Textatelier
BLOG vom: 28.07.2012

Südtirol 5: Enzianschnaps, Grantn-Marmelade, Heilkräuter

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Während unseres Wanderurlaubs in Südtirol konnte ich mich eingehend über den Kräuteranbau in St. Magdalena/Gsiesertal und den Produkten von Berg und Tal informieren. So gibt es einen Bauernladen im Regiohof (www.regiohof.com). Wie ich erfahren konnte, wurden in den Höfen früher Produkte veredelt und auf natürliche Art konserviert. Der Speck wurde gepökelt und luftgetrocknet. Frisches Brot gab es nur zweimal im Jahr; das Korn wurde nach Bedarf immer frisch gemahlen. In den Bauernhöfen gab es zweimal pro Tag eine Brennsuppe. Kräuter wurden gesammelt. Beliebt waren der Enzianschnaps und die Grantn-Marmelade (Preiselbeer-Marmelade).
 
Etliche Produkte, so wurde in einem Prospekt berichtet, findet man heute noch im genannten Bauernladen. Angeboten werden verschiedene hochwertige Fruchtaufstriche, Senf und Chutneys. „Für unsere Ansatzschnäpse verwenden wir Früchte aus den Bergen und ausschliesslich hochwertige Grappas“, wie im Internet berichtet wird.
 
Noch etwas zu den Preiselbeeren. Die Früchte, die Vitamin C (12 mg/100 g) und einige B-Vitamine, organische Säuren (Apfel- und Zitronensäure), Gerbstoffe und Zuckerarten enthalten, wirken appetitanregend, erfrischend, stärkend. Also eine gesunde Frucht. Wir genossen die Preiselbeermarmelade zum Kaiserschmarrn und tranken während unseres Urlaubs immer wieder einen Preiselbeersaft. Das waren stärkende Produkte für unsere Touren, die wir alle heil überstanden. Nicht umsonst nannte Wanderfreund Heinz von Steinen unsere Gruppe die Power-Senioren.
 
Beachtenswert ist auch die Hofkäserei Waldsamer in St. Magdalena (www.waldsamerhof.it). Hier kann man hautnah die Käseproduktion miterleben und die Produkte, wie verschiedene Käsesorten, Joghurt, probiotische Molkegetränke und Molkekosmetik, kaufen. Leider konnten wir den Regiohof und den Walsamerhof aus Zeitgründen nicht mehr besuchen, zumal wir einen Tag früher wegen Regen nach Hause fuhren.
 
Zum Glück besuchte ich schon vorher den Kräutergarten Voadohuibn von Maria und Eduard Hofmann (www.voadohuibn.com). Zunächst war mir der ungewöhnliche Namen aufgefallen. Voadohuibn ist der traditionelle Name eines kleinen Bergbauernhofes in St. Magdalena. Haupterwerbszweig des Hofes sind Viehzucht, der Verkauf von Milch und Eier. Auch bietet die Familie Hofmann Ferienwohnungen an.
 
Und noch eine weitere Besonderheit gibt es hier zu sehen: Gegenüber dem Wohnhaus von Familie Hofmann steht ein uraltes Haus (es stammt bestimmt aus dem 17. Jahrhundert; das genaue Alter ist unbekannt), in dem das Bauernhofmuseum untergebracht ist. Auf 200 m2 werden Geräte aus der Bauernarbeit gezeigt. Man bekommt einen guten Einblick in die karge Lebensweise der bäuerlichen Vorfahren. Dieses Museum konnten wir auch nicht näher in Augenschein nehmen, da wir wegen des Regens am letzten Tag überraschend zurückfuhren. Ich hatte mich noch bei Frau Hofmann bezügliche einer Führung an diesem Tag verabredet.
 
Die sehr freundliche Maria Hofmann führte Wanderfreund Bernd und mich durch den Garten. Sie verwendet nicht nur die Kräuter aus ihrem Garten, sondern auch Bergkräuter und Kräuter von einem Biohof. Daraus stellt sie Teemischungen, Küchengewürze, Salben, Kräutersalze und einen Kräutersirup her. Wie sie uns erzählte, lernte sie viele Heilpflanzen durch ihre Mutter kennen. Sie verbrachte nämlich 20 Jahre mit ihrer Mutter auf einer Almhütte. Seit 15 Jahren wohnt sie in St. Magdalena.
 
In ihrem sehr gepflegten Kräutergarten entdeckte ich auf den Rabatten u.a. folgende Pflanzen: Zitronenmelisse, Goldmelisse, Brennnessel, Spitzwegerich, Ringelblume, Goldrute, Apfelminze, Pfefferminze, Schafgarbe, Nachtkerze und diverse Gewürzkräuter, Johanniskraut und vor einer Hauswand einen herrlich blühenden Lavendelstrauch. Besonders stolz war sie wegen ihrer Zitronenmelisse: „Wir hatten heuer schon den 2. Schnitt“, bemerkte sie. In der Tat sind die Kräuterrabatte gut geschützt und werden oft von der Sonne bestrahlt. Bei Kälte im Frühjahr schützt sie ihre Kräuter mit einer Folie.
 
„Kennen Sie Heinrich Abraham?“
„Kennen Sie eigentlich Heinrich Abraham?“ fragte ich. „Natürlich kenne ich ihn, wir haben bei ihm schon einige Kurse über Heilpflanzen und dem Kräuteranbau absolviert.“
 
Ich erzählte ihr, dass ich den Heinrich schon lange kenne und auch diverse Blogs und Artikel über ihn geschrieben habe. Auslöser, um ihn näher kennenzulernen, war sein Auftritt in der Show „Wetten, dass …“ im Mai 1983 in Saarbrücken. Vor etwa 20 Millionen Fernsehzuschauern aus der damaligen Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreich musste der Kandidat mit verbundenen Augen 20 Pflanzen durch Fühlen und Riechen identifizieren. Er gewann die Wette. Nach der Show besuchte ich ihn in Leifers und nochmals während eines Urlaubs. Heinrich Abraham war damals Gärtner am Biologischen Landeslabor in Leifers, unweit von Bozen. Später war er im Versuchszentrum Laimburg tätig. Heute ist er noch als freier Mitarbeiter in diesem Zentrum beschäftigt.
 
Von Heinrich Abraham wollte ich gern erfahren, wie es sich mit dem Wirkstoffgehalt von Kräutern in höheren Lagen verhält. In einer E-Mail vom 10.07.2012 teilte er mir dies mit: „In höheren Lagen (ab 1000 m ü. M.) ist der ätherische Ölgehalt in den mediterranen Kräutern geringer. Bei der Pfefferminze nimmt der Mentholgehalt in höheren Lagen deutlich ab, und der Menthongehalt steigert sich oft in Höhen, so dass die Krautdroge nicht mehr dem Europäischen Arzneibuch entspricht. Beim Kräuteranbau ist es so, dass dort die optimalen Bedingungen vorliegen müssen, um wirksame Kräuter zu ernten, die auch über die notwendigen, vorgeschriebenen Inhaltsstoffe verfügen. Die optimale Höhe für den Kräuteranbau sollte unter 1000 m ü. M. liegen. Für alpine Heilpflanzen ist es aber unbedingt notwendig, dass diese über 1800 m angebaut werden. Bei Arnika und Edelweiss weiss man, dass diese in niedrigen Lagen bedeutend weniger ihrer wertvollen Inhaltsstoffe bilden. Deshalb wird in der Schweiz das Edelweiss nur über 1500 m angebaut.“
 
Unzweifelhaft ist auch, dass in Lagen um 1000 m sich weniger Reizstoffe (Feinstaub, Allergene, Pollen) aus der Umwelt befinden. Das bemerkten wir auch bei unseren Bergtouren und genossen die saubere, reizlose und angenehme Luft.
 
Heinrich Abraham arbeitet zurzeit am Aufbau einer Kräutergenossenschaft. Er schrieb dazu in einer E-Mail vom 17.07.2012: „Darin sehe ich die Zukunft des Kräuteranbaus in Südtirol. Das Problem ist, dass in Zukunft viele Kräuter nicht mehr ausserhalb der Apotheke verkauft werden können und somit werden die Kräuteranbauer mit Problemen konfrontiert sein, da diese nicht mehr x-beliebige Kräuter mischen und verkaufen dürfen.“
 
In Südtirol gibt es aktuell 44 Kräuterbetriebe.
 
Wo war das Edelweiss?
Ich fragte Heinrich Abraham, wie es heute mit der Häufigkeit des Edelweisses aussehe. Wir hatten bei unseren Wandertouren in den Dolomiten (Drei-Zinnen-Gebiet) bis in Höhe von 2500 m keine einzige solche Pflanze entdeckt. Ich dachte, dass vielleicht die Touristen diese schon längst ausgerissen hätten, wie das früher oft vorkam. Abraham antwortete mir prompt: „Das Edelweiss hat sich wieder vonselbst gut vermehrt. Gerade am Samstag, 14.07.2012, war ich an einem Ort in den Dolomiten, wo wir unzählige Edelweisse blühen sahen. Nicht überall wächst diese edle Alpenblume. Ich selbst habe in der Fanes-Gruppe nur einzelne Exemplare gefunden. Oft ist das Edelweiss perfekt getarnt; nur wenn man Habitat, Exposition, Begleitpflanzen und Substrat erkennt, sind diese filzigen Sternchen leichter zu finden. Ich habe bemerkt, dass die Bergwanderer sehr oft an Edelweissen vorbeigehen und die Blüten gar nicht bemerken, was auch gut ist. Rund um den Peitlerkofel, in der Sella Gruppe und Puez-Geiseler-Gruppe findet man sehr viele, ja oft sehr grosse Exemplare von Leontopodium alpinum. Ich glaube, dass nun die Menschen nicht mehr so gierig geschützte Alpenblumen pflücken und sich mit dem Betrachten begnügen.“
 
Ich hätte mich mit einem Foto begnügt.
 
Literatur
Hohenbühel, Alexander von: „Taufers – Eine Dynastenburg“, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2007.
Kuntzke, Reinhard; Hauch, Christiane: „Südtirol“, Dumont Reise-Taschenbuch, Ostfildern 2011.
Mertz, Peter: „Erlebniswege in Südtirol“, Bruckmann Verlag, München 2009.
Widmann, Werner, A.: „Südtirol“, ADAC-Reiseführer, München 2005.
 
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