Textatelier
BLOG vom: 13.07.2012

Südtirol 1: Weltberühmte Drei Zinnen in den Dolomiten

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Unser Wanderführer Toni aus Lörrach schlug vor einiger Zeit vor, zur Abwechslung einmal eine Wanderwoche in Südtirol zu absolvieren. Er kannte schon teilweise unser Wandergebiet, besonders die Umgebung der Drei Zinnen (ital. Tre Cime di Lavaredo). Er schwärmte in den höchsten Tönen von diesem weltberühmten Gebirgsstock in den Sextener Dolomiten. Toni arbeitete sehr akribisch die Touren aus und suchte für uns im Internet das passende Quartier. Für seine Bemühungen konnten wir uns nicht genügend bedanken.
 
Am 30.06.2012 war es soweit. Toni fuhr mit seinen Wanderfreunden – Bernd von Rheinfelden, Heinz und Walter von Steinen und meine Wenigkeit – über die Schweiz, Liechtenstein, Österreich (durch den Arlbergtunnel) über den Brenner, durch den vorderen Teil des Pustatals ins Gsiesser Tal zu unserem Quartier „Mountain Residence Montana“ in Sankt Magdalena (Santa Maddalena). Das Appartementhaus liegt in einer Höhe von 1500 m.
 
Der Ort ist von einer fantastischen Bergwelt umgeben. Die Hänge des Tals sind mit dichten Tannen- und Fichtenwälder bewachsen. Oberhalb der Waldgrenze sind die nackten Felsen zu sehen. St. Magdalena liegt am Ende des 20 km langen Tals. „Das Tal bietet vor allem Entspannung, Erholung, viel Natur, gute Luft und eine intakte, von fleissigen Bauernhänden geprägte Kulturlandschaft“, war in einer Schrift im Internet zu lesen. Das kann ich bestätigen. Wir genossen die Ruhe und unternahmen in den nächsten Tagen die eine oder andere Wanderung im Gsiesser Tal. Überall sind gut ausgeschilderte Wanderwege vorhanden. Diese führen zu einer wundervollen Berglandschaft mit vielen bewirtschafteten Almen.
 
Das von der Familie Hintner geführte erwähnte Appartementhaus (www.app-montana.it) an der Bergstrasse 39 in St .Magdalena war für uns eine sehr angenehme Unterkunft. Wir hatten ein Appartement für 3 Personen im Tiroler Stil erbautem Haus mit Balkon und 2 Einzelzimmer im Altbau gebucht. Die Preise waren wirklich günstig. Vom Balkon aus hatten wir einen herrlichen Blick auf das Gsiesser Tal und die Berge. Besonders angetan war ich vom angenehmen Wohnklima in unserem Appartement. Wie ich mir sagen liess, achtete die Familie Hintner akribisch darauf, dass nur mit Ton, Kalk und Holz gebaut wurde.
 
Besonders beeindruckt waren wir von der Herzlichkeit der Familie Hintner, die unsere Fragen zu Touren ausführlich beantwortete. Auch erhielten wir Tipps für Gasthäuser in der Umgebung, die zu Fuss oder mit dem Auto in wenigen Minuten erreichbar waren. In diesen Gasthäusern speisten wir zu Abend. Besonders angetan waren wir vom Restaurant/Pizzeria Lanzberg in der Bergerstrasse 1. Hier konnten wir manch eine Genuss bietende, landestypische Mahlzeit einnehmen (u. a. Kaiserschmarrn mit Preiselbeeren, Omelett mit Preiselbeeren, Pizzas, Speck, verschiedene Knödelgerichte, Schlupfkrapfen; dazu gab es jede Menge Natursäfte, aber auch Wein, Bier und Schnäpse). Meine Lieblingsnachspeise war Affogato al caffé (Espresso mit einer Kugel Vanilleeis).
 
1. Wandertag: Die Drei-Zinnen-Umrundung
Wegen der zu erwartenden Super-Wetterlage machten wir uns schon am 01.07.2012 auf den Weg zur Umrundung der Drei Zinnen. Mit dem Auto fuhren wir über eine gebührenpflichtige Mautstrasse (22 Euro) auf den unterhalb der Auronzohütte (2320 m) gelegenen Parkplatz. Wir nahmen nicht den gut ausgebauten und stark von Wanderern begangenen Weg von der Auronzohütte zum Paternsattel und zur Dreizinnenhütte, sondern den Weg links vom Pkw-Parkplatz am Busparkplatz vorbei.
 
Nach einem kurzen Anstieg kamen wir an einem kleinen Schilderwald vorbei. Das eine Schild wies auf den „Naturpark Drei Zinnen“ hin, dann folgten einige Verbotshinweise, darunter befand sich ein Holzschild mit der Aufschrift „Radfahrverbot“. Daneben war der Wanderwegweiser, und dieser verriet, dass man auf dem „Dolomitenhöhenweg“ zu gehen hatte. Zur Drei-Zinnen-Hütte, die wir aufsuchen wollten, wurde eine Wanderzeit von 1 Stunde 20 Minuten angegeben. Wie uns Toni erklärte, stimmen die angegebenen Zeiten nicht, man braucht auf jeden Fall länger. Vielleicht wurden die Zeiten für Tourenläufer mit einem schnellen Schritt ermittelt.
 
Nach etwa 30 Minuten kamen wir an der Langen Alm (2283 m) vorbei dann ging es über schmale Pfade abwärts, bald wieder aufwärts und in die Tiefe. Schwitzend kamen wir auf einer Anhöhe an und dort sah ich zum ersten Mal die imposanten Drei Zinnen von der Seite. Es war ein fantastischer Anblick. Dabei musste ich an den NS-Schriftsteller Karl Springenschmid denken, der einst euphorisch beim Anblick der Drei Zinnen sagte: „Gottes eigenwilligste Schöpfung der Alpen.“ Der Anblick sollte später noch schöner und imposanter sein. Darüber später mehr. Toni hatte uns nicht zu viel versprochen. Nur dies vorweg: Der Naturpark Drei Zinnen ist seit 2009 Teil des UNESCO-Weltnaturerbes.
 
Die Wege waren gut begehbar, nur ab und zu machte uns der Schotter zu schaffen. Bei Gegenverkehr der Zweibeiner taten wir jeweils einen Schritt bergwärts zur Seite, um die hinauf schnaubenden Wanderer Platz zu machen. Als eine Gruppe Japaner, vorneweg ein Mann, dahinter 3 Frauen, an mir vorbeischritt, sagte ich „Hallo“. Der Japaner sagte ebenfalls „Hallo“, verbeugte sich und war hocherfreut, dass wir alle zur Seite traten. „Best Friends“, murmelte er noch und entschwand aus meinem Blickfeld. Später, beim Rückweg in Richtung Auronzahütte, sahen wir weitere Japaner, die immer sehr freundlich grüssten. Ich bewundere das japanische Volk, das unglaublich wissbegierig, diszipliniert und höflich ist.
 
Während unserem Weg zur Dreizinnenhütte hatte ich immer wieder die Gelegenheit, die Alpenflora zu studieren und zu fotografieren. In diesem Gebiet wachsen folgende Pflanzen: Alpen-Leinkraut, Alpen-Mohn, Schild-Ampfer, Raundblättriges Hellerkraut, Dolomiten-Fingerhut, Steinbrech-Arten, die Zwerg-Miere und das seltene Blaue Mänderle (Paederota bonarota). Das Blaue Mänderle ist vom Tal bis auf 2500 m Höhe verbreitet. Die seltene Pflanze wächst auf Kalk und Dolomitfelsen und in Felsspalten.
 
Fotografieren konnte ich Mierenarten, den Stängellosen Enzian, Frühlingsenzian, die Kugelblume, Glockenblume, Alpen-Kuhblume und die Trollblume. Die zuletzt genannte Pflanze sah ich an 3 Stellen auf meiner Wanderung. Die zu den Hahnenfussgewächsen zählende Trollblume (Goldknöpfchen, Kugelranunkel) mit der geschlossenen, gelben Kugelblüte enthält übrigens Protoanemonin und ist deshalb schwach giftig.
 
Welche Tiere kommen in den Sextiner Alpen vor? Es sind das Murmeltier (bei unserer Tour hörten wir mehrmals das Pfeifen der Murmeltiere), der Schneehase, der Mauerläufer, die Schneemaus, die Gämse, das Alpenschneehuhn, der Kolkrabe, Steinadler, Uhu, die Alpendohle und die Kreuzotter. Eine Varietät der Kreuzotter, die schwarze Höllenotter, kommt bis auf 2600 m vor.
 
Bevor wir den letzten Aufstieg zur Dreizinnenhütte angehen sollten, machten wir in einer mit Gras bewachsenen Ebene Rast. Auf diesem Platz sahen wir mit hellen Steinen ausgelegte Namen. So entdeckten wir am unteren Teile eines Abhangs das Wort „Opa“, etwas weiter weg befand sich ein Herz aus Steinen. Sogar ein US-Boy war hier: Schild „USA“, dann folgte ein nicht mehr ganz zu entziffernder Name (einige Steine waren mit Gras überwuchert). Ich wundere mich immer wieder, auf welche Ideen so manche Touristen kommen, um sich zu „verewigen“. Diese Steinauslegung fand ich nicht so schlimm. Einritzungen in Holztischen, Bänken und der Holzverschalung von Hütten aber sind weniger zu schätzen.
 
Nach der Ruhepause bewältigten wir die letzte Höhe zur Dreizinnenhütte. Wir gingen auch an einer in Stein gehauenen Kaverne vorbei (später sahen wir noch weitere). Während des Ersten Weltkriegs verlief hier die Front zwischen Italien und Österreich-Ungarn, die heftig umkämpft war. Der Gebirgskrieg begann nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich am 23.05.1915. Die Linie verlief entlang Paternkofel–Paternsattel–Drei Zinnen–Forcella Col di Mezzo. Ich stellte mir vor, welch ungeheure Strapazen die Soldaten auf sich nehmen mussten, um die Front auszubauen. Das italienische Heer brachte sogar einen Scheinwerfer auf den Gipfel der Grossen Zinne. Dieser leuchtete dann die österreichischen Stellungen aus. Aber damit noch nicht genug: Auch eine Kanone wurde bis in den oberen Teilbereich des Bergs befördert.
 
Wir nahmen in der Nähe der Dreizinnenhütte auf kleinen Felsvorsprüngen Platz, packten unser Vesper aus und tranken Mineralwasser aus Trinkflaschen.
 
Dann kamen die Alpendohlen. Sie hatten es nicht auf Touristen abgesehen, sondern waren scharf auf unsere Nahrungsmittel. Bernd, der neben mir sass, hielt Salami- und Käsestücke mit seinen Fingern in die Luft und schon schnappte ein wendiger Vogel diese weg. Ich wollte die Dohlen auch füttern, hatte aber Pech. Das gute Tirolerbrot mit Anis, Fenchel und Koriander, das ich den Vögeln zuwarf, verschmähten sie. Die Vögel hatten wohl keinen Appetit auf vegetarische Nahrungsmittel.
 
Ein vorwitziger Vogel setzte sich auf den Oberschenkel von Bernd und lauerte auf etwas Futter.
 
Die Dreizinnenhütte, die 1881 erbaut wurde, war an diesem schönen Tag Ziel von vielen Wanderern. Fast alle Plätze auf der Terrasse waren besetzt. Nicht wenige liessen sich in der Umgebung der Hütte nieder. Kaum zu glauben, dass täglich bis zu 2000 Menschen hier heraufpilgern. Der Andrang früher war natürlich noch nicht so stark. 1908 besuchten lediglich 2000 Menschen diese Hütte im Jahr!
 
Nach unserer Vesper betrachtete ich die Nordwände der Drei Zinnen näher. Die hohe Grosse Zinne in der Mitte ist 2999 m, die Westliche Zinne 2973 m und die Kleine Zinne 2857 m hoch. Es sind gewaltige Felstürme. Es gibt aber noch weitere Gipfelpunkte im Massiv.
 
Die Grosse Zinne hat eine 500 m hohe, senkrechte bis überhängende Nordwand. An dieser Wand gibt es 5 bekannte Routen für die Bergsteiger. Die Westliche Zinne wird 7 Routen umgarnt.
 
Erstbesteiger der Grossen Zinne war der Wiener Alpinist Paul Grohmann. Zusammen mit den einheimischen Führern Franz Innerkofer und Peter Salcher bestieg er 1869 diesen Berg. Später erfolgten Erstbesteigungen der weiteren Zinnengipfel. Wer sich dafür interessiert, kann sich unter der folgenden Internetadresse informieren: http://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Zinnen.
 
Auf dem Plateau der Dreizinnenhütte kam auch eine seltsame Wandergruppe an. Sie brauchen ihre Vesper nicht selber zu transportieren. Sie hatten 3 Lamas dabei, die lederne Umhängetaschen trugen. Darin waren Getränke und Vesper verstaut. Die Lamas gehören einem Verein an. Wie ich mir sagen liess, gibt es in Ritten bei Bozen eine Lama- und Alpaka-Zucht (www.lama-alpaka-biz). In Südtirol werden auch Lama-Wanderungen angeboten. Dann erübrigt sich wohl das Rucksacktragen.
 
Nach der wohlverdienten Ruhepause machten wir uns wieder auf den Weg. Diesmal ging es zunächst bergauf zu einer Anhöhe, dann abwärts zur Lavaredohütte (2344 m). Dort stillten wir unseren Durst und beobachteten die Südwände der Drei Zinnen. Ich sah insgesamt 5 Bergsteiger, die hier in die Höhe strebten. Sie hingen förmlich in den Wänden.
 
Dann strebten wir der Auronzahütte zu. Auf dem Weg sahen wir den Gedenkstein, der an die Erstbesteigung der Grossen Zinne, erinnerte. Auf einem Felsen war die runde Plakette mit dem Portrait Paul Grohmanns und darunter auf einer rechteckigen Tafel die Inschrift zu lesen.
 
Sie werden sich fragen, wie lange wir auf der beliebtesten Wanderstrecke der Dolomiten brauchten, um die Drei Zinnen zu umrunden: Die reine Wanderzeit betrug 4,5 Stunden. Dabei bewältigten wir eine Höhendifferenz von 500 m.
 
Von der Auronzahütte ging es wieder über die Mautstrasse, am Misurina See vorbei, über Toblach, Welsberg zu unserem Urlaubsdomizil zurück.
 
Es war eine fantastische Wanderung. Den grossen Rummel an der Dreizinnenhütte und auf dem Rückweg nahmen wir in Kauf. Es waren ja Schulferien in Italien. Zudem wanderten wir wetterbedingt an einem Sonntag, als viele Wochenendurlauber unterwegs waren.
 
Fortsetzung folgt!
 
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