacht, dass eine Umzonung in Galmiz nicht in Frage kommen kann, weil sie im Gegensatz zum Richtplan stünde, den der Bundesrat (vor dem „Redwood“-Auftauchen) höchstpersönlich genehmigt hat. Stattdessen wird bereits hofiert. Laut der TA-Meldung vom 1. März 2005 („Deiss: Gespräche mit Amgen“) soll der aus dem Kanton Freiburg stammende Bundesrat Joseph Deiss, Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, mit dem Biotechkonzern bereits Gespräche über Steuererleichterungen geführt haben … ausgerechnet. Zur Diskussion für den Fabrikbau stehen auch noch Yverdon, Payerne und Standorte in Irland und Singapur.
Der verdiente Landschaftsschützer Hans Weiss schrieb in der „NZZ“ vom 17. Februar 2005 mit Hinweis auf die Bundesverfassung (Artikel 75) und Raumplanungsgesetz (Artikel 1), die haushälterische Nutzung des Bodens, die Schonung der Landschaft und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen müssten in der dicht bevölkerten Schweiz erreicht werden. Ein einsamer Rufer.
Der Umweltschutz ist unter US-Vorgaben zurzeit in Auflösung begriffen. Die Wirtschaft ist der dominante Faktor. Die Politik hat in der globalisierten Welt noch Handlangerdienste zu leisten und das Feld zu bereiten, Vorschriften hin oder her. Würde Galmiz als Standort bewilligt, könnte oder müsste man die Raumplanung in der Schweiz gleich abschaffen, im Sinne der Gleichberechtigung. Und die Schönheit des Tourismuslandes würde weiter untergraben. Es ist erschütternd, dass man über solche Ansinnen überhaupt zuerst diskutieren muss. Ich verstehe die globalisierte Welt nicht mehr.
Jeder Entscheid bedarf der Abwägungen; aber die Raumplanung wegen 1200 fragwürdigen Arbeitsplätzen abzuschaffen, würde doch auf eine kuriose Gewichtung hinweisen. Ja, was wären das denn für Arbeitsplätze, deren Art man durch Verschweigen des Firmennamens nicht in der öffentlichen Diskussion haben wollte, und wie steht es um deren Sicherheit? Zufällig ist gleichzeitig mit der Auflösung des Redwood-Rätsels am Montag und heutigen Dienstag die Meldung „Todesfall schockt Pharmabranche“ („Financial Times Deutschland“) verbreitet worden. Der dem Unternehmen Amgen ähnliche, heute aber weniger bedeutende, 1978 gegründete und damit älteste Biotechkonzern Biogen Idec steht im Verdacht, mit seinem Medikament Tysabri (ein gentechnisch hergestellter Antikörper) „eine seltene und tödlich verlaufende Krankheit namens PML auszulösen“. Ein Patient ist während eines klinischen Versuchs gestorben und ein weiterer ist in Lebensgefahr.
Biotechnologieunternehmen Amgen hatte am 11. Februar 2005 auch seine Versuchsreihe zum Wirkstoff GDNF (Glial-cell-lined-derived) gegen Parkinson wegen möglicher Gesundheitsrisiken gestoppt. Wissenschaftliche Resultate hätten darauf hingedeutet, dass eine Behandlung mit dem Wirkstoff bei Patienten dauerhafte Schäden verursachen könnte, teilte das Unternehmen damals in Thousand Oaks mit. Die 48 Patienten, die an den Versuchsreihen teilgenommen haben, sollen nicht weiter mit GDNF behandelt werden.
Solche Meldungen führen logischerweise dazu, dass sich auch auf den Aktienmärkten diesbezüglich eine abnehmende Euphorie entwickelt. Solche Unternehmen sind ganz allgemein labile Gebilde.
Man sollte sich eher von den mit der Biotechnologie einhergehenden Skandalen als von ihrer Grösse und ihren Ankündigungen beeindrucken lassen. Wenn solch ein Unternehmen Sonderrechte beansprucht, sollte es zumindest aufgefordert werden, sich an Recht und Ordnung zu halten. Es muss ja nicht zu allem anderen Ungemach auch gerade noch ein landschaftliches Elend herbeigeführt werden.
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