Textatelier
BLOG vom: 27.05.2012

Inspirierende Strandwanderung: Die Möwe und der Tod

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Beim morgendlichen Spaziergang am Strand fand ich eine tote Möwe. Je nach Art können Möwen 12–25 Jahre alt werden. Der Kadaver regte mich dazu an, ein kleines Gedicht zu schreiben. Dann forschte ich ein wenig nach, ob es noch andere Gedichte gibt, die sich des Themas Möwe annehmen und fand das bekannte Lied von der Möwe, die nach Helgoland zur Liebsten fliegen soll, eines von Christian Morgenstern und eins von Theodor Storm.
 
Ebenfalls sehr bekannt ist Die Möwe Jonathan (Originaltitel: Jonathan Livingston Seagull), ein Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Richard Bach aus dem Jahr 1970, der auch verfilmt wurde. Der Roman schildert das individuelle Leben einer Möwe, die sich von ihren Artgenossen abhebt und das Fliegen perfektionieren will. Die Filmmusik von Neil Diamond war sehr erfolgreich. 
Die Möwe und der Tod
(GR Bernardy)
 
Du tote Möwe da am Strand
Eine Welle spülte dich ans Land
Algen haben dich zugedeckt
Wind dich unter Sand versteckt
 
Das Meer, das war dein ganzes Leben
Der Wind liess dich darüber schweben
Fischschwärme und die Kutter
Versorgten dich mit Futter
 
Dein Küken schlüpfte aus dem Ei
Es fühlte sich bald flügge-frei
Es flog ein weites langes Stück
Und kam am Tage nicht zurück
 
Mit fast lautlosem Möwenschreien
Flogst du der Kleinen hinterdrein
Du flogst und fandest sie nicht mehr
Nicht auf der Insel, nicht im Meer
 
Du wusstest nichts von Tod und Leben
Der Wind, der liess Dich lange schweben
Eine Welle spülte dich ans Land
Du tote Möwe da am Strand 
Kleine Möwe flieg’ nach Helgoland
(Jim Cowler)
 
Kleine Möwe flieg’ nach Helgoland,
Bring dem Mädel, das ich liebe, einen Gruss.
Ich bin einsam und verlassen,
Und ich sehne mich nach ihrem Kuss. 
Möwenlied
(Christian Morgenstern)
Die Möwen sehen alle aus
als ob sie Emma hiessen.
Sie tragen einen weissen Flaus
und sind mit Schrot zu schiessen.
Ich schiesse keine Möwe tot,
ich lass sie lieber leben -
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heissest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
Die Möwe und mein Herz
(Theodor Storm)
 
Hin gen Norden zieht die Möwe,
Hin gen Norden zieht mein Herz;
Fliegen beide aus mitsammen,
Fliegen beide heimatwärts.
Ruhig, Herz! du bist zur Stelle;
Flogst gar rasch die weite Bahn ‒
Und die Möwe schwebt noch rudernd
Überm weiten Ozean.
 
 
Hinweis auf ein weiteres Blog mit Möwen-Lyrik
21.02.2010: Lichtblicke und erträumte Freuden, poetisch verbrämt
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