Textatelier
BLOG vom: 17.11.2012

Kostspielige Augenblicke im Hinblick auf Weihnachten

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Der letzten Wochenend-Ausgabe des „Daily Telegraph“ war ein Magazin beigegeben – „Telegraph luxury“ mit dem Untertitel „Precious moments“. „Kostspielige Augenblicke“, fürwahr, dachte ich, als ich dieses Magazin voller Werbefotos durchblätterte. Sie betreffen Luxusmarken: Louis Vuitton, Cartier, Tiffany, Boucheron, Jaeger-Le Coultre usw. Eine Sonderbeilage ist exklusiv den teuren Schweizer Uhren gewidmet.
 
Der Eiffelturm hat 1665 Stufen. Diesen Stufen schiebe ich die englische Währung vor ‒ £. Lily könnte ich vielleicht mit einem „Clutch bag“ beglücken, ein kleines Handtäschchen, kaum grösser als ein Portemonnaie. Cartier bietet eines in rotem Kalbsleder und mit Gold-und Lack Klappverschluss an: £ 1240. Jenes von Prada kostet £ 1400. Ein anderes von Bulgari sogar £ 1650.
 
Weder ich noch meine Frau haben in den letzten Jahren Schuhe gekauft. Meine aus Spanien versehen ihren Dienst weiterhin. Ein klobiger Frauenschuh fesselte mein Augenmerk – Kostenpunkt ab
£ 1800 aufwärts. Nein, das darf ich ihr nicht antun!
 
Ich trinke sehr selten Whisky. Sollte ich mich für meine Abstinenz mit einer Flasche Macallan belohnen, in limitierter Ausgabe von 1000 Flaschen hergestellt? Eine Flasche davon kostet £ 1700.
 
Wäre es nicht an der Zeit, meine Fuji-Kamera mit 8.4 Mega Pixels mit einer Leica X2 Edition zu ersetzen? Mit £ 2000 übertrifft sie die Stufen des Eiffelturms. Nein, abermals nein!
 
Schmuckstücke aus „precious metal“ (Edelmetall wie Palladium), von der Kollektion Lara Bohnic geschaffen, kosten zwischen £ 22 000 und £ 35 200 … Der Eiffelturm wird zur Karikatur.
 
In vielen der ganzseitigen Anzeigen fehlen die Preisangaben.
 
Auch im Hauptteil des „Daily Telegraph“ wimmelt es von ganzseitigen und halbseitigen Anzeigen aller Art. Sie verdrängen die Texte zum Weltgeschehen an den Rand. Der Weihnachtsrummel ist entfacht. Ich beachte die Werbeanzeigen nicht. Das sichert mir kostbare Augenblicke ganz anderer Art.
 
Punkto Ausgaben verweilen wir auf den ersten 20 bis 30 Stufen des Eiffelturms. Damit fällt man nicht ins Schuldenloch und hat erst noch mehr vom Leben.
*
Eben, wie ich diesen Text abschliessen wollte, telefonierte mir ein Weinhändler und schickte mir obendrein ein E-Mail. Im Gespräch habe ich den Spiess umgedreht und auf mein www.art-deco-nouveau.com hingewiesen – ein Sammelgebiet, das ihn grundsätzlich interessiert. Ich verwies ihn dabei auf ein illustriertes Buch, von Moët Chandon (Champager Hersteller) in Auftrag gegeben, von Maison Devambez, Paris 1933 veröffentlicht und mit amüsanten Illustrationen von Lucien Boucher (1889‒1971) ausgestattet, zum Preis von nur £ 33. Ich schlug vor, dass dieses Buch gewiss einem seiner Kunden als Geschenk Freude bereiten könnte … Ein anderer Weinhändler hat vor kurzem einige dem Wein gewidmeten Illustrationen erworben. Auch eine von Château Mouton Rothschild in Auftrag geschaffene Originallithografie von Paul Delvaux hat inzwischen zu einem angemessenen Preis seinen Käufer gefunden.
 
Ich entnahm aus seiner Liste folgendes Angebot: Ch. Pavie 2009 (12 Flaschen): £ 3303; 1996 Lafite-Rothschild und andere Spitzenweine – alle ohne Preisangaben ...
 
Für £ 10 bis £ 15 pro Flasche besorge ich mir meinen Festtagswein. Der Gegenwert des Buches reicht für 2 bis 3 Weine in meiner Preisklasse aus. Auch ein guter Wein sichert köstliche Augenblicke!
 
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