Textatelier
BLOG vom: 02.01.2013

Stormin’s Wüstensturm und andere wüste US-Stürmereien

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Ein Held. Er war der Grösste. Einer der Jahrgangsbesten schon bei der Offiziersausbildung in West Point USA. Einer der bedeutendsten militärischen Kommandeure seiner Generation. Einer der militärischen Giganten des 20. Jahrhunderts. „One of a kind" – einsame Klasse. Ein reich dekorierter Oberkrieger. 1.95 Meter hoch und nicht weniger als 120 kg schwer (ohne Uniform und Orden): US- General und Oberkommandierender im Irak-Krieg, „Stormin’“ Norman Schwarzkopf (78), der am 27.12.2012 von einer banalen Lungenentzündung in Tampa (Florida) dahingerafft worden ist. Er hatte, wie Präsident Barack Obama sagte, durch seinen patriotischen Dienst die USA sicherer gemacht. Doch nach wie vor leben die Amerikaner in einer ständigen Angst vor ihrer Verwundbarkeit.
 
Schwarzkopf befreite 1991 als Kommandant der US- und der Koalitionstruppen Kuwait von den Truppen des damaligen Irak-Diktators und Ex-US-Intimfreunds Saddam Hussein, trug also in diesem Golfkrieg Nummer 2 („Operation Wüstensturm“), der gleichzeitig der Irakkrieg Nummer 1 war, den Sieg davon, die Ausnahme innerhalb der unzähligen US-Kriegsführungen der jüngeren Zeit. Präsident George Herbert Walker Bush (Bush Senior) verkündete damals sofort nach dem Siege einen weiteren Schritt zur Neuen Weltordnung (global geführtes US-Imperium, Weltherrschaft). Darum ging es schliesslich auch; der Erdölreichtum jener Region war die erstrangige treibende Kraft.
 
So ähnlich bekam man es aus dem medialen Engelschor beim Absingen der Botschaft vom Hinschied Schwarzkopfs mit: tief in Bewunderung für alles Amerikanische versunken, in der üblichen Manier verkürzt, getreu dem Journalisten-Motto: „Die Geschichte existiert für uns nicht." Die Publizisten krochen zu Grabkreuze, eine Heldenverehrung aufgrund eines kleinen Stücks eines angeschnittenen, zusätzlich garnierten Kuchens, schickten diesen Fall aber relativ schnell auf den Weg alles Irdischen. Denn ergründet man weitere Dimensionen, schmeckt, was aufgetragen wurde, weniger süss.
 
Krieger als Medienstar
Über Tote sagt man nur Gutes. Und Gutes kann man auch über Schwarzkopf sagen, weil es immerhin wagte, ein paar unbeschönigte Wahrheiten von sich zu geben. Im Ruhestand kritisierte er den 2. Irak-Feldzug der USA und den damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen dessen taktischer Fehlleistungen offen. Beispiel: Es seien unzureichend ausgebildete Reservisten im Einsatz. Und für das US-Gebaren in Vietnam, an dem er mitgewirkt hatte, zeigte nur Verachtung.
 
Stormin’ war ein Showman von hünenhafter Gestalt und der Erste, der den US-Krieg zur Medienunterhaltung im Allgemeinen und zum TV-Hype umfunktionierte. Live. Hauptdarsteller: Bombenfeuerwerke und Stormin’ im Wüstensturm. Das aufbrausende Wesen des stürmischen Norman und die todbringenden Lichtblitze kamen beim vor dem Fernsehkasten genüsslich knabberten Publikum gut an. Besonders die Hollywood-getrimmten Zuschauer aus aller Herren Ländern lieben hemdsärmelige Haudegen, diese Guten, die ständig gegen das Böse auf dieser Welt antreten müssen. Und es vernichten. Das Banal-Strickmuster, selbst für Geistesschwache verständlich, hat sich seit dem Wildwest-Kult, als die herzensguten Einwanderer die bösen Indianer abschlachteten, nicht geändert. Man spürt auf einer solchen Grundlage, wie diese Erde immer sicherer wird ...
 
Schwarzkopf war, wie gesagt, schon im Vietnamkrieg tätig gewesen, wo die USA eine peinliche Niederlage erlitten hatten und breite, tiefe Spuren von Verwüstungen hinterlassen haben, die heute noch nicht ausgelöscht sind. Für seinen Einsatz in jenem Krieg, der mit den perfiden C-Waffen geführt wurde (Entlaubung mit dem dioxinhaltigen Agent Orange, das die Menschen grausam verstümmelt), erhielt Schwarzkopf den Tapferkeitsorden „Purple Heart“ (purpurfarbenes Herz).
 
Nach der Vietnam-Schlappe und Giftgaskatastrophe ohnegleichen fand Schwarzkopf heraus, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Statt die Verseuchung ganzer Länder zu instruieren, sollten die Offiziere der Kriegsnation und A-, B- und C-Macht USA gescheiter in taktischen Kenntnissen und Fertigkeiten unterrichtet werden. Doch es kamen nur gigantische Bombardements und neuerdings Drohnen heraus – in beiden Fällen werden zivile Opfer grössten Stils in Kauf genommen.
 
Die Vorgeschichte der Kuwait-Besetzung
1988 wurde Schwarzkopf Oberbefehlshaber des US Central Commands in Tampa, und damit fiel ihm die Aufgabe zu, den 2. Golfkrieg, den die Amerikaner von langer Hand geplant und geförderte hatten, zu kommandieren. Und genau dieser für die US-Geschichtsschreibung peinliche Aspekt wird bei der momentanen Norman-Verklärung ausgeklammert. Sie beginnt schlicht und ergreifend erst bei der Kuwait-Besetzung durch Hussein und hinterfragt nicht, wie es dazu kam:
 
In den 1970er-Jahren wurde der Irak unter Saddam Hussein von den USA und vom Golfkooperationsrat (GCC mit Saudiarabien, Bahrain, Katar, VAE, Kuwait und Oman) bei den Vorbereitungen auf einen Krieg gegen den Iran tatkräftig unterstützt. Am 22.09.1980 marschierten irakische Truppen in die erdölreiche iranische Provinz Chusistan ein; doch die Islamische Republik Iran brach nicht so schnell zusammen, wie gefälschte Akten aus den USA dem Saddam Hussein vorgegaukelt hatten. Alle wichtigen Städte der beiden Kriegsparteien wurden beschossen, und bei dem vom Irak 1984 ausgelösten „Tankerkrieg“ wurden auch Schiffe in Brand geschossen, womit auch ein Wirtschaftskrieg ausgelöst war. 1987 stiessen iranische Truppen bis Basra (Irak) vor, und 1988 nahmen die beiden Kriegsparteien die UNO-Resolution Nr.598 an, welche zur Einstellung der Kampfhandlungen führten.
 
An dem Krieg waren die Sowjetunion, die USA, Grossbritannien, Frankreich und andere beteiligt – direkt oder durch Waffenlieferungen. Israel lieferte Waffen, die zum Teil aus den USA kamen, an den Iran, um arabische Feinde von sich abzulenken. Und gleichzeitig statteten die Bush-Kriegsherren ihren alten Freund und Mitstreiter Hussein über Ägypten mit Waffen aus (Quelle: Herbert G. Dorsey: „The Secret History of the New World Order“, 1993, S. 34‒35). Weitere Details waren erst hinterher zu erfahren, z. B. aus Spiegel-online vom 26.09.2002.
 
Nach diesem zurückspiegelnden Bericht billigten die US-Behörden unter anderem den Kauf von Ausrüstung und Rohstoffen zur Herstellung biologischer und chemischer Waffen durch das Regime im Irak: „So lieferten US-Labors zum Beispiel am 2. Mai 1986 vier Kulturen von Milzbrand- und Botulinus-Bakterien an das Irakische Bildungsministerium, beides Erreger, die der Herstellung von Bio-Waffen dienen können.“ An die Biowaffenkonvention von 1971 mochte man sich gerade nicht halten. Der Handel mit der B-Waffen-Technik für die Massentötung setzte sich laut „Der Spiegel“ sogar noch fort, nachdem Saddam Hussein im März 1988 über 5000 Kurden mit einem Giftgasangriff hatte ermorden lassen. Insgesamt erteilten die US-Behörden nicht weniger als 711 Ausfuhrlizenzen für sogenannte Dual-use-Güter, wie sie zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen benötigt werden. Geschäft ist Geschäft.
 
Ursprünglich war nur die US-Unterstützung von Saddam Hussein bekannt. Die amerikanischen Waffenlieferungen an Iran flogen erst im Herbst und Winter 1986/87 im Rahmen der sogenannten „Iran-Contra-Affäre“ auf – und dabei wurde offenbar, dass es eigentlich zu einer inoffiziellen Kooperation von UdSSR und USA gekommen war.
 
Die Bilanz dieses 1. Golfkriegs ist erschreckend: Rund 1 Million Menschen kamen dabei ums Leben, und die Zahl der Verkrüppelten ist doppelt so hoch. Die Kriegskosten gingen in die Milliarden USD; weite Landstriche wurden verwüstet, verseucht, Städte wie Fao (Faw, Irak) völlig zerstört.
 
Der 2. Golfkrieg
Und als dieser 1. Golfkrieg beendet war, strengten sich die Amerikaner an, unverzüglich den 2. anzuzetteln, indem sie sich allmählich von ihrem alten Freund Hussein abwandten. Sie verhinderten zuerst einmal die Finanzierung des Badush-Staudamm-Projekts, dessen Verwirklichung den Irak von Lebensmittelimporten unabhängig gemacht hätte. Von Hussein wurde verlangt, er solle zuerst einmal seine Staatsschulden begleichen, die sich im Krieg aufgehäuft hatten – damals kannte man die Fiskalklippe nicht; die Möglichkeit, alte Schulden durch immer neue Schuldenmachereien ständig in die Höhe zu treiben.
 
Der Energieverschwendernation USA ging es, wie jedermann weiss, immer und überall auch ums Erdöl (das irakische Öl ist einer der bedeutendsten ungehobenen Schätze der Welt - die bekannten Reserven werden auf über 100 Milliarden Barrel geschätzt). Die Amerikaner verlangten von ihrem Freund, der zum Feindbild umgemalt wurde, er habe den grössten Teil der irakischen Ölindustrie zu privatisieren, was Hussein natürlich ablehnte. Die Strafe folgte auf dem Fuss, wie immer, wenn einer den US-Interessen entgegensteht und sich eine Befehlsverweigerung zuschulden kommen lässt: Kuwait erhielt den Auftrag, den Markt mit Billigöl zu überschwemmen, was dem Irak einen grossen Schaden zufügte. Durch Finanz- und Wirtschaftssanktionen, die über den Irak verhängt wurden und denen sich alle zu unterziehen haben, konnte der irakische Erdölexport zum Erliegen gebracht werden. Ähnliche Mittel werden heute gegen Grossbanken in aller Welt eingesetzt, wenn sie den US-Interessen entgegenstehen oder die dortigen Steuerschlupflöcher konkurrenzieren. Erpressungen sind eine altbewährte Waffe; sie werden immer dreister, betreffen auch kleinere Bankinstitute und auch die Automobilindustrie (Toyota).
 
Laut William F. Engdahl im Buch „Mit der Ölwaffe zur Macht“ eskalierte nun der Streit Irak/Kuwait. Durch die diplomatische Blume wurde Hussein von den USA ermuntert, Kuwait anzugreifen – er erhielt die verschlüsselte Botschaft, die USA würden in einem solchen Fall Gewehr bei Fuss stehen. Das war ein neues, verlogenes Dreckspiel im Hinblick auf die Auslösung des 2. Golfkriegs, in dem nun Norman Schwarzkopf seine Helden-Show als Kuwait-Befreier abziehen durfte.
 
Dieser Krieg begann am 17.01.1991. Schwarzkopf beachtete keine Verhältnismässigkeiten und fuhr schwerstes Geschütz auf. 6 Wochen lang flogen die USA, sekundiert von rund 30 Kopfnicker-Staaten, massive Bombenangriffe auf strategische Zeile im Irak, um das Hussein-Regime und das Volk zu zermürben. Daraus ergaben sich riesige Umweltschäden, weil die fliehenden irakischen Soldaten Ölfelder in Brand setzten. Von den Alliierten wurden 320 Tonnen Geschosse aus abgereichertem Uran (Depleted Uranium) abgefeuert, die während Jahrmillionen das Gebiet noch radioaktiv verseucht halten werden – eine neue Vietnam-Version: zuerst Chemiegifte dort und dann tödliche Strahlung hier.
 
Der Einsatz der radioaktiven Munition, ein Kriegsverbrechen, relativiert Schwarzkopfs scheinbare Grösse schon sehr. Und eine von Zwei-Sterne-General Barry McCaffrey kommandierte US-Einheit veranstaltete Massaker an Irakern, die bereits kapituliert hatten. Obschon das US-Militär die eigenen Verbrechen immer selber untersucht, waren die Indizien so stark, dass die übliche Verwedelungstaktik nicht genügte. Das Magazin „The New Yorker“ deckte den Fall auf.
 
Nach dem Bombenkrieg startete die Bodenoffensive. Schwarzkopf setzte rund 700 000 Soldaten, wovon 533 000 Amerikaner, ein, und diese Übermacht befreite Kuwait innert 3 Tagen. Die Welt feierte das „Konzept der Grossen Überlegenheit“ enthusiastisch. Während der ganzen Operation hatten die Amerikaner den Einsatz von Giftgas befürchtet – das sie an ihren Ex-Freund ja schliesslich selber verkauft hatten.
 
Wie man dennoch zum Helden wird
Nach seinem Riesenfeuerwerk, von eingebetteten Journalisten nach US-Vorgaben euphemistisch beschrieben, fotografiert und insbesondere von CNN in jedes Stübchen übertragen, legte Schwarzkopf das Kriegshandwerk beiseite. Der Held verfasste seine Autobiografie unter dem Titel „Man muss kein Held sein“. Ja, man muss nicht, aber man kann in den USA leicht zu einem werden.
 
Seine Devise wurde in diesen Tagen der unendlichen Trauer immer wieder nachgebetet: „Weise genug, zu wissen, dass alles unternommen werden muss, um Krieg zu vermeiden. Aber auch wild genug, um alles, was möglich ist, für den Sieg zu tun, wenn es zum Krieg kommt.“
 
Dass es in den USA genau an der Weisheit fehlt, Kriege zu verhindern, wurde glatt übersehen. Die Amerikaner inszenierten gleich den 2. Irakkrieg (3. Golfkrieg), der als Feldzug gegen den Terrorismus getarnt war und am 20.03.2003 begann. Und jetzt wird auch der Iran als neuer Kriegsschauplatz vorbereitet. Der übliche Propagandakrieg läuft bereits.
 
Wie weise sind die Kriegsherren im Weissen Haus und im Pentagon? Es spricht für die Dummheit der Machthaber, dass sie immer neue Kriege anzetteln, mithin das pure Gegenteil jedes Weisen tun.
 
Aber nur aus diesem Sachverhalt heraus können immer neue Heldenepen herumposaunt werden.
 
Quellen
Pfetsch, Frank R.: „Konflikte seit 1945. Die Arabisch-Islamische Welt“, Verlag Ploetz, Freiburg und Würzburg 1991.
Institut für soziale Dreigliederung: „George Bush hat den ersten Irak-Krieg angezettelt.“ www.dreigliederung.de.
Verschiedene, meist gleichlautende Medienberichte zum Tod von Norman Schwarzkopf.
Tilgner, Ulrich: „Der inszenierte Krieg. Täuschung und Wahrheit beim Sturz Saddam Husseins", Rowohlt Verlag, Berlin 2003.
 
Hinweis auf weitere Blogs über den Irak-Krieg
 
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