Textatelier
BLOG vom: 16.03.2005

US-Regierung: Lügenfeldzüge auf globalem Niveau

Autor: Walter Hess

Das wilde Herumballern der US-Truppen hat kürzlich in Bagdad den Tross der soeben freigelassenen italienischen Journalistin Giuliana Screna getroffen (Blog vom 6. März 2005: „Schüsse auf Sgrena: Mörder ermitteln in eigener Sache“). Dabei wurde ein italienischer Geheimagent, Nicola Calipari, getötet, als er sich schützend über die beschossene Journalistin, die zuviel weiss, warf; ein weiterer wurde verletzt.

Mit Lug und Trug hat das offizielle Amerika diesen Vorfall zu verdrehen und zu rechtfertigen versucht, ohne Erfolg. Und in Italien wuchs der Unmut ständig an, so dass sich Silvio Berlusconi, der seine Wiederwahl und seine Macht nicht gefährden will, soeben gezwungen sah, den Abzug der italienischen Truppen (3000 Mann) aus dem Irak bekannt zu geben, das viertgrösste Kontingent (nach USA, GB und Südkorea). Bisher sind angeblich 28 Italiener im Irak gestorben. Es wird sich im September 2005 weisen, ob Berlusconis Ankündigung mehr als eine Vernebelungstaktik im Pulverdampf war; eine Hintertür liess er noch offen: Er setzte eine „akzeptable Sicherheitslage“ im Irak voraus, die sich wohl kaum einstellen wird. Denn gerade jetzt beginnt auch die Ukraine mit dem Truppenabzug, und die Niederlande sowie Polen laufen in den nächsten Wochen auch davon – die Koalition der Willigen zerbröselt.

Wer mag schon mit Verlierern zusammenarbeiten, die den Krieg und ihre „Erfolge“ auf Lügen aufbauen? Diese brandschwarze Lügerei nach dem Vorbild der religiösesten Nation der Welt ist grenzenlos. Als Berlusconi dem Druck der eigenen Bevölkerung nachgeben musste, beeilte sich die US-Regierung (über den Sprecher im Weissen Haus, Scott McClellan) eilig in die Welt posaunen zu lassen, Berlusconis Entscheidung habe nichts mit den Todesschüssen auf den italienischen Geheimdienstmitarbeiter zu tun. Wirklich rein gar nichts. Als wie dumm wird denn die Weltöffentlichkeit überhaupt verkauft? Noch sind amerikanische Zustände nicht überall verbreitet, was man in Washington zu übersehen scheint.

In einem um 1791 entstandenen „Sinngedicht“ von Johann Christoph Friedrich Haug, das sich mit Grabinschriften auf einem Gottesacker befasste, heisst es:

„Die Lüge, Mensch! Ist dein Vergnügen; / Du lehrst sogar die Steine lügen.“

Dieses Vergnügen des Verbreitens von rabenschwarzen Lügereien ist offenbar keine Erfindung des Zeitalters der Globalisierung; aber Lügenfeldzüge in dieser systematischen, flächendeckenden Form hat es wohl noch nie gegeben. Die willigen Medien verbreiten die Lügengeschichten fast immer unkommentiert, die Macht der Gewohnheit des Lügenverbreitens − bis sich die Balken bzw. Kontinentalplatten biegen − kennt keine Grenzen mehr. Globalisierung in Reinkultur.

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