BLOG vom: 16.08.2013
Recherchen (7): Sind in Blümchentees schädliche Stoffe?
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
„Mit grossem Interesse habe ich den Artikel ,Risikofaktor Blümchentee' in der ,Badischen Zeitung’ vom 19.07.2013 gelesen. Dieser Bericht hat mich doch etwas verunsichert. Ich kuriere nämlich schon seit Jahren kleine Wehwehchen mit Kräutertees. Gerne hätte ich dazu Ihre geschätzte Meinung gehört.“
Frau R. B., Zell im Wiesental D
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„Pflanzenstoffe in Tees können Gesundheit gefährden“, war eine schlagkräftige Meldung in diversen Zeitungen. Wie kam es dazu? Laut dem „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) sollen bestimmte Kräutertees Pyrrolizidinalkaloide (PA) aufweisen, die gesundheitsschädlich sind. PA sind Stoffe, die von vielen Pflanzen zur Abwehr von Frassfeinden produziert werden. In hohen Dosen können diese Stoffe die Leber schädigen. In Tierversuchen, die man auch kritisch beurteilen muss, wurde ausserdem eine krebsauslösende Wirkung ermittelt.
Vorfall in der Schweiz
Am 22.04.2011 berichtete ich in einem Blog („Frühjahrskräuter 2: Huflattich – exzellentes Hustenmittel“) schon über den PA-Gehalt im Huflattich. Huflattichzubereitungen wurden in einigen Ländern verboten. In Deutschland wurden die tolerierten Werte so niedrig angesetzt, dass sämtliche Präparate mit Huflattich vom Markt verschwanden.
Die Einschränkungen wurden durch einen Vorfall in der Schweiz forciert. Dort trank eine Schwangere längere Zeit eine grosse Menge Bronchialtee mit Huflattich. Sie gebar ein Kind mit einer PA-typischen Lebererkrankung. Das Kind starb bald darauf. Eine Untersuchung ergab, dass die Erkrankung nicht durch Huflattich, sondern durch eine irrtümliche Beimengung von PA-reichen Pestwurzblättern ausgelöst worden war. Trotzdem hielt sich der Verdacht, Huflattich sei toxisch, und damit war wieder einmal eine Heilpflanze kriminalisiert, die synthetischen Medikamenten im Weg steht.
Anmerkung: Für die Zubereitung von Arzneien mit Pestwurz werden heute PA-arme Pflanzenteile verwendet.
Früher kam auch der Beinwell in Verruf. Gut wirkende Produkte, wie eine Salbe gegen Muskel- und Gelenkbeschwerden, mussten vom Markt genommen werden. Zum Glück gibt es jetzt Züchtungen mit PA-armen oder PA-freien Pflanzen, so dass die erwähnten Produkte wieder in den Handel kamen.
Verdienste bei der In-vitro-Kultivierung und Selektionszüchtung bei Huflattich erwarben sich die Universitäten Wien und Bonn sowie die Firma Schoenenberger, die aus über 100 Pflanzen nur wenige selektierten. Diese enthalten keine PA, jedoch alle anderen wichtigen Inhaltsstoffe des Huflattichs.
Risikobewertung des Instituts
Das BfR untersuchte 221 handelsübliche Kräutertees und Teemischungen. Darunter befanden sich nicht nur Tees mit Fenchel, Kamille, Pfefferminze, Brennnessel und Melisse, sondern auch Schwarz-, Grün- und Roibuschtees.
BfR-Präsident Andreas Hensel betonte, man habe unerwartet hohe Gehalte an PA gefunden. Es wurde eine neue Analysenmethode verwendet, um die PA-Werte genau zu bestimmen. Teehersteller wollen jetzt die Werte genau überprüfen und auch Massnahmen zur Minimierung der Stoffe einleiten. Ein namhafter Teehersteller (Sidroga) prüfte bisher mit den bisher zur Verfügung stehenden Methoden. Die Analytiker fanden keine PA.
Frank Hiepe, Apotheker und Heilpflanzenfachmann aus Zell im Wiesental, äusserte sich auf Anfrage wie folgt: „Es ist bis jetzt rätselhaft, woher die Gehalte stammen, da die untersuchten Pflanzen keine PA erzeugen. Da PA bei längerfristiger Einnahme sich diese Teedrogen leberschädigend auswirken, empfiehlt die ,Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker', die erwähnten Tees nicht länger als 2 Wochen zu trinken. Dies gilt insbesondere für Kleinkinder, Schwangere und Stillende.“
Die schlauen Wissenschaftler des BfA und auch Teeexperten konnten nicht erklären, woher die hohen PA-Werte stammen. Bei einigen Tees deuten die Analysen auf Verunreinigungen durch Fremdkräuter bei der Ernte hin. Man weiss auch nicht, ob bei gestressten Pflanzen sich PA bilden.
Frank Hiepe betonte in einem Schreiben an Prof. Dr. Helmut Wiedenfeld, Wissenschaftler des Pharmazeutischen Instituts der Universität Bonn, dass in der Presse alle paar Jahre Warnungen vor PA-haltigen Teedrogen auftauchen. Dies war in der Vergangenheit mit Huflattich, Beinwell und Borretsch der Fall. Frank Hiepe bat ihn um Auskunft, ob er entwarnende Argumente anführen könne. Der Pharmazeut betonte, es müsse eine Kontamination vorliegen, da die genannten Pflanzen keine PA produzieren. Die Angelegenheit wird jetzt genau überprüft. Er kann jedoch jetzt noch keine Entwarnung geben. Die gilt besonders für den Baby-Fencheltee, da Feten, Babys und Kleinkinder eine sehr viel höhere Toxizitätsempfindlichkeit aufweisen als Erwachsene.
Das finde ich verdienstvoll: Die Daten des BfR werden jetzt überprüft. Es muss geklärt werden, woher die Verunreinigungen kommen. Wir werden dann über die Ergebnisse berichten.
Literatur
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“ (80 bewährte Heilpflanzen, Hausmittel, Wohlfühlbäder und Rezepte), Ipa-Verlag Mühlacker/Mühlhausen, 2. überarbeitete Auflage 2013 (Buchversand über die Autoren).
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