Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft aus Schopfheim
Autor: Heinz Scholz
„60 Jahre nach Kriegsende wollen wir an 3 Geistliche erinnern, die sich dem Ungeist widersetzten und ihre Zeit geprägt haben.“ Mit diesen Worten eröffnete Pfarrer Michael Hoffmann die Ausstellung „Dem Glauben verpflichtet“ in der evangelischen Stadtkirche Schopfheim D. Die 3 Geistlichen sind der katholische Märtyrer Dr. Max Josef Metzger (1887–1944) sowie die evangelischen Pfarrer Ludwig Simon (1905–1995) und Hugo Specht (1893–1943).
Die Ausstellung (20. Februar bis 11. März 2005) wurde vom Geschichtslehrer Heiner A. Baur vom Initiativkreis Dr. Max Metzger vorbereitet. Bei der Eröffnung erinnerte Baur an das menschenverachtende System der Nazis und brachte den unglaublichen Mut der Widerstandskämpfer in Erinnerung: „Sie widersetzten sich dem Dämon des Totalitarismus.“
Bürgermeister Christof Nitz betonte, dass es hier Menschen gab, die sich dem Regime nicht beugten, und er betonte, man müsse dem Ruf nach dem starken Mann etwas entgegensetzen und es sei Verpflichtung eines jeden Demokraten, „dass Diktatur der falsche Weg ist“.
Die Ausstellung war für mich eine gute Gelegenheit, mich endlich einmal mit dem Thema Widerstand auseinander zu setzen, zumal diese Pfarrer in meinem jetzigen Wohnort Schopfheim ihre Wurzeln hatten oder hier wirkten. Über Max Josef Metzger, den bekanntesten Widerstandskämpfer aus dem Wiesental, konnte ich schon diese oder jene Information aus Zeitungsberichten erlangen, aber noch nie wurde ich so in präziser Form über das Leben dieses Märtyrers informiert.
Ich muss eingestehen, dass mich die Themen Nazis und Widerstand bisher nicht sonderlich interessiert hatten. Aber es ist bekanntlich nie zu spät, sich mit dieser Phase der deutschen Geschichte zu befassen. Oft hörte ich die Bemerkung: „Was geht mich das an, ich wurde ja im Krieg oder danach geboren.“ Und Ältere, die weitab von den Konzentrationslagern wohnten und nur die Propagandasendungen im Rundfunk hörten und zensierte Zeitungen lasen, waren zunächst von Adolf Hitler begeistert. Auch nach dem Krieg wurde immer wieder behauptet, dass nicht alles schlecht war. Dies hörte ich immer wieder von Bekannten, aber auch von Verwandten.
Solche Äusserungen blieben mir unauslöschlich im Gedächtnis haften: „Damals (in der Hitler-Zeit) herrschte noch Zucht und Ordnung“ oder „Wir brauchten die Haustür nicht verschliessen, es kam nichts weg“ und „Alle hatten Arbeit, es wurden Autobahnen gebaut, es ging aufwärts“. Immer wieder bemerkten meine Zeitzeugen, sie hätten eine unheimliche Angst vor den Nazischergen gehabt. Diese tauchten nämlich überall auf. Diebe, Betrüger und sonstige Verbrecher wurden sofort „aus dem Verkehr gezogen“. Die eingeschüchterten Bürger bekamen dies mit. „Wer sich ruhig verhielt und sich nichts zu Schulden kommen liess, hatte nichts zu befürchten“, so eine Verwandte von mir.
Die Widerstandsbewegung gegen die national-sozialistische Herrschaft stand unter keinem guten Stern. So schlugen einige Attentate fehl, viele Widerstandskämpfer wurden von Spitzeln verraten oder von der gefürchteten Gestapo (Geheime Staatspolizei) überwacht und später verhaftet. Bis Kriegsende wurden 5000 Regimegegner hingerichtet oder starben an den Auswirkungen der Haftbedingungen. Die Widerstandskämpfer kamen aus allen Schichten der Bevölkerung. Es waren Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftsmitglieder, Christen, Angehörige des Militärs, Studenten, Diplomaten, Intellektuelle und Künstler. Aber auch so mancher Bürger hatte ein Herz für Verfolgte und Deserteure, indem sie diese in ihren Häusern versteckten und mit Lebensmitteln versorgten.
Das Leben der 3 Geistlichen
Nach dieser Abschweifung wieder zurück zur Ausstellung: Auf grossen bebilderten Tafeln wurde das Leben von Max Metzger und der anderen 2 Pfarrer chronologisch nachgezeichnet.
Pfarrer Ludwig Simon war ein „überzeugter religiöser Sozialist und war stets auf der Seite der Mühseligen, der Beladenen und Entwürdigten“. Er prägte den Satz „Gott ist Wahrheit – wo Lüge ist, da ist Gott fern.“ Er hatte Glück, dass er von den Schergen nicht behelligt wurde.
Hugo Specht, der in seinen Predigten dem NS-Zeitgeist widerstand, wurde schon in Schopfheim von der Gestapo überwacht. In Leipzig nahm er Verbindung mit dem Widerstand gegen Hitler auf. Am 4. 11. 1943 kam er mit seiner ganzen Familie bei einem Bombenangriff ums Leben.
Max Josef Metzger wurde aufgrund seiner Erlebnisse im 1. Weltkrieg zum überzeugten Kämpfer für den Frieden. Er verfasste Anfang 1917 ein Friedensprogramm, das die Grundlage für einen dauerhaften Frieden schaffen sollte. 3 Punkte des Friedensprogramms sollen hier erwähnt werden:
1. „Wir fordern das Ende des nutzlosen Blutvergiessens auf den Schlachtfeldern, zugleich damit das Ende einer Politik, die mit Machtmitteln die sittlichen Probleme des Zusammenlebens der Völker zu überwinden sucht und dabei immer aufs neue Kriege heraufbeschwört.“
2. „Wir fordern den dauerhaften Weltfrieden, an den wir glauben, im Namen der Zivilisation, der Kultur, der Sittlichkeit und Religion.“
3. „Wir fordern das Aufgeben des sinnlosen Wettrüstens der Völker zu Wasser und zu Land und die Konzentrierung ihrer Mittel auf die positiven Kulturaufgaben.“
Dieses Programm sandte er an den damaligen Papst Benedikt XV., der sich später mit einem Dankschreiben erkenntlich zeigte. Metzger betrachtete den Krieg als einen Bankrott der Christenheit. Für ihn sind „Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe“ Grundlagen des Friedens. Ebenso verurteilte er den Rassenhass.
Später gründete Metzger etliche Organisationen, u.a. den Friedensbund Deutscher Katholiken sowie die Weltfriedensorganisation vom Weissen Kreuz, und er setzte sich für die Einheit der Kirche ein und engagierte sich für die überkonfessionelle „Bruderschaft Una Sancta“.
Nach dem Attentat im November 1939 auf Hitler wurde Metzger zum zweiten Mal verhaftet (1934 war er zum ersten Mal in Haft gewesen). Aus seiner Gefängniszelle schrieb er einen Brief an Papst Pius XII., in dem er seine Vorschläge für die Einigung der Christenheit erläuterte. Dieser Brief blieb unbeantwortet. „Es erging Metzger, wie es allen Propheten und Pionieren geht: Er war seiner Zeit weit voraus und wurde deshalb oft nicht verstanden“, hielt Martha Reimann in der Schrift „Max Josef Metzger, Bruder Paulus“ fest, die vom Christkönigs-Institut Meitingen herausgegeben wurde. Die Zitate von der Gerichtsverhandlung stammen aus dieser Schrift; es sind offensichtlich Originalzitate.
Metzgers Verhaftung und Verurteilung
Nach seiner Entlassung führte er weiterhin seine öffentlichkeitswirksamen Tätigkeiten fort. Diese waren jedoch den Nazis ein Dorn im Auge. Am 29. Juni 1943 wurde er erneut verhaftet. Die Hauptverhandlung fand am 14. Oktober 1943 vor dem 1. Senat in Berlin statt. Der Vorsitzende war der gefürchtete Richter Dr. Roland Freisler, der ein grossartiger Schauspieler war und sämtliche Register seiner Fiesheit ausspielte. Seine Äusserungen strotzten nur so von Ironie, Spott und Blasphemie. Als die Gründung der „Una Sancta“ zur Sprache kam und Metzger äusserte „Christus hat nur eine Kirche gegründet“, flippte der „satanische“ Richter aus – wohl deshalb, weil er den Namen Christus hörte – und schrie: „Una Sancta, Una Sancta . . . una . . . (seine Stimmte stockt) . . . una . . . das sind wir, und sonst gibt es nichts!“
Dann wurde ihm ein Memorandum zur Last gelegt, in dem er den bevorstehenden Zusammenbruch des Vaterlandes vorhersagte. Auch enthielt das Memorandum Vorschläge für die Friedensvermittlung mit den Siegermächten. Das Memorandum sollte an den Erzbischof Eidem von Uppsala gehen, der es dann an Kirchenfürsten von England und anderen Ländern weiterleiten sollte. Metzger übergab dieses brisante Schreiben zur Weiterleitung an Dagmar Imgart, die als Una-Sancta-Interessentin bekannt war. Diese Person entpuppte sich jedoch als Spitzel der Gestapo. Und so gelangte das Memorandum in Freislers Hände. Puterrot vor Wut schrie Freisler in der Gerichtsverhandlung: „Wie kommen Sie dazu, am Sieg zu zweifeln, wo das ganze deutsche Volk voll von Siegesbewusstsein ist?“ Metzger entgegnete: „Reichsminister Goebbels hat einmal im 'Reich' geschrieben, dass jeder Krieg ein Risiko ist . . .“ .Daraufhin entgegnete Freisler, er dürfe niemals wieder den Namen Goebbels (dieser war enger Mitarbeiter Hitlers, Reichspropagandaminister und Organisator der Judenverfolgung) in den Mund nehmen. „Wir glauben an den Sieg, und wer daran zweifelt, muss ausgerottet werden“, waren die Worte, die Freisler ihm entgegenschleuderte.
Nach einer Beratung wurde das Urteil, das schon vorher festgestanden hatte, verkündet: „Als für alle Zeiten ehrloser Volksverräter wird er mit dem Tode bestraft.“ Dann fügte Freisler noch hinzu: „Ich habe noch nie in meinen Verhandlungen das Wort 'ausgemerzt' gebraucht, hier aber gebrauche ich es. Eine solche Pestbeule muss ausgemerzt werden.“
Am 17. April 1944 wurde Metzger mit dem Fallbeil hingerichtet. Später sagte der Henker, Peter Buchholz: „Noch nie habe ich einen Menschen mit so froh leuchtenden Augen in den Tod gehen sehn, wie diesen katholischen Geistlichen.“
Nach dem Krieg konnte der als „Blutrichter“ bezeichnete Freisler nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, da er bei einem Luftangriff am 3. 2. 1945 sein Leben verloren hatte. Wie „Wikipedia“ im Internet berichtet, wurde die Denunziantin im Zuge der „Entnazifizierung“ zu 10 Jahren Internierungslager verurteilt, nach 2 Jahren jedoch entlassen. Durch das Schwurgericht Limburg wurde sie vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord und zur Freiheitsberaubung freigesprochen. Dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Das Schwurgericht Kassel verhängte lediglich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 3 Monaten wegen Freiheitsberaubung. Erst auf die erneute Revision erklärte der BGH das Urteil als Terrorurteil.
Dieses Herumgeeiere, dieses Lavieren der Richter war nicht nachzuvollziehen. Ähnliches erlebte man auch in der Rechtssprechung nach dem Niedergang der DDR, als seltsamerweise nur wenige Spitzel und Funktionäre, die viele Unschuldige in die Gefängnisse der DDR brachten, verurteilt wurden. Alle waren plötzlich „Unschuldslämmer“.
Unverständlich ist auch Folgendes: Das Todesurteil gegen Max Metzger wurde erst 1997 vom Landgericht Berlin aufgehoben. Warum dies so lange dauerte, das dürften nur die Richter wissen.
Und noch eine letzte Meldung: Von der Vatikanischen Kongregation wurde jetzt der Seligsprechungsprozess eingeleitet. Der Vatikan hat schliesslich etwas gutzumachen, da sich die massgeblichen Kirchenfürsten während des „Dritten Reiches“ mit Kritiken vornehm zurückhielten.
Bilanz
Mein Fazit aus der aussagekräftigen und sehr gut besuchten Ausstellung: Die Menschen, die sich der wahnsinnigen und menschenverachtenden Nazi-Herrschaft entgegen stellten und ihr Leben liessen, waren in meinen Augen die wahren Helden und nicht jene, die einen unsinnigen Krieg führten, Städte bombardierten und dabei viele Zivilisten töteten (und dafür als „Kriegshelden“ sogar Denkmäler bekamen) oder andere, die zusahen und sich still verhielten, obschon viele Gräuel der Nazis schon vor dem Krieg bekannt geworden waren. Auch die späteren Siegermächte hielten sich damals eigenartigerweise lange Zeit zurück und liessen Adolf Hitler gewähren.
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