BLOG vom: 09.05.2013
Die Inder und die Hautfarbe: Je heller desto erfolgreicher?
Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
In Indien wie auch in vielen Ländern in Afrika wächst die Mittelschicht, die über Geld verfügt, das unter anderem auch für Körperpflege und Schönheitsmittel ausgegeben werden kann. Die Werbemedien haben genau diese Zielgruppe im Auge. Der Fernseher ist inzwischen Standardausstattung der Haushalte geworden. Werbespots im Fernsehen zeigen Häuser und Wohnungen, die sich nur wenig von denen in westlichen Industrieländern unterscheiden, ebenso mit Bezug auf Ausstattung und Verhaltensweisen wie Reinigung, Mode, usw. Der Fernsehapparat ist – wie in vielen Haushaltungen auf der Welt – ständig in Betrieb, und die Werbung ist, vergleichbar mit der USA, sehr präsent.
Ich war noch nie in Afrika (das hier behandelte Thema ist auch dort bekannt), aber mehrmals in Indien und habe die Lebenswelt vieler Inder beobachtet. Die vielen Fernsehprogramme sind dort überwiegend in den Landessprachen und zeigen viele an Hollywood orientierte, billig gemachte Bollywood-Filme mit Liebes- und Generationsproblemen, und sie spielen oft in Häuslichkeiten, die von den Zuständen im Westen inspiriert sind.
Die indische Mittelschicht wird also „in Richtung Industrieländer gepolt“, deren Lebensweise als die bessere, glücklicher machendere vorgeführt wird. Dementsprechend orientieren sich viele Inderinnen und Inder daran. Das dafür notwendige Einkommen ist nur selten ausreichend vorhanden. Deshalb wird eher auf das äussere Auftreten Wert gelegt, um sich an „die moderne Lebenswelt“ anzupassen.
Bekannte Schauspieler wie Shah Rukh Khan lassen sich von der Werbebranche vereinnahmen, die weiss, dass sie Vorbildfunktion haben. Und wenn dieser Schauspieler etwas darstellt und sagt, wird das für „bare Münze“ genommen.
Das Riesenland hat viele verschiedene Volksgruppen mit unterschiedlich dunkler Hautfarbe. Historisch wurde das lange Zeit so begründet, dass die eingewanderten, überlegenen hellhäutigen Arier die „primitive, dunkelhäutige“ Bevölkerung unterworfen und Indien die „Zivilisation“ gebracht hätten. Inzwischen geht man aber davon aus, dass die indische Kultur, auf die die Arier gestossen sind, städtisch hochentwickelt war. Kultur besassen allerdings vor allem die höheren Schichten.
Ganz dunkle Hautfarbe wird der auf dem Land arbeitenden Bevölkerung zugeordnet. Frauen haben dort die schwere Arbeit zu leisten. Sie stehen im Rang immer unter den Männern. In der Stadt haben sie, besonders auch in beruflicher Hinsicht, die Chance, sich mehr zu emanzipieren. Erfolgsorientierte Stadtbewohner(innen), die es geschafft haben, dem Dorf- und Landleben den Rücken zu kehren, fühlen sich nicht „wohl in ihrer Haut“, denn eine hellere Hautfarbe steht – nicht zuletzt über die Werbung verstärkt – für karrierefördernd. In den Werbespots treten so auch eher hellhäutigere Menschen auf, und in den Filmen übernehmen die dunkelhäutigen oft den Part der Schurken und Dummköpfe. Hellhäutigkeit wird mit Schönheit assoziiert. Indische Hindu-Götter werden denn auch meist hellhäutig dargestellt.
In der Stadt verändert sich auch die kulturell gewachsene Sitte, dass Eltern ihre Kinder in arrangierte Ehen verheiraten. Es etabliert sich ein Heiratsmarkt, auf dem angeblich hellerhäutige, schöne Frauen mehr Chancen haben als dunklere. Kasten spielen in der Stadt keine besondere Rolle mehr. Es gilt, sich zu unterscheiden. Die Werbung suggeriert ausserdem, dass Karrierechancen mehr mit Aussehen als mit Leistung zu tun hätten.
Es wird also auf eine bestimmte Bevölkerungsschicht, die sich davon beeinflussen lässt, Druck ausgeübt, eine hellere Hautfarbe zu bekommen. Wenn bei über 1 Milliarde Einwohner nur wenige Prozente in diese Richtung tendieren, sprechen wir schon von 10 oder 20 Millionen Menschen. Unter diesen wird das Thema diskutiert und auch die Mittel, die zur Erreichung des gewünschten Aussehens angeboten werden, nach finanzieller Möglichkeit erworben.
Man sollte davon ausgehen können, dass die Salben und sonstigen Mittelchen, werden sie von international auftretenden Konzernen wie Bayer, Avon und L’Oreal produziert, gesundheitsneutral seien, was aber selten zutrifft; aber viele können sich solche preislich höher liegenden Mittel nicht leisten und verwenden dann Nachahmerprodukte, und das können auch solche Hautaufbleicher sein, die nicht immer nach dermatologisch-medizinischen Vorschriften produziert werden. Sie können Quecksilber und Kortison enthalten. Es ist möglich, dass die Benutzer, es sollen auch immer mehr Männer unter ihnen sein, bleibende Schäden davontragen, etwa Hautirritationen, Pigmentstörungen und Nierenschäden. Werbespots, die sogar auf den Intimbereich der Frauen hinweisen, der ebenso aufgehellt werden müsste, denn sonst würde der Mann eher fremdgehen, wurden scharf kritisiert, aber es gab sie.
Das Thema ist dann, wenn Indien im Fokus der Medien der Welt ist, immer wieder auch einen Presseartikel wert, besonders wenn der sexuelle Aspekt eine Rolle spielt, und so kann man Jahr für Jahr immer wieder darüber lesen.
Bei meinen Besuchen und auch bei meinem 4-monatigen Aufenthalt in der 7-Millionen-Stadt Bangalore habe ich allerdings wenig davon bemerkt. Meine Studentinnen und sonstigen Kontaktpersonen hatten unterschiedliche Hautbräunungen. Sie kamen aus verschiedenen Gegenden Indiens, stammten also auch von den unterschiedlichsten Volksstämmen ab. Das Thema Farbaufhellung der Haut wurde nie von ihnen angesprochen. Einige der Frauen bekleiden Leitungsstellen in Banken und anderen Unternehmen.
In den Strassen fielen mir Menschen auf, die ihre Haare mit Henna gefärbt hatten und solche Personen, die offensichtlich an Hautkrankheiten litten, vor allem an Vitiligo, der „Weisse-Flecken-Krankheit“, die bei natürlich-dunkler Hautfarbe sofort auffällt. Sie tritt oft an sichtbaren Stellen wie im Gesicht und an den Händen auf, und die entsprechenden Hautpartien sind ohne Melanin, dem dafür verantwortlichen Hautpigment. Bei fortgeschrittenerem Stadium haben die Menschen eine Hautfarbe, die von hellhäutigen nur schwer zu unterscheiden ist.
Ab und zu habe ich auch Inder getroffen, die ich als Europäer eingeschätzt habe und bei denen es möglicherweise gemischtfarbige Vorfahren gegeben haben könnte.
Für mich persönlich sind Inderinnen mit ihrer natürlichen Hautfarbe oftmals bewundernswerte Schönheiten. Hautaufhellungen würde ihrem Aussehen meiner Meinung nach nur schaden.
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