BLOG vom: 01.03.2013
Staufen D: Wachsende Risse und eine imposante Burgruine
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Staufen im Breisgau D ist ein im wahrsten Sinne des Worts aufstrebendes Städtchen: Die Altstadt hebt sich langsam an. Und in der Nähe gibt es auch den Schlossberg mit der imposanten Burgruine, den ich schon lange besteigen wollte.
Am 13.02.2013 wurde mein Wunsch erfüllt. Unsere Wandergruppe fuhr zum Landgasthof „Zum St. Gotthardt“, der sich oberhalb von Staufen befindet (Besitzer: Familie Niederegger). Toni schwärmte von diesem gemütlichen Ausflugslokal und erzählte uns vom beheizten Wintergarten, der hausgemachten Vesper aus eigener Schlachtung, den selbstgebackenen Kuchen und den vielen guten Speisen zur Mittagszeit. Aber zunächst stand das Wandern in der winterlichen Landschaft auf dem Programm. Leider zeigte sich die Sonne an diesem Tag nicht. Es war trüb, windstill, bei einer angenehmen Temperatur. An manchen glatten Stellen des Wegs mussten wir vorsichtig sein.
Ausgangspunkt unserer Wanderung war ein Parkplatz bei der St. Gotthard Kapelle. Der Weg war verschneit, so dass wir, um das Schild rechts am Eingang lesen zu können, durch den vielleicht 30 cm hohen Schnee stapfen mussten.
Die Kapelle schaut auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Sie wurde 1353 als Filialkirche der Pfarrei Krozingen erstmals erwähnt. Als Bittkapelle diente sie damals den Aussätzigen des Staufener Leprosenhauses. Sie kam in den Besitz des Klosters Beuron (1633); dann erschienen die Schweden und zerstörten sie. 1661 wurde sie als Kapelle und Eremitage neu errichtet. Ein Blitzschlag zerstörte sie erneut (1678). Nach dem Wiederaufbau im Jahr 1733 folgten bis 1962 etliche Renovationen. Da der Eingang verschlossen war, konnten wir den aus dem Jahr 1729 stammenden barocken Magdalenenaltar mit dem Bild der Büssenden nicht sehen.
Unser Weg führte uns von dieser Kapelle, die vor dem Landgasthof steht, an der Schlossbergklinik vorbei. Diese Klinik wird zurzeit erweitert. Sie ist ein schön gelegenes Akutkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie, innere Medizin und Psychosomatik. Diese Klinik zieht viele Patienten aus allen Teilen Europas an. Auf dem weiteren Weg nach Staufen sahen wir etliche Plakate, weil eine Initiative gegen die Überbauung rund um die Klinik und zum Erhalt des Bettlerpfads aufruft. Der berühmte Wanderweg führt hier oben vorbei bis nach Freiburg i. Br. und Basel.
Viele Häuser wurden zerstört
Bald erreichten wir die katholische Pfarrkirche St. Martin, die 1336 erstmals urkundlich erwähnt wurde. An diesem Tag interessierten wir uns nicht für dieses Bauwerk, sondern wir wollten die schöne Staufener Altstadt in Augenschein nehmen. Auf dem Weg dorthin sahen wir diverse Fotos auf Tafeln, die zerstörte Häuser infolge von Luftangriffen der Alliierten am 08.02.1945 zeigen. Eine Bildunterschrift lautet: „Nach den beiden ersten Angriffen glaubten wir, dass Schluss wäre, und alles ging essen. – Nach kurzer Mittagspause folgten dann im Laufe des Nachmittags laufend neue Angriffe, insgesamt wurden wohl 8 Angriffe (in 3 Wellen) auf Staufen geflogen und etwa 60 Bomben abgeworfen.“ Zur Zeit des Angriffs hielten sich viele deutsche Truppen, die aus Frankreich abgezogen waren, in Staufen auf. Die Alliierten (es hiess, es habe sich um Franzosen in britischen Flugzeugen gehandelt) wollten die Eisenbahnbrücke zerstören. Diese Brücke war für die abziehenden Truppen wichtig. Staufen hatte 80 Tote zu beklagen, 38 Häuser wurden zerstört, 304 beschädigt.
So kam es zur Rissbildung an den Häusern
Heute wird die Altstadt nicht mehr von den sinnlosen und brutalen Luftangriffen bedroht, sondern von einer Erderhebung nach der Erdwärmesondierung. 2007 gab es 7 Bohrungen zur Erkundung einer möglichen Erdwärmegewinnung. Ab März 2009 wurden zusätzliche Bohrungen abgeteuft. Die vermutete Ursache wurde dadurch bestätigt. Bei den Bohrungen kam die 40 m mächtige Gipskeuperschicht mit dem unter hohen Druck stehenden Grundwasser in Verbindung. Das vorhandene Anhydrit (CaSO4) wandelte sich mit dem Wasser in Gips (CaSO4 • 2 H2O) um. Dadurch wurde das Volumen um 50 bis 60 % vergrössert. Der Untergrund wuchs in die Höhe und hob viele Häuser der Altstadt an. In den Fassaden und im Innern der Häuser bildeten sich Risse. Ich fragte Thilo Kühnle, Stellvertretender Geschäftsführer der Ferienregion Münstertal Staufen, wie viele Häuser beschädigt worden seien. In einer E-Mail vom 14.02.2013 teilte er mir mit, dass bisher 269 Häuser in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Hebung wurde durch etliche Massnahmen verringert. Zurzeit vollzieht sich die Hebung immer noch um 3 mm pro Monat. Der Schadenumfang beträgt zurzeit 50 Millionen Euro.
Infos sind unter www.staufen.de/aktuelles-nachrichten/hebungsrisse/ nachzulesen. Thilo Kühnle: „Zu dem nackten Zahlenwerk sind die Presseberichte unter ,Presseerklärungen’ rechts am Rande prima, und auch die Infos zur Schlichtungsordnung geben zur Schadenregulierung die eine oder andere Antwort.“
Am 15.03.2010 war ich mit Walter Hess aus Biberstein (Schweiz) in Staufen. Damals kam es auf Vermittlung von Thilo Kühnle zu einer Begegnung mit der Stadtbaumeisterin Martina Schlatter, die uns durchs Rathaus führte. Hess hat darüber den informativen Blog vom 19.03.2010 „Staufen D, Faust und Gips: Aufstrebende gerissene Altstadt“ verfasst.
„Staufen darf nicht zerbrechen!“
Zurück zu unserer Wanderung: Als wir durch eine Nebenstrasse zum Marktplatz kamen, fiel mir der achteckige Marktbrunnen von 1546 auf. Das „Brunnenmännle“ mit Schild und Fahne war ein Zeichen der Marktgerechtigkeit. Gegenüber von diesem Brunnen befindet sich das wohl schönste Gebäude von Staufen, das Rathaus, das 1546 erbaut wurde. An diesem Haus und an dem daneben befindlichen Bau sind meterlange und zentimeterbreite Risse zu sehen. Am Rathaus und an einem anderen Gebäude ist über einem Riss ein rotes Schild mit der Inschrift „Staufen darf nicht zerbrechen!“ angebracht. Ich finde auch, dass man alles tun sollte, um die historische, mittelalterliche Kleinstadt (ca. 7600 Einwohner) zu erhalten. Die Stadt unternimmt unglaublich viel, um der Bedrohung Herr zu werden. So wurde eine Stiftung zur Erhaltung der historischen Altstadt Staufen ins Leben gerufen. Im Internet werden die Leser dazu animiert, den Gedanken der Stiftung zu verbreiten. Im „Kaufladen“ kann man folgende Produkte erwerben: Wandkalender, Staufentasche, Staufenkrug, Staufen-Briefmarke, Staufen-Briefmarken-Box, Katalog „Künstler für Staufen“, Schrift „Wandern mit Irmgard“. Der Reinerlös fliesst der Stiftung zu.
Hier wirkte der Alchemist Faust
Unweit des Rathauses befindet sich das Gasthaus „Löwen“. In diesem Gasthaus verzehrten wir anlässlich des Besuches im März 2010 ein „Faust-Menü“ und besichtigten das Faust-Zimmer (Nr. 5) sowie die historische Fauststube. Besonders interessierten wir uns für die verglaste Nische mit Reagenzgläsern und anderweitiges Laborzubehör (www.fauststube-im-loewen.de). Hier sollte auf Einladung des verschuldeten Freiherrn Anton von Staufen der Alchemist und Schwarzkünstler Johann Georg Faust aus Knittlingen Gold herstellen. Nach einer Legende soll er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Bei seinen alchemistischen Versuchen kam er in seinem Labor durch eine Explosion 1539 ums Leben. Davon berichtet die Inschrift an der Fassade des Gasthauses. Der Text stammt aus der Zimmerschen Chronik. Das Wandfresko mit der Inschrift wurde 1910 (restauriert:1995) nach einer Zeichnung des Freiburger Professors Fritz Geiges angebracht.
Burgruine auf dem Schlossberg
Leider konnten wir aus Zeitgründen viele der Sehenswürdigkeiten von Staufen nicht erkunden. So war es uns nicht vergönnt, in die Struve-Passage zu gehen. Dort befindet sich nämlich an der Aussenfront des Hauses „Im Grün 15“ eine Kanonenkugel von der Beschiessung Staufens am 24.09.1848. An diesem Tag fand das Schlussgefecht, mit dem der Struve-Putsch beendet wurde, statt.
Wir wanderten der Hauptstrasse entlang und am Gasthaus „Zum Hirschen“ vorbei. Hier speisten Frank Hiepe und ich am 31.01.2013 nach einem Besuch der Firma Hübner in Ehrenkirchen vorzüglich: Bratkartoffeln mit saurer Rindsleber. Ein Genuss! In diesem Gasthaus sah ich auf Steinfliessen im Gastraum Risse, die notdürftig zugespachtelt waren. Wie mir der Seniorwirt erzählte, sind im Keller noch grössere Risse sichtbar.
In Höhe des Gasthauses sahen wir die imposante Burgruine auf dem Schlossberg. Wir schlenderten weiter zur Schlossgasse, am Altenpflegeheim St. Margareten und am Auerbachs Kellertheater (Privattheater, das unter Leitung von Eberhard Busch steht) vorbei und wanderten dann Richtung Burgruine. Zuerst bekam ich einen Schreck, als ich den steilen Berg mit den Steinmauern und den Reben sah. Aber zum Glück gingen wir nicht steil nach oben, sondern umwanderten den Burgberg seitlich; dann ging es auf einem etwas rutschigen Weg zur Burgruine. Von der ausserhalb der Ruine befindlichen Terrasse gegenüber der 12 m hohen Aussenwand des neueren Palas bot sich uns ein fantastischer Blick, der leider durch die Witterung an diesem Tag getrübt war. Von hier oben aus konnten wir den Blick über die Altstadt mit Martinskirche und im Hintergrund den Eingang zum Münstertal und die umliegenden Orte von Staufen schweifen lassen. Rechts von der Altstadt sahen wir den Bahnhof, den Stadtsee und ein Labyrinth, welches das grösste Naturlabyrinth in Südbaden ist. Das Labyrinth und der Skulpturenweg waren innerhalb der Kulturwoche „Die Blaue Blume“ am Stadtsee 1995 angelegt worden.
Am Schlossberg begann der Weinbau erst im 14. und 15. Jahrhundert. Er ist auch heute noch sehr arbeitsintensiv, da wegen der Steilheit des Hangs kaum Maschinen eingesetzt werden können. Wir sahen 2 Winzer, wie sie am Rande einer Steinmauer die Rebstöcke auf 1 bis 2 Triebe zurückschnitten; die mussten schwindelfrei und vorsichtig sein.
In Staufen werden seit Ende des 18. Jahrhunderts Gutedel, Ruländer, Gewürztraminer, Silvaner, Müller-Thurgau, Weissburgunder, Chardonnay und Riesling angebaut. Die hervorragenden Weine werden von den Weingütern und der Staufener Winzergenossenschaft vermarktet.
Dann ging es durch ein kleines Tor in den Burginnenhof. Imposant ragten die Mauern des Neueren Palas (Wohngebäude der damaligen Herrschaften), des Bergfrieds und die nördliche Schildmauer in die Höhe. Die hohe Südmauer des Neueren Palas hat eine Stärke/Dicke von 1,5 Metern. Die Fenster sind ungleich angeordnet, typisch für die romanische Bauweise. Wir entdeckten an der linken Aussenwand des Zwingers Fensteröffnungen und Löcher für Dachbalken, am Neueren Palas einen Wandschlitz. Klaus Jebens erklärte den Wandschlitz so: „Der Söldner steht innen am Schlitz und kann das Gelände nach links und rechts übersehen und mit seiner Armbrust erreichen. Diese war die übliche Verteidigungswaffe, bis es Ende des 15. Jahrhunderts die ersten Pulverwaffen gab, mit denen man erheblich weiter schiessen konnte.“
Die Burg existiert schon seit etwa 1000 Jahren. Seit ungefähr 370 Jahren besteht sie als Ruine. Hier wohnten etliche Freiherren von Staufen (nicht zu verwechseln mit dem berühmten Geschlecht der Staufer). 1602 starb Georg Leo (1568−1602), der letzte Freiherr von Staufen. Er hatte 2 Töchter, aber keine männlichen Nachkommen, so dass sein Geschlecht im Mannesstamm erlosch.
1632 wurde die Burg von den Schweden niedergebrannt. Die zerstörte Burg wurde nie mehr aufgebaut, sie ist als Ruine erhalten geblieben.
Zu erwähnen wäre noch, dass die Stadt Staufen die Ruine 1896 dem Freiherrn von Mentzingen zu einem Preis von 18 000 Reichsmark abgekauft hat. Die Stadt wollte den Zerfall der Ruine verhindern. Bis heute gab es etliche Sicherungsarbeiten. Der Eingang zum Bergfried wurde so gestaltet, dass die Besucher bequem nach oben gelangen. Wegen der Vereisung der Treppe wagte sich nur unser Wanderfreund Bernd hinauf zur Terrasse. Auf dem Weg dorthin blickte er aus einem Fenster wie ein Burgherr zu uns hinunter auf den Innenhof.
Dann begaben wir uns durchs Innentor hinaus und erkundeten die Überreste des Zwingers. Dort sahen wir etliche Bäume und Sträucher, die im Lauf der Zeit aus dem Boden wuchsen.
Nach der Erkundung der Ruine wanderten wir wieder zurück in Richtung Landgasthof „Zum St. Gotthardt“. Dort konnten wir uns von den Strapazen der Wanderung erholen und den leiblichen Genüssen frönen. Von der Güte des vorzüglich schmeckenden Staufener Gutedels konnten wir uns überzeugen.
Fazit: Alle Teilnehmer an der Exkursion waren sich einig, Staufen und die Burgruine im Frühjahr oder Herbst 2013 wiederum zu besuchen. Dann werden wir hoffentlich einen ungetrübten Blick auf die Fauststadt Staufen und auf eine grandiose Landschaft haben.
Hinweis
Staufen hat unglaublich vieles zu bieten. Im Internet sind unter „Freizeit & Kultur“ („Staufen lädt ein!“) Museen, Veranstaltungen, Führungen und Ausflüge in die nähere Umgebung aufgeführt. Es lohnt sich, hier hineinzuschauen.
Sie finden die Infos unter www.staufen-im-breisgau.de/kultur.html
Internet
Literatur
Erdmann, Elisabeth: „Staufen im Breisgau“ (Geschichte und Gegenwart), Kehrer Verlag, Freiburg i. Br. 1989.
Hecht, Ingeborg: „Staufen“ („Ein Stettlin im Brisgow“), Kehrer Verlag, Freiburg i. Br. 1997.
Jebens, Klaus: „Die Burg in Staufen und ihre Bewohner“, Lavori Verlag, Freiburg i. Br. 2001.
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