BLOG vom: 21.11.2012
Verheizung von Hirse: Biogas und Strom statt Hirsebrei
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Bei unserer Wanderung vom 07.11.2012 in der Nähe von Fischingen (Landkreis Lörrach D) kamen wir an einem Hirsefeld vorbei. Es handelte sich um die Hirseart Sorghum bicolor. Diese Hirse gibt es als niedrigwachsende Pflanzen, aus denen nur die Körner in der Rispe geerntet werden, und als eine bis zu 4 m hohe Pflanze, die für die Energiegewinnung genutzt wird. Dabei wird die ganze Pflanze gehäckselt und kommt dann in die Biogasanlage (Info von Jochen Winkler, Landratsamt Lörrach). Auf einem anderen Feld wurde Mais mit einer riesigen Maschine geerntet. Auch dieser Mais wird zur Produktion von Biogas verwendet.
Walter Hess schrieb mir in einer E-Mail vom 12.11.2012 diesen Kommentar: „Diese Art von Energieproduktion ist ganz im Sinne von George W. Bush (…), eine Geistesgrösse. Stattdessen sollten die Leute sollten mehr Hirse essen als verheizen.“
Persönlich finde ich die Verheizung von Nahrungspflanzen schon wegen den Hungersnöten auf der Welt und wegen der bei uns reduzierten Anbauflächen für Nahrungsmittel als inakzeptabel. Die Problematik habe ich in einem Blog beschrieben (Blog vom 07.04.2007: „Energiesaaten: Goldrausch mit Negativ-Folgen für die Natur“; der Link ist am Schluss angefügt).
Stephan Börnecke von der „Frankfurter Rundschau“ schrieb schon vor Jahren die folgenden kritischen Worte: „Zunehmend werden Biogasanlagen auf Mais-Basis gebaut, was zu einer weiteren Ausdehnung der Monokulturen in Deutschland führt, die wegen Pestizid- und Mineraldüngerverbrauch nichts mit naturverträglicher Landwirtschaft zu tun hat.“ Es gibt aber auch bei der Verheizung eine Alternative, die im Anhang beschrieben ist. „Körnerbüschel mit Zukunft“ verkündete die „Badische Zeitung“ am 23.10.2012 und wies auf die alte Kulturpflanze hin, die sich nicht nur für den Fruchtfolgewechsel anbietet. Die Hirse diene als Futtermittel und Energielieferant, stand darin.
Die Ackerfrucht ist eine Alternative zum Körnermais. „Im Zeitraum von 3 Jahren ist nur noch 2 Mal Maisanbau zulässig“, erklärte Ackerbauberater Raphael Maurath von der Abteilung Landwirtschaft im Landratsamt des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald. Schuld ist der Maiswurzelbohrer, der auch in unserer Gegend sein Unwesen getrieben hat. Dieser Schädling wurde Anfang der 1990er-Jahre aus Amerika eingeschleppt. Wenn jedes Jahr Mais angebaut wird, verbreitet sich der Maiswurzelbohrer massenhaft.
Im Gebiet zwischen Rastatt und Lörrach betrug der Maisanteil 50 %. In der Rheinebene sogar 80 bis 90 %; nun ist der Maisanbau auf 50 bis 60 % zurückgegangen. Stattdessen werden vermehrt Weizen, Sommergerste und Hirse angebaut. Die Hirse wächst in diesem Gebiet bereits auf einer Fläche von 1000 Hektaren.
Der Hirseanbau bietet folgende Vorteile: Tolerant gegen Maiskrankheiten und Maisschädlinge, geringere Ansprüche an die Wasserversorgung als Mais (Hirse benötigt ein Drittel weniger Wasser als Mais). Hirse hat eine hohe Trockenstresstoleranz, gutes Nährstoffaneignungsvermögen (die Hirsepflanze verwertet organischen Dünger effizient und benötigt ein Drittel weniger Dünger als Mais). Und natürlich hat sie auch eine gute Eignung als Biogassubstrat – doch dieses Zweckentfremden eines hervorragenden Lebensmittels kommt einer Verschwendung gleich.
Auf den Hinweisen zum Sorghumanbau in Deutschland (Energiepflanzen-Beratung-Service Dr. Friedrich Jäger) wird auch auf eine wirksame Beikraut- (Unkraut-) Regulierung hingewiesen. Dort konnte ich dies lesen: „Da die Hirse konkurrenzschwach ist, erfordert der Anbau unter unseren klimatischen Bedingungen eine wirksame Unkrautregulierung.“ Die Beikraut-Bekämpfung ist also schwieriger als bei Mais. Empfohlen werden folgende Produkte: Gardo Gold, Mais-Banvel WG, Certrol B.
Gas und Strom statt Hirsebrei
„Im Markgräflerland testen Badenova und heimische Landwirte die Eignung verschiedener Hirsesorten für die Biomasseverwertung zur Energiegewinnung.“ Die Überschrift des Artikels lautete „Gas und Strom statt Hirsebrei“, auf die verkehrte Welt hinweisend. Dies war in der „Badischen Zeitung“ am 23.11.2012 zu lesen. Der Energieversorger Badenova und die Zentralgenossenschaft ZG Raiffeisen luden nämlich Landwirte zu einer Info-Veranstaltung in der Nähe eines Hirsefelds zwischen Heitersheim und Grissheim ein. Das war besonders im Interesse der Energieversorger, da sie im Gewerbepark Breisgau eine Biogasanlage betreiben.
Man erfuhr, dass derzeit im Markgräflerland auf 500 Hektaren Hirseanbau betrieben wird. Auf 2/3 der Fläche wird Futterhirse und auf 1/3 Drittel Biomasse-Hirse angebaut.
Ein wichtiges Nahrungsmittel
Früher war der Hirsebrei besonders für die bäuerliche Bevölkerung eine nahrhafte und wichtige Speise. Und wie sieht es heute aus? Die Hirse führte lange Zeit ein Schattendasein. Erst in letzter Zeit kommt die Körnerfrucht (es gibt auch Bio-Hirse im Handel) häufiger in Form von schmackhaften Speisen auf den Tisch. Immer wieder hörte ich, die Hirse sei schwer verdaulich, ergäbe eintönige Gerichte, sei für manche zarten Gaumen zu hart (zum Beispiel im Müesli oder im Brot) und geschmacklich nicht so sehr gefragt. In Österreich und in manchen Gegenden von Deutschland wird Hirse mit Milch oder Wasser zu Grütze gekocht und mit Zimt und Zucker verfeinert. Diese Vorspeise soll nicht übel sein.
Wer unter www.chefkoch.de einmal Hirsegerichte (520 an der Zahl) aufruft, wird erstaunt sein über die Fülle der Kombinationen. So finden wir Hirse-Auflauf, Pizzateig, Milchsuppe mit Hirse, Bratlinge, Frikadellen, Hirse-Porridge, Hirse-Obstsalat, Pfannkuchen, Gemüsesuppe. Wir persönlich verwendeten die Hirse bisher als Zutat zu Müesli, Pfannkuchen und assen auch ein Hirsebrot.
Carine Buhmann führt in ihrem Buch „Kochen und backen von Natur aus glutenfrei“ etliche Rezepte mit Hirse auf. Folgende Rezepte sind im Buch zu finden: Hirse-Apfel-Auflauf, Hirsenauflauf mit Beeren und Vanillecreme, Hirse-Gemüse-Auflauf, Hirse-Gugelhupf mit Cranberrys, Hirse-Käse-Küchlein, Hirse-Mandel-Kuchen, Hirsepizza mit buntem Gemüse, Hirsepizza mit Spinat und Gorgonzola und Hirse-Sesam-Nocken mit Lachs. Die Hirse ist also vielseitig in der Küche verwendbar. Der Hobbykoch sollte unbedingt das eine oder andere Gericht ausprobieren. Vielleicht werden er und seine Angehörigen zu Hirsefreunden.
Die Hirse ist reich an Eiweiss und Stärke. Der Gehalt an Phosphor, Kalium, Magnesium, Eisen und Zink ist beachtenswert. Die Hauptbestandteile in 100 g essbarem Anteil: Wasser 12,1 g, Eiweiss 9,8 g, Fett 3,9 g (davon Linolsäure: 1,77 g), Kohlenhydrate 68,8 g (davon 60 g als Stärke), Ballaststoffe 3,8 g und Mineralstoffe 1,6 g.
Anhang
Aus Biomüll wird Biogas
Wer hat alte Salatköpfe oder sonstigen Abfall aus der Biotonne? Nur zu, denn man kann dieses organische Material zur Biogasanlage in Kisslegg (Allgäu) bringen. Grössere Menge aus der Gastronomie und Nahrungsmittel aus dem Handel, deren Haltbarkeit abgelaufen ist, werden per Lastkraftwagen der Firma Biologische Reststoff-Verwertung GmbH vom Schwarzwald bis Offenburg und Stuttgart abgeholt. Täglich kommen etwa 49 Tonnen zusammen. Eine Trennmühle sortiert und zerkleinert den Müll. Dann kommt die Masse von Verpackungen befreit in einen Pufferbehälter. Dort wird auf 70 °C erhitzt, dabei werden schädliche Bakterien vernichtet. Danach kommt der gereinigte Müll in einen Gärbehälter. Vereinfacht ausgedrückt: Es entsteht schliesslich Methangas. Dieses Gas wird mittels Membrantechnik gereinigt. Vorteil: Dieses Verfahren ist umweltfreundlich, da keine Chemikalien verwendet werden. Das Gas wird dann ins Erdgasnetz eingespeist. Es dient für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen der Strom- und Wärmeerzeugung oder als Kraftstoff für Erdgasautos. Die erwähnte Anlage in Kisslegg versorgt jährlich 1000 Haushalte mit Bio-Erdgas.
Der verbleibende Gärrest wird den Landwirten angeboten, die dann ihre Felder mit dem geruchsneutralen Material düngen.
Die Verantwortlichen der Umweltorganisation Eronatur (Umweltschutz in Europa) sind Gegner der Bio-Energie-Erzeugung. Sie plädieren vielmehr für die Nutzung „agrarischer Abfälle“ in Biogasanlagen oder zur Produktion von Bio-Kraftstoffen.
Auf jeden Fall ist es illusorisch, mit Raps, Hirse, Sonnenblumen, Mais und Weizen den Energiehunger stillen zu wollen.
Infos
Literatur
Buhmann, Carine: „Kochen und backen von Natur aus glutenfrei“, AT Verlag, Aarau 2011.
Faller, Silvia: „Körnerbüschel mit Zukunft“, „Badische Zeitung“, 23.10.2012.
Hennicke, Gabriele: „Gas und Strom statt Hirsebrei“, „Badische Zeitung“, 23.10.2012.
Jäger, Friedrich: „Sorghumanbau in Deutschland“, Beratung und Service: Dr. Friedrich Jäger, Energiepflanzen, Beratung, Service, E-Mail: f.jaeger@energiepflanzen.net.
Naturenergie Biogas 10: „Aus Biomüll wird Biogas“, „Naturkunde“, Energiedienst Rheinfelden 2012-03.
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