Textatelier
BLOG vom: 09.07.2013

In der Rheinschlucht und in Obersaxen. Das Tüpfli aufs i

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Wir reisten über Chur nach Ilanz und von dort mit dem Postauto nach Obersaxen. Später hielten wir uns in der Rheinschlucht auf, diesem imposanten Naturdenkmal, dessen Geschichte vor etwa 10 000 Jahren mit dem gewaltigen Flimser Bergsturz begann. Im Lauf der Jahrtausende bahnte sich dort der Vorderrhein seinen Weg durch die Bergsturzmassen und formte so die 20 km lange Rheinschlucht – die Ruinaulta.
 
Als wir in Versam eingetroffen waren und den Weg zum Rheinufer gefunden hatten, markierte ein lichtes Wäldchen den Eingang in die Schlucht. Und seine Atmosphäre bewirkte augenblicklich, dass wir still standen. Etwas in uns wollte sich noch auf das Naturschauspiel vorbereiten und dafür sorgen, dass wir ihm respektvoll begegnen. In der Art, wie man einen sakralen Raum betritt.
 
Der erste Eindruck also: die hellgrünen Bäume. Der zweite von einem Vorhang, den ein Nadel- und ein Laubbaum miteinander aufgehängt hatten. Ihre ausladenden Äste berührten sich nur leicht, und ihr gemeinsamer und durchlässiger Vorhang wirkte wie ein durchbrochener Spitzenstoff. Ganz oben auf der Felswand am andern Rheinufer nahm ich einige Tännchen wahr. Wie Figuren in einem Ehren- und Ruhmespalast. Die aufgefaltete Felswand mit ihren bizarren Formen spielte in diesem Moment noch etwas Verstecken. Erst als wir ein paar weitere Schritte gemacht hatten und unter dem Baumvorhang hindurch gegangen waren, befanden wir uns in der offenen Schlucht. Eine Wucht. Nicht zum ersten Mal waren wir da angekommen. Aber jedes Mal ist eine Begegnung mit ihr wieder überwältigend. Sie mächtig, uralt, erhaben. Wir nur kleine, im Verhältnis zu ihr sehr junge und unerfahrene Menschen.
 
Es waren nur noch 3 Frauen an diesem Ort. Sie sassen auf einer Kiesbank, also am Boden, viele Meter von uns entfernt. Wir störten einander nicht. In solchen Momenten reden Primo und ich nicht. Er widmet sich den Flusssteinen, ihren Farben, Formen und Adern. Und ich lasse mich von den Gesichtern und Figuren an den Felswänden ansprechen. Dabei bin ich dann zeitlos, lasse mir alle Strömungen zukommen. Und weil es der Rhein ist, der vorbei fliesst, strecke ich selbstverständlich meine Hände in sein milchiges Wasser. Die Geschichte von der Forelle, die ich im Blog vom 25.3.2007 (Der Rheinfall bei Schaffhausen) beschrieben habe, begründete unsere Freundschaft.
 
Später trafen dann 4 Funyaks (aufblasbare Kajaks) ein. Geführt von einem Kanulehrer, der den Weg wies, selber aber durch wilde Wasserbereiche fuhr. Ruhig kamen sie alle an Land, trugen ihre Boote weg, brachten sie in die hier ansässige Kanuschule zurück.
 
Die Rheinschlucht sei ein einzigartiges Paddelgebiet in Europa, las ich in einem Prospektblatt. Der Fluss verläuft in Schlangenlinien den verschiedenen Felswänden entlang und führt die Kanuten durch seine Räume. Auch Reisende in der Rhätischen Bahn ab Chur Richtung Disentis können dieses Naturwunder geniessen. Die Bahnlinie ist so geführt, dass sie viele Einsichten in die Flusswindungen vermitteln kann. Im ersten Drittel der Fahrt ist ein Sitzplatz links im Waggon vorteilhaft, später dann wird es auf der rechten Seite spannend. Die Felsenlandschaft ist aus meiner Sicht unvorstellbar phantasievoll. Und ihr helles Gestein strahlt aus, wie wenn die Oberflächen erst kürzlich geschliffen worden wären.
 
Oben in Obersaxen suchten wir die Nähe des Piz Mundaun (2064 m). Primo war als 10-Jähriger hieher gekommen und durfte zusammen mit 30 Pfadfindern diesen hohen Berg besteigen. Für einen aus der Stadt Zürich, der nahe dem Hauptbahnhof ohne Grünfläche aufgewachsen ist, war das eine Offenbarung, die noch immer nachhallt. Die Höhe und weite Sicht sind prägend. Dieser Berg erschien mir nicht so hoch wie es die Zahl ausdrückt. Wir befanden uns aber bereits auf 1281 m, als ich ihn von nahem sah.
 
Dann gingen wir auf der Hauptstrasse und bewunderten das Gras, das zum Heu geworden war und sich vom Wind wiegen liess. Was für eine Augenweide: die Grösse der Felder und ihr Reichtum an Blumen und Gräsern. Wir entdeckten das Zittergras, das wir in Zürich und Umgebung nicht finden können. Und wir kamen an Wegkapellen vorbei und fühlten uns an diesem Tag auch als Pilger. Von den bekannten Orten und Wegen hatten wir uns verabschiedet, waren offen für neue Sichten und Welten und fühlten uns dem Himmel auch noch etwas näher als sonst.
 
Ich schätze jeweils Gespräche mit dem Postauto-Chauffeur und die Informationen, die nur ein Einheimischer geben kann. Diesmal wusste er, wo wir uns verköstigen könnten. Er nannte das Steinhauser Zentrum in Meierhof, Obersaxen. Und wir vereinbarten, wo und wann wir ihn an der entsprechenden Station wieder erwarten durften.
 
Das Sonntagsmenu verdiente seinen Namen, und die Atmosphäre behagte uns. Wir waren in einem modern gestalteten Altersheim gelandet, in dessen Caféteria auch sogenannt gewöhnliche Gäste bedient werden.
 
Bevor wir weiterzogen, war auch für die Bewohner dieses Hauses das Mahl beendet. Wir wissen nicht, ob es die Hausverwalterin war, die dann zum Spass durch die Finger pfiff. Heimbewohner pfiffen zurück, auch Primo machte da sofort mit. Eine ganz ungewöhnliche Form von Kommunikation, die mir unter die Haut ging. Ich hörte dann noch eine alte Frau rufen, sie sei das gewohnt, habe als Kind Ziegen gehütet und wisse, wie man sie herbeirufe. Diese Zugabe setzte gleich das „Tüpfli aufs i“, wie wir im Dialekt sagen, wenn alles stimmt.
 
 
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