Textatelier
BLOG vom: 09.06.2013

Lernen mit Word Magic: Grimms & Verners Sprachgesetze

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Schriftstücke aller Art, die mich interessieren, hebe ich auf. So hat sich im Laufe der Zeit ein ungeordneter Stapel von Blättern, Kopien und Zeitungsausschnitten angesammelt. Bei der letzten Durchsicht dieser Papiere ist mir ein Blatt aufgefallen, das den Titel trägt: „Word Magic“. Es ist auf Englisch verfasst, der Untertitel heisst: „Grimm’s and Verner’s Laws“.
 
Das Blatt befasst sich mit Sprachen und Sprachgesetzen. Es geht um europäische Sprachen. Die „indoeuropäischen Sprachen“ sind in einem Sprachenbaum-Diagramm in 2 Blöcke eingeteilt: Auf der linken Seite finden sich neben griechischen, anatolischen und lateinischen die germanischen Sprachen; auf der rechten Seite die indoarischen, darunter alle heute noch gesprochenen nordindischen Sprachen; die indoiranischen, z. B. die persische und kurdische Sprache und die slawischen Sprachen wie Russisch, Polnisch und andere. Wie man unschwer sehen kann, hängen alle diese Sprachen zusammen und haben ihren Ursprung im Gebiet des Indus.
 
Die oben genannten Sprachgesetze haben vor allem etwas mit den sich auf der linken Seite aufgeführten Sprachen und der germanischen Lautverschiebung zu tun, also mit einer eigenen Entwicklung vom Indogermanischen zur urgermanischen Sprache. Sie wird auch „1. Lautverschiebung“ genannt (die 2. führte zur heutigen deutschen Sprache). Es gibt Phänomene in den germanischen Sprachen, die nicht zur ersten eigenständigen Entwicklung passen. Die Besonderheit besteht darin, dass sich stimmlose Reibelaute zu stimmhaften wandelten. Ich will hier keine umfangreiche Sprachwissenschaft betreiben, sondern nur auf diese Besonderheit hinweisen.
 
Die Sprachwissenschaftler der letzten Jahrhunderte (Jacob Grimm 1822 geboren, Karl Verner, 1875, u. a. wie der 1950 geborene Wolfram Euler) haben sich gefragt, warum sich aus dem lateinischen „frater“ und „pater“, altindisch „bhrâtar“ und „pitár“, in der heutigen deutschen Sprache „Bruder“ und „Vater“, entwickelten, denn logisch wäre „Bruder“ und „Vader“. „Stimmlos“ wird der sogenannte „Explosivlaut“ genannt, beispielsweise „t“ oder „p“. Das stimmlose „t“ von „frater“ veränderte sich bei „Bruder“ in das stimmhafte „d“.
 
Im Niederländischen, das eine andere Sprachentwicklung durchgemacht hat, stimmt die Annahme, denn „vader“ ist die deutsche Entsprechung zu „Vater“. Das indogermanische „mater“ ist in den meisten indogermanischen Sprachen der Ursprung für „Mutter“. Die niederländische Übersetzung ist „moeder“ (wobei das niederländische „oe“ wie das deutsche „u“ ausgesprochen wird); auch hier könnte man annehmen, dass die deutsche Form „Muder“ heissen müsste. Unter anderem wird der Grund für die Unterschiede in der ursprünglichen Betonung auf der 1. oder 2. Silbe der Wörter gesucht.
 
Zurück zum „Word Magic“. Die dort aufgeführten Regeln sollen das Lernen einer indogermanischen Sprache etwas erleichtern. Sie lauten: 
1. Ein indo-europäisches „p“ (wie in Latein und Griechisch) ist oft ein „f“ in germanischen Sprachen.
2. Ein „t“ ist ein „th“ oder ein „d“.
3. Ein „k“ ist ein „h“.
4. Ein „d“ ist ein „t“.
5. Ein „g“ ist ein „k“.
6. Ein „t“ ist oft ein „s“.
7. Ein „r“ ist oft ebenso ein „s“.
8. Die Buchstaben f, b und v sind oft austauschbar.
9. Ein „s“ entfällt oft im Französischen.
10. „W“ ist manchmal mit „v“ austauschbar.
11. „K“ ist oft „ch“ oder „sch“.
12. Ein „t“ ist oft ein „z“.
13. Ein „h“ entfällt manchmal. 
Beispiele aus Lateinisch/Griechisch/Deutsch
tres/treis/drei ‒ Regel 2.
octo/okto/acht ‒ Regel 11.
penna/pege/Feder ‒ Regel 1.
 
Beispiele aus der englischen Sprache
strong = stark – Regel 5.
time = Zeit – Regel 12.
wife = Weib – Regel 8.
week = Woche – Regel 11.
door = Tor – Regel 4.
make = machen – Regel 11.
father = Vater – Regel 8.
this = dies – Regel 2.
 
Beispiele aus der französischen Sprache
nerf = Nerv – Regel 8.
tres = sehr – Regel 6.
etalon = Hengst – Regel 13.
chambre = Kammer – Regel 11.
train (engl. oder frz.) = Zug – Regel 12.
 
Beispiele aus der niederländischen Sprache:
welke = welche ‒ Regel 11.
sterven = sterben ‒ Regel 8
ik = ich – Regel 11.
helpen = helfen ‒ Regel 1.
stoten = stossen ‒ Regel 6.
doden = töten ‒ Regel 4.
vesting = Festung – Regel 8.
 
Beispiele aus der schwedischen Sprache
bröd = Brot – Regel 4.
författare = Verfasser –Regel 8.
rik = reich – Regel 11.
gaffel = Gabel ‒ Regel 8.
vad = Wette oder Furt ‒ Regel 8 und 10.
fläsk = Flasche – Regel 11.
 
Als ich Englisch und später Niederländisch lernte, wusste ich noch nichts von diesen Sprachgesetzen. Es ist schwer zu sagen, ob sie beim Sprachenlernen helfen, doch manchmal kann man eine Ableitung wagen!
 
Quelle
 
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