BLOG vom: 30.06.2012
Ungenügend: Schulnoten = Glücksache = Lebenschancen
Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
Wenn es in deutschen Landen auf die grossen Ferien zugeht, herrscht reges Treiben in den Schulen. Zahlen von 1 bis 6 haben Hochkonjunktur, letzte Arbeiten müssen geschrieben, Prüfungen abgenommen, Zensuren erteilt werden.
Die Benotung der Schülerleistungen ist das Hauptthema. Zahlen mit Bedeutungen: 1 ist sehr gut, 2 ist gut, 3 ist befriedigend, 4 ist ausreichend, 5 ist mangelhaft, 6 ist ungenügend.
In anderen Ländern zählt man anders, z. B. in der Schweiz wird mit 6 als „sehr gut“ angefangen, und die Begriffe befriedigend, ausreichend, mangelhaft und ungenügend heissen dort genügend, ungenügend, schlecht und sehr schlecht. Ungenügend ist in der Schweiz eine 3, in Deutschland eine 6, in völlig unterschiedlichen Bedeutungen. In den Niederlanden ist die beste Note 10, die dann für sehr gut oder ausgezeichnet steht. In Italien ist es ähnlich, eine 1 ist extrem unzureichend, und eine 10 hervorragend. Wie man unschwer sieht, lassen sich Zeugnisnoten in Europa kaum vergleichen!
„Bei der Schulnote geht es um den abstrakten Schülervergleich, so sollen Unterschiede zwischen den Schülern festgestellt werden, die in Deutschland in einer ,abstrakten Qualität’ von 1 bis 6 (in Österreich 1 bis 5) ausgedrückt werden. Die Schüler werden per Schulsystem in eine Konkurrenzsituation gebracht und haben sich an den vorgegebenen Kriterien dieser Konkurrenz zu bewähren“ http://de.wikipedia.org/wiki/Schulnote.
„Was gibst Du dem Ralf in deinem Fach? Bei mir steht er glatt 4 oder darunter.“ ‒ „Ich weiss nicht, so aufsässig wie der ist, möchte ich ihm am liebsten eine wohlverdiente 5 geben!“
Was zählt, sind Zahlen. Sie erscheinen in Zeugnissen. Sie bestimmen über die Lebenschancen jedes Einzelnen. 2 „Fünfen“ – und du bleibt sitzen oder musst vom Gymnasium abgehen. Aus der Traum.
Ohne ein Abschlusszeugnis keine Chance auf den gewünschten Ausbildungsplatz, mit einer 4 zu viel im Abiturzeugnis kann der Inhaber das mit einem Numerus clausus belegte Studium vergessen.
Wie die Zeugnisse zustande kommen, ist unwichtig. Hauptsache, man kann sie vorweisen. Welche Leistungen dafür erbracht werden mussten, ist doch egal, ist sowie so schon vergessen.
Wenn man Pech oder Glück hat: Der Leistungsstand in der Klasse kann überwiegend so hoch sein, dass die eigene Note möglicherweise entsprechend niedriger ausfällt ‒ und umgekehrt. Schulnoten sind Glücksache!
Ob die 4 nicht bei einem anderen Lehrer oder in einer anderen Klasse eine 3 wäre, wen interessiert das noch. Hier steht es schwarz auf weiss, eine 3 weist befriedigende Leistungen in diesem Fach nach. Was heisst „befriedigende Leistungen“? Für wen befriedigend, für den Lehrer, den Schüler, die Eltern, den, dem das Zeugnis vorgelegt wird?
Die Fragwürdigkeit von Zensuren ist seit Jahrzehnten immer wieder einmal Seminar- und Diskussionsthema in Lehramtsstudiengängen. Bei dieser Feststellung bleibt es; ändern wird sich nichts daran. Es ist auch so bequem, eine 3 ist eben eine 3 und keine 2 oder 4. Basta.
Ob der Mensch mit einer 3 ein besserer Mensch ist als der mit einer 4? Suggeriert wird es, und es kann entscheidend sein. Was nützt da der Hinweis darauf, Albert Einstein habe in der Schule fast nur schlechte Noten gehabt, oder die Erkenntnis, schulische Leistungen und Lebenskarrieren seien 2 Paar Schuhe.
Zunächst einmal zählen die Zahlen, und, einmal gelernt, glauben alle daran: die Schülerin, die sich aus Angst nicht nach Hause traut, und der Schüler, der sich nach einem „miesen“ Zeugnis vor den Zug wirft; der Personalchef, der zwischen 20 Bewerbern um eine Stelle zu entscheiden hat.
Der Mensch zählt wenig, nur seine Zahlen auf den Zeugnissen. Das sind „Leistungen“, die er nachweisen kann.
Am Ende einer Ausbildung wird der Kaufmannsgehilfenbrief oder der Gesellenbrief ausgehändigt. Darin stehen keine Noten, sondern ein bestimmtes Adjektiv vor dem Wörtchen „Erfolg“, und das lässt sich wieder in eine Zahl umwandeln.
Später wird noch eine andere Zahl wichtig, ja sogar noch wichtiger: die Zahl der Lebensjahre. Aber die hat nichts mit Leistungen zu tun ‒ oder doch?
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