Textatelier
BLOG vom: 19.07.2012

Südtirol 4: Folterkammer, Geisterstube und Bruneck-Tour

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 5. Tag unseres Wanderurlaubs war ein Ruhetag vorgesehen. Kulturelles und diverse Besichtigungen waren geplant. So wurden unsere etwas müden Knochen geschont. Manche Besichtigungen erweisen sich oft als anstrengend. Deshalb wollten wir die Sache ruhig angehen.
 
5. Wandertag: Burg Taufers und Bruneck
Wir fuhren von St. Magdalena über Welsberg und Bruneck (Brunico) durch das Tauferer Tal nach Sand in Taufers. Nach einer kleinen Irrfahrt durch den Ort fanden wir den richtigen Weg zur Burg Taufers und parkierten in der Nähe des Eingangs zur Dynastenburg. Schon vorher, bei der Anfahrt, hatten wir die trutzige Burg vor der grossartigen Kulisse der schneebedeckten Gipfel der Zillertaler Alpen gesehen. Für alle war dies ein unvergesslicher Anblick.
 
Am Eingang ging es ans Bezahlen. Rentner durften mit einem geringeren Obolus (6 Euro, ohne Führung) eintreten. Wir besichtigten die Aussenanlagen, den Burghof mit der alten Schmiede, den „Breiten Turm“ mit romanischem Hocheingang und Doppelbogenfenstern, den Bergfried, den Wohntrakt und schritten über Wehrgänge. Für eine Führung konnten sich unsere Wanderfreunde aus Zeitgründen nicht entschliessen. Es gab ja sonst noch genug zu sehen.
 
Insgesamt hat die Burg 64 Räume, davon sind 24 mit kunstvollen Holztäfelungen versehen. Es gibt eine Waffenhalle, Bibliothek, einen Gerichtssaal und Rittersaal. In der Burgkapelle sind Fresken von Michael Pacher zu sehen. Im schönsten Raum, der Bibliothek, ist ein grüner Kachelofen mit Plattenmotiven aus den Türkenkriegen zu bewundern.
 
Auch eine Folterkammer und diverse Verliese sind in der Burg etabliert worden. Erhalten ist eine Beinspange zur „peinlichen Befragung“ der mutmasslichen Delinquenten. Die Burg Taufers war nämlich mit der hohen Gerichtsbarkeit ausgestattet. „Das heisst, dass es dem Ältesten der Familie zukam, selbst über Blut und Adel zu richten“, wie in einer Schrift zu lesen war. Nach dem Aussterben der Dynasten gingen die Rechte an den Tiroler Landesfürsten und seine Lehensträger über.
 
An der Palasfassade konnte man die romanischen und gotischen Bauphasen erkennen. Ich entdeckte an den Aussenwänden verschiedene Schiessscharten aus dem 15. Jahrhundert.
 
Eine Adlige erlebte Schreckliches
Zunächst sahen wir uns im unteren Raum des Bergfrieds einen Film über die Burg an. So konnten wir doch noch an einer „Führung“ teilnehmen. Wir erfuhren Näheres über die unglückliche Margarethe von Taufers. Laut einer Sage verliebte sich die Frau während der Abwesenheit ihres Vaters, der auf Kreuzzug war, in den Burghauptmann niederer Abstammung. Sie wollte ihn heiraten, obwohl ihr Vormund und Onkel, Heinrich II. von Taufers, Fürstbischof von Brixen (Weihe 1228), dagegen war. Aber unmittelbar vor der Hochzeit wurde der Bräutigam von einem Pfeil tödlich getroffen. Margarethe schloss sich darauf in ihre Gemächer ein. Sie fiel in eine sanfte Agnosie (= Störung des Erkennens trotz intakter Wahrnehmung). Nach 7 Jahren stürzte sie sich von der Burg. Noch heute soll im „Geisterzimmer“ und auch im Schloss ihr ruheloser Geist umherwandern.
 
Nach dieser Einführung gingen wir über steile Stufen in die oberen Stockwerke des Bergfrieds. In mehreren Räumen wurde eine Ausstellung über Plakate vergangener Zeit präsentiert. Es gab Plakate über Ferien, Film, Sport, Kunst, Entertainment, Krieg und Konsum zu sehen. Die Ausstellung dauert vom 01.04.2012 bis 30.09.2012.
 
Übrigens wurde die Burg nach dem Verfall aufwendig restauriert. 1977 erwarb das Südtiroler Burgeninstitut die Anlage. „Der ehrenamtlich tätige Verein steht für eine fachkundliche Erhaltung im Sinne der privaten Denkmalpflege“ (www.burgeninstitut.com). Es ist dem Verein zu danken, dass heute Taufers zu den am besten erhaltenen Burgen Tirols zählt. Die Burg kann übrigens ganzjährig, mit oder ohne Führung, besichtigt werden. Es werden dort auch etliche kulturelle Veranstaltungen durchgeführt.
 
In Bruneck kam der Regen
Nach einer kurzen Einkehr in der Burgschenke machten wir uns nach etwa 2 Stunden auf den Weg und fuhren nach Bruneck. Durch die 12 000 Einwohner zählende Stadt fliesst die Rienz. Hier flanierten wir durch die Stadtgasse mit ihren schönen Bürgerhäusern. Die Stadtgasse wird vom Ursulinentor und dem Oberragentor begrenzt. Wir besichtigen die Pfarrkirche zu Unseren Lieben Frau. Eine erste Kirche stammte aus dem 13. Jahrhundert. Der heutige Bau entstand 1851‒1853 nach Plänen Hermann von Bergmanns. Die malerische Ausstattung erfolgte durch Georg Mader. Am linken Seitenaltar sind eine Pietá in Steinguss, die um 1400 geschaffen wurde, und ein altes Kruzifix (um 1500) zu sehen. Es sind Objekte, die aus dem alten Bau stammen.
 
In Bruneck befindet sich auch das Messner Mountain Museum „MMM Ripa“. An 5 ungewöhnlichen Standorten (also 5 Museen) in einer grandiosen Landschaft hat Reinhold Messner die Summe aller Erfahrungen seiner 15 „Achttausender“ gewidmet. „In Schloss Bruneck geht es um die Lebensweise der Bewohner der wichtigsten Bergregionen zwischen Alpen und Himalaja, Anden und Afrika. Anhand von Exponaten aus ihrer Alltagskultur zeigt das MMM Ripa in einem aufregenden ,Rundgang durch 5 Kontinente’ auch die Entwicklungsstufen der Menschheit – vom Nomadentum bis hin zur Sesshaftigkeit der Völker in den Gebirgen der Erde“, so die Beschreibung dieses Museums.
 
Wir hatten jedoch an diesem Tage keine Lust, eine weitere Besichtigung zu machen. Wir streiften lieber in Bruneck herum und suchten ein Bistro, um unseren Hunger und Durst zu stillen. Toni fand in einer Seitengasse an der Rienz eine Kneipe, wo wir uns im Freien an Tischen mit Kunststoffstühlen niederliessen. Wir verzehrten Vollkorntoast und mit Tomaten und Käse gefüllte Vollkornbaguettes. Kaum hatten wir die Speisen vertilgt, begann der Regen. Wir spannten unsere Schirme auf, resignierten aber bald und gingen in den Innenraum der kleinen Gaststätte. Der Regen hörte jedoch bald auf, so dass wir trockenen Fusses zu Tonis Auto laufen konnten.
 
6. Wandertag: Heimreise
Toni hatte wunderbare Touren am Vortag ausgearbeitet. Geplant war eine Fahrt nach Antholz und zum Antholzer See (1408 m), der im Naturpark Rieserfernergruppe, liegt. Es soll der schönste Bergsee der Alpen sein. Darauf hatte ich mich schon gefreut. Aber es kam ganz anders. Am frühen Morgen, vor dem Frühstück, das wir meistens zwischen 8 und 8.30 Uhr einnahmen, blickte ich noch frohgemut aus dem Zimmer. Ich sah einen fast wolkenlosen Himmel und das herrlich anzusehende Gsieser Tal mit den Kirchen von St. Magdalena und St. Martin sowie die schönen Häuser. Nach dem Frühstück zogen plötzlich Regenwolken auf. Wir fuhren trotzdem ein Stück mit dem Auto unserem Wanderziel entgegen. Nach vielleicht 15  km verschlechterte sich das Wetter zunehmend, der Regen peitschte gegen das Auto. Deshalb entschlossen wir uns, an diesem Tag nach Hause zu fahren. Wir kehrten um, packten unsere Koffer auf die Schnelle und sausten Richtung Heimat. Ein herrlicher Wanderurlaub fand sein jähes Ende. Wir waren froh, der Regenfront entkommen zu sein. Auf der Fahrt durch Österreich und der Schweiz war vom Regen nichts mehr zu sehen.
 
Letzter Teil folgt.
 
Literatur
Hohenbühel, Alexander von: „Taufers – Eine Dynastenburg“, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2007.
Kuntzke, Reinhard; Hauch, Christiane: „Südtirol“, Dumont Reise-Taschenbuch, Ostfildern 2011.
Mertz, Peter: „Erlebniswege in Südtirol“, Bruckmann Verlag, München 2009.
Widmann, Werner, A.: „Südtirol“, ADAC-Reiseführer, München 2005.
 
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